Debatte im EU-Ausschuss des Bundesrats über die erste europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich
Im zweiten Teil des heutigen EU-Ausschusses des Bundesrats berieten die Mandatar:innen über eine von der Europäischen Kommission übermittelten Mitteilung zum „Erreichen der Verteidigungsbereitschaft der EU durch eine reaktionsfähige und resiliente europäische Verteidigungsindustrie“. SPÖ und FPÖ brachten dazu beide einen Antrag auf Stellungnahme ein, um die Bundesregierung aufzufordern, keine bzw. keine weiteren Schritte in Richtung eines NATO-Beitritts zu setzen und eine aktive Neutralitätspolitik voranzutreiben. Der Antrag der SPÖ blieb mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ in der Minderheit. Der Antrag der FPÖ erhielt nur die eigene Zustimmung und wurde somit ebenfalls abgelehnt.
Industriestrategie für den Verteidigungsbereich
Im März präsentierten die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst eine gemeinsamen Erklärung. Bekannt unter der Abkürzung „EDIS“ (European Defence Industrial Strategy) handelt es sich dabei um die erste europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich. Das Strategiepapier hat keinen rechtsverbindlichen Charakter. Es beinhaltet die Vision der EU im Bereich der Verteidigungsindustrie bis 2035.
Zusätzlich legte die Kommission einen Verordnungsvorschlag für ein Programm für die europäische Verteidigungsindustrie vor, dessen Ziel die Schaffung eines langfristig angelegten Rahmens für die gemeinsame strategische Verteidigungsplanung sei. Von Österreich gebe es Zustimmung zur Stärkung der Europäischen Rüstungs- und Verteidigungsindustrie, und damit Zustimmung zu EDIS, heißt es aus dem Verteidigungsministerium.
Das übergeordnete Ziel der Initiative bestehe darin, die industrielle Verteidigungsbereitschaft der Union zu stärken und ihre strategische Autonomie zu festigen. Dies fördere die europäische, und damit auch die österreichische Industrie, optimiere Beschaffungsabläufe und verspreche finanzielle Einsparungen, legte ein Experte des Verteidigungsministeriums dar. Im Hinblick auf den Verordnungsentwurf seien jedoch noch viele Fragen offen. Der Entwurf werde nun bis Weihnachten Kapitel für Kapitel verhandelt.
Ein Experte des Außenministeriums wies darauf hin, dass eine neutralitätsrechtliche Prüfung ergeben habe, dass durch die Unterstützung dieser europäischen Initiative keine Verletzung oder Einschränkung der Neutralitätsrechte Österreichs zu befürchten seien. Das Verteidigungsindustrieprogramm biete Chancen für die österreichische Wirtschaft und solle zur Reduktion der Anschaffungskosten des Bundesheeres beitragen, so der Experte.
Gemeinsame Beschaffung sei positiv, meinte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N). Jedoch dürfe diese nicht „intransparent und von oben herab“ sowie mit geschwärzten Verträgen erfolgen, wie dies bei der Beschaffung der Impfstoffe während der Covid-Pandemie der Fall gewesen sei. Weiters sei aus seiner Sicht die gemeinsame Finanzierung „teilweise sehr kritisch“ zu sehen, da „Geld kein Mascherl“ habe. Es sei mit der Neutralität Österreichs nicht vereinbar, wenn Österreich dazu beitrage, die Ukraine mit Kriegsmaterial zu versorgen, so Spanring. Weiters nahm er Bezug auf ein Schreiben Österreichs an die NATO, welches medial bekannt geworden ist, jedoch dem Parlament nicht vorliege. Dieses Schreiben enthalte den „ausdrücklichen Wunsch Österreichs“, den Austausch mit dem Militärbündnis zu intensivieren. Spanring wollte wissen, wer diesen Brief verfasst habe und brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden solle, „von weiteren Schritten hin zu einem NATO-Beitritt Abstand zu nehmen und stattdessen eine aktive Neutralitätspolitik auf EU- und internationaler Ebene umzusetzen“.
Stefan Schennach (SPÖ/W) widersprach dem Experten des Außenministeriums und meinte, dass die europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich nicht mit der Neutralität Österreichs vereinbar sei. Er forderte, dass mit einer derart „intensiven Zusammenarbeit“ das Parlament befasst werden müsse. Auch er kritisierte, dass das medial bekanntgewordene Schreiben an die NATO nicht dem Parlament vorliege. Er sah in der Geheimhaltung eine „Brüskierung des Parlaments“. Er brachte daher einen Antrag auf Stellungnahme ein, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden solle „keine Schritte in Richtung eines Beitritts zur NATO zu setzen, sich klar zur Österreichischen Neutralität zu bekennen und eine aktive Neutralitätspolitik auf EU- und internationaler Ebene zu forcieren“.
Die Angst vor einem Beitritt Österreichs zur NATO sei „schlicht falsch“. Denn ein Beitritt sei keineswegs ein Thema, meinte Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O). Harald Himmer (ÖVP/W) sagte, seine Fraktion werde den Anträgen auf Stellungnahme nicht zustimmen, da niemand einen NATO-Beitritt Österreichs beabsichtige. Es solle nicht der Eindruck erweckt werden, dass eine solche Beschlussfassung nötig sei, so Himmer.
An den Anträgen von SPÖ und FPÖ merke man, dass derzeit der EU-Wahlkampf läuft, meinte Adi Gross (Grüne/V). Es sei wichtig, die Produktion im Bereich der Verteidigungsindustrie wieder nach Europa zu holen, zudem stärke gemeinsame Beschaffung das Verhandlungsmandat. Er forderte einen strengen Umgang mit der Waffenindustrie in Europa sowie Exportkontrollen, denn mit Waffen sollten keine Gewinne eingefahren werden. Stattdessen gelte es, die humanitären Grundsätze hochzuhalten, so Gross.
Es sei notwendig, Abhängigkeiten der EU zu reduzieren, deshalb sei die Initiative der Europäischen Kommission positiv zu sehen, meinte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Seine Fraktion trete für ein europäisches Berufsheer ein, eine gemeinsame Beschaffung sehe er dazu als einen ersten Schritt. Anzeichen für Bestrebungen in Richtung eines NATO-Beitritts von Österreich erkenne er nicht, so Arlamovsky.
Experten: Keinerlei Absicht zu NATO-Beitritt
Es gebe keine Absicht, keine Tendenz und keinen Wunsch der NATO beizutreten. Österreich sei militärisch neutral, unterstrich der Experte des Verteidigungsministeriums.
Der Experte des Außenministeriums verwies auf die Mitgliedschaft Österreichs in der „Partnerschaft für den Frieden“. Zudem legte er dar, dass das von Bundesrat Spanring und Bundesrat Schennach angesprochene Schreiben an die NATO darauf abzielte, die bestehende Kooperation festzuhalten, es aber keinerlei Absicht zu einem NATO-Beitritt gebe. Die Initiative für dieses Schreiben sei von der Schweiz ausgegangen. Gemeinsam mit den anderen neutralen Staaten Schweiz, Irland und Malta sei es darum gegangen, sichtbar zu machen, was die neutralen Staaten innerhalb dieser Partnerschaft leisten. Da es sich um ein sicherheitspolitisches Expertenpapier handle, habe man vereinbart, es nicht zu veröffentlichen. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) bea
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