NS-Wiederbetätigung: Justizausschuss ebnet Weg für Verbotsgesetz-Novelle
Wer nationalsozialistische oder andere in Österreich verbotene Symbole verbreitet bzw. trägt, muss künftig mit deutlich höheren Strafen rechnen. Das gilt etwa auch für Symbole der Hamas, der Grauen Wölfe und der PKK. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Regierung hat heute unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags den Justizausschuss des Nationalrats passiert. Außerdem wird künftig auch jegliches – und nicht nur "gröbliches" – Verharmlosen des Holocaust und anderer nationalsozialistischer Gräuel strafbar sein. Ebenso wird mit der Verbotsgesetz-Novelle die Ahndung von im Ausland begangenen Delikten und das Einziehen von NS-Devotionalien erleichtert. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS, damit sollte auch die im Plenum notwendige Zweidrittelmehrheit sichergestellt sein.
Die FPÖ begründete die Ablehnung der Gesetzesnovelle damit, dass diese aus ihrer Sicht in zwei Punkten überschießend sei, und zwar was den automatischen Amtsverlust für nach dem Verbotsgesetz verurteilte Beamt:innen und was den erleichterten Einzug von NS-Devotionalien betrifft. Diese können künftig auch dann beschlagnahmt werden, wenn sie nicht im Zusammenhang mit einer Straftat stehen. Damit könnten auch Hochzeitsfotos des Großvaters in SS-Uniform eingezogen werden, hielt Harald Stefan kritisch fest. Die FPÖ lehne jede Form von Wiederbetätigung und Judenhass ab, bekräftigte Stefan, mit dem Gesetz werde aber am eigentlichen Problem – "importiertem" Antisemitismus – "vorbeigearbeitet".
Von den anderen Fraktionen kam hingegen Zustimmung zum Vorhaben. Es sei notwendig, das Verbotsgesetz auf "die Höhe der Zeit zu bringen", hielt etwa SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz fest. Mehrfach wurde auch die künftige Diversionsmöglichkeit begrüßt. Für Justizministerin Alma Zadić handelt es sich um eine "historische Novelle", zumal die letzte größere Reform des Verbotsgesetzes 30 Jahre zurückliege.
Diversionsmöglichkeit im niederschwelligen Bereich
Vorrangiges Ziel der Verbotsgesetz-Novelle 2023 (2285 d.B.), die auch eine Änderung des Abzeichengesetzes, des Symbole-Gesetzes und des Uniform-Verbotsgesetzes umfasst, ist eine Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung nationalsozialistischer (Wieder-)Betätigung mit Blick auf die geänderten gesellschaftlichen und technischen Gegebenheiten. So machen sich Österreicher:innen künftig etwa auch dann strafbar, wenn sie sich im Ausland einer nationalsozialistischen Vereinigung anschließen oder vom Ausland aus NS-Propaganda über das Internet verbreiten.
Zudem wird bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung künftig zwischen "Grunddelikten" und qualifizierteren Straftaten unterschieden, wobei der Strafrahmen für erstere auf sechs Monate bis fünf Jahre – statt ein bis zehn Jahre – herabgesetzt wird. Damit wird eine diversionelle Erledigung einschlägiger Strafverfahren im niederschwelligen Bereich ermöglicht. Man wolle Täter:innen einen gangbaren Weg zur Abkehr von ihren Verhaltensweisen und ihren Einstellungen eröffnen, beispielsweise durch Kursmaßnahmen oder den Besuch einer Gedenkstätte, heißt es dazu in den Erläuterungen.
Die Kosten für derartige pädagogische Diversions-Programme, die für den Holocaust und andere nationalsozialistische Verbrechen sensibilisieren sollen, wird der Bund übernehmen, wie in einem von ÖVP, SPÖ und Grünen im Zuge der Beratungen eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag festgelegt wurde. Dem bzw. der Beschuldigten ist jedoch ein Pauschalkostenbetrag von bis zu 500 € aufzuerlegen, wobei die soziale Lage der Betroffenen Berücksichtigung finden soll. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann von einem Beitrag abgesehen werden, wenn dessen Begleichung ihr Fortkommen erschwert.
Amtsverlust für Beamt:innen, Einziehung von NS-Devotionalien
Für Beamt:innen und Vertragsbedienstete wird eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz künftig automatisch den Verlust ihres Amtes bzw. ihrer Anstellung bedeuten. Außerdem werden NS-Devotionalien in Hinkunft auch ohne Zusammenhang mit einer konkreten Straftat eingezogen werden können.
Höhere Strafen für Tragen bzw. Verbreiten verbotener Symbole
Die Strafdrohung für das Tragen bzw. Verbreiten von in Österreich verbotenen Abzeichen und Symbole wird mit der vorliegenden Gesetzesnovelle von 4.000 € auf 10.000 € hinaufgesetzt. Im Wiederholungsfall ist mit einer Geldstrafe von bis zu 20.000 € bzw. einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen zu rechnen. Das gilt nicht nur für nationalsozialistische Symbole wie das Hakenkreuz sondern auch für Symbole von Gruppierungen, die unter das Symbole-Gesetz fallen. Dazu gehören etwa der Islamische Staat (IS), die Muslimbrüderschaft, die Grauen Wölfe, die PKK, die Hamas, die Hisbollah, die Ustascha, die Identitären (IBÖ) und die Gruppierung "Die Österreicher" (DO5).
