Terroranschlag vom 2. November: Die Stimmen der Opfer | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Terroranschlag vom 2. November: Die Stimmen der Opfer

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Wien (OTS) – „Die meisten Opfer des Anschlags begehen diesen Jahrestag verständlicherweise im privaten Kreis“, so Karl Newole, der als Rechtsanwalt 24 Opfer ein Jahr lang auf ihrem Weg begleitet und unterstützt hat. „Ich habe sie gefragt, wie ihre Gefühle sind, hier einige Antworten.“

– „Wir haben nicht nur einen Vater, einen Ehemann verloren, sondern auch die Möglichkeit, weitere schöne Erinnerungen mit ihm zu sammeln. Es ist bis heute schwer zu verkraften, dass er nicht mehr da ist. Wir sind seither nicht mehr dieselben Menschