Polaschek sieht Verankerung des Ethikunterrichts im Regelschulwesen als richtigen Weg und kann sich Ausweitung vorstellen
Wien (PK) – Auch die Beratungen über das dritte
Volksbegehren zum Thema „Ethik für alle“ mündeten nach der Durchführung eines Hearings im Unterrichtsausschuss in einen Entschließungsantrag, der heute im Nationalratsplenum gemeinsam mit dem Ausschussbericht von ÖVP, Grünen und FPÖ mehrheitlich angenommen wurde. Die Bundesregierung wird darin ersucht, im Zuge der stufenweisen Ausrollung des Ethikunterrichts eine zielgerichtete Qualitätskontrolle zu verankern, am Ende der Ausrollung des Fachs in der Sekundarstufe II eine Evaluierung durchzuführen sowie ein vollwertiges Lehramtsstudium „Ethik“ zu etablieren.
Bei dem von knapp 160.000 Menschen unterzeichneten Volksbegehren wird die Einführung eines vom Religionsunterricht entkoppelten Ethikunterrichts an allen Schulen mit Öffentlichkeitsrecht gefordert, wobei es sich dabei um ein Pflichtfach für alle SchülerInnen von der ersten Schulstufe an handeln soll. SPÖ und NEOS bedauerten, dass diese zentrale Forderung nicht umgesetzt werde und der Ethikunterricht nur für jene SchülerInnen verpflichtend sei, die sich gegen den Religionsunterricht entschieden haben.
Durch den im heurigen Wintersemester in den ersten Klassen der Sekundarstufe II gestarteten Ethikunterricht werde ein erfolgreicher Weg beschritten, war hingegen Bundesminister Martin Polaschek überzeugt. Nach über 20 Jahren Schulversuch sei es nun gelungen, den Ethikunterricht ins Regelschulwesen überzuführen. An über 900 Standorten erhalten nun all jene SchülerInnen, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, einen Ethikunterricht, der sich mit den wesentlichen Fragen des Zusammenlebens beschäftige. Eine Befassung mit diesen Themen sei aber auch im Religionsunterricht sichergestellt, hob der Ressortchef hervor. Polaschek konnte sich zudem eine Ausweitung auf die Primarstufe und die Sekundarstufe I vorstellen.
Kontroverse Zugänge zur Verankerung des Ethikunterrichts im Schulwesen
Nurten Yilmaz (SPÖ) zeigte am Beispiel der Auswirkungen der Corona-Krise auf, welch wichtige Fragen in einem Ethikunterricht behandelt werden könnten. Dabei handle es sich um Themen, die nicht nur jene Kinder und Jugendlichen interessieren, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, sondern alle SchülerInnen. Mit der aktuellen Regelung, die nur für die AbmelderInnen gelte, werde das Fach unterminiert, urteilte die Rednerin. Außerdem sei es im Sinne einer pluralen und vielfältigen Gesellschaft schlecht, wenn Kinder im Bildungssystem getrennt werden. Die Schulung des Gewissens beginne schon im Kindergartenalter, konstatierte Petra Vorderwinkler (SPÖ), die die Prinzipien Freiheit, Moral, Werte, Kommunikation, Dialog, Würde und Verantwortung als Eckpfeiler eines Ethikunterrichts anführte. Wertevermittlung sei der Schlüssel für die Lösung von vielen Problemen, mit denen Kinder gerade in schwierigen Zeiten konfrontiert seien. Vor dem Hintergrund der alarmierenden Zahl von Jugendlichen, die etwa psychische Probleme haben, würde das Unterrichtsfach Ethik Zeit und Raum zur Verfügung stellen, um über wichtige Fragen zu diskutieren und um den SchülerInnen entsprechende Instrumentarien in die Hand zu geben.
ÖVP-Mandatar Rudolf Taschner gab gegenüber den sozialdemokratischen RednerInnen zu bedenken, dass Kinder in der Schule auch in anderen Fächern getrennt werden. Österreich sei aus guten Gründen kein laizistischer Staat, sondern einer, der Religionsgemeinschaften anerkenne. Es soll deshalb die Möglichkeit geben, dass in den Schulen ein Religionsunterricht, in dem auch allgemein ethische Fragen behandelt werden, angeboten werde, erläuterte der Redner die Position der Volkspartei. Die ÖVP bekenne sich zu einer verpflichtenden Werteerziehung, so Gertraud Salzmann, die sich zugleich für die Wahlfreiheit aussprach. Auch Nico Marchetti (ÖVP) lehnte die Vermittlung von Religion ohne staatlich abgesicherte Qualitätskontrolle, wie dies in Frankreich der Fall sei, ab. Er freue sich, dass nach 20 Jahren Schulversuch der Ethikunterricht in ganz Österreich ausgerollt werden könne.
Das Hauptanliegen des Volksbegehrens, nämlich Ethik für alle, decke sich mit einer langjährigen Forderung der Grünen, erklärte Sibylle Hamann (Grüne). Kinder und Jugendliche brauchen ihrer Meinung nach einen Austausch über die „großen Fragen des Lebens“, das Hinterfragen von Regeln, Pflichten, Rechten, Freiheiten und Tabus. Ihre Partei werde sich daher weiter intensiv dafür einsetzen, dass der Ethikunterricht umfassend verankert werde. Um die Qualität sicherzustellen, wurde auch schon ein entsprechendes Ethikstudium etabliert. Wichtig war ihr zu betonen, dass es bereits jetzt die Möglichkeit gebe, Kooperationen bzw. Projekte durchzuführen, die sowohl den Ethikunterricht als auch den Religionsunterricht betreffen.
Die Zugänge der Freiheitlichen zum Ethikunterricht haben sich auch nach der Abhaltung des Expertenhearings im Unterrichtsausschuss nicht geändert, unterstrich Hermann Brückl (FPÖ). Vor allem lege man Wert darauf, dass keine politische Indoktrinierung stattfinde und dass der Ethikunterricht auch nicht in Konkurrenz zum Religionsunterricht stehe. Wichtig sei ihm zudem, die Bereitschaft der Jugendlichen zu fördern, sich in die Gesellschaft zu integrieren und Verantwortung zu übernehmen. Ethik für alle und somit die Abschaffung des Religionsunterrichts sei für die FPÖ keine Option, strich auch Hannes Amesbauer (FPÖ) hervor.
NEOS-Vertreterin Martina Künsberg Sarre machte darauf aufmerksam, dass ÖVP und Grüne auch in dieser Frage sehr unterschiedliche Positionen einnehmen. Dies sei in vielen bildungspolitischen Fragen der Fall, weshalb auch wenig weitergehe, da immer nur der kleinste gemeinsame Nenner herauskomme. Es sei aus ihrer Sicht sehr schade, dass die Hauptforderung des Volksbegehrens, nämlich die Einführung eines Ethikunterrichts für alle, wieder nicht realisiert werde. Angesichts der vielen gesellschaftlichen Probleme und Herausforderungen brauche es einen Ethikunterricht dringender denn je. (Fortsetzung Nationalrat) sue
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