Breite Zustimmung zum Gesetz
In der Debatte wies Sabine Schatz (SPÖ) darauf hin, dass ihre Fraktion die Ausweitung der Diversion auf Erwachsene ursprünglich kritisch gesehen habe. Man dürfe nationalsozialistische Wiederbetätigung nicht bagatellisieren, warnte sie. Mit den nunmehr vorgesehenen gezielten Diversions-Programmen sei diesen Bedenken aber Rechnung getragen worden. Die SPÖ könne dem Gesetz nun mit gutem Gewissen zustimmen, hielt auch Schatzs Fraktionskollegin Selma Yildirim (SPÖ) fest. Ihrer Meinung nach könnte die Herabsetzung der Mindeststrafe und die Möglichkeit einer Diversion künftig auch insofern zu Verbesserungen führen, als in der Vergangenheit Geschworene aufgrund der Konsequenzen für die Betroffenen oftmals gezögert hätten, eine Freiheitsstrafe auszusprechen.
Yildirim lobte darüber hinaus den breiten partizipativen Prozess bei der Erarbeitung der Reform. Schatz wertete es außerdem als positiv, dass es für die Verbreitung von NS-Symbolen künftig gleich hohe Strafen wie für die Verbreitung anderer verbotener Symbole geben wird.
Auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak begrüßte die neue Diversionsmöglichkeit ausdrücklich. Gezielte Programme für Beschuldigte würden in vielen Fällen weit mehr bringen als Haftstrafen, zumal in Gefängnissen die Gefahr einer weiteren Radikalisierung bestehe. Auch der zwingende Amts- und Funktionsverlust für Staatsdiener:innen wurde von Scherak und Schatz befürwortet.
FPÖ: Reform geht am eigentlichen Problem vorbei
FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan äußerte hingegen die Befürchtung, dass die vorliegende Gesetzesnovelle am eigentlichen Problem – "importiertem Judenhass" – vorbeigeht. Der derzeit zu beobachtende Antisemitismus habe weniger mit nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu tun, sondern komme von ganz anderer Seite, nämlich von Zuwanderern, sagte er.
Zudem hält Stefan die Gesetzesnovelle in zwei Punkten für überschießend und rechtsstaatlich bedenklich. Er wolle auch keinen Beamten, "der dem Nationalsozialismus nachhängt", sagte Stefan, für ihn ist es aber nicht einsichtig, dass eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz künftig automatisch zum Amtsverlust bzw. zu einer Entlassung führt, während andere Verurteilungen – etwa wegen sexueller Gewalt, Gutheißung terroristischer Straftaten oder Verrat von Staatsgeheimnissen – erst bei einer bestimmten Strafhöhe entsprechende Konsequenzen haben. Werner Herbert (FPÖ) betonte in diesem Zusammenhang, dass Fehlverhalten von Staatsdiener:innen bereits jetzt disziplinär geahndet werde.
In Zusammenhang mit der erleichterten Einziehung von NS-Devotionalien kritisierte Stefan die künftige "Beweislastumkehr". Betroffene müssten beweisen, dass keine Straftat mit dem betreffenden Gegenstand geplant sei.
Seitens der Grünen hielt Agnes Sirkka Prammer Stefan entgegen, dass man im österreichischen Staatsdienst keine "Nazis" dulden dürfe. Daher sei der automatische Amtsverlust richtig. Auch bei anderen Delikten könne im Übrigen nach einem Disziplinarverfahren ein Amtsverlust ausgesprochen werden. Niemand brauche außerdem NS-Devotionalien, wenn er sich nicht – wie etwa Museen – historisch damit auseinandersetze.
Johanna Jachs (ÖVP) betonte, es sei wichtig, jedes Relativieren nationalsozialistischer Verbrechen zu ahnden. Zudem zeigte sie sich über die Erhöhung der Strafen im Symbolegesetz erfreut. Eine besondere persönliche Bedeutung hat die Gesetzesnovelle für Eva Blimlinger (Grüne): Sie wies darauf hin, dass das Verbotsgesetz seinerzeit von ihrem Großvater unterschrieben worden sei.
Zadić spricht von "historischer Novelle"
Von einer historischen Novelle sprach Justizministerin Alma Zadić. Die letzte inhaltlich bedeutende Reform des Verbotsgesetzes sei vor mehr als 30 Jahren erfolgt, skizzierte sie. Im Begutachtungsverfahren habe es große Zustimmung zum Entwurf gegeben, trotzdem habe man ihn noch einmal überarbeitet, um vorhandene Bedenken auszuräumen.
Die Diversion hält Zadić für ein geeignetes Mittel, um weitere Straftaten zu verhindern und die Rückfallsquote zu reduzieren. Mit dem Abänderungsantrag habe man nun auch eine gesetzliche Grundlage für die Kostentragung von Auflagen geschaffen. Neu ist laut Zadić auch, dass eine Leugnung des Holocaust künftig bereits dann strafbar ist, wenn die Aussagen vor einer Gruppe von rund zehn Personen erfolgen, der bisherige Maßstab seien rund 30 Personen gewesen. (Fortsetzung Justizausschuss) gs
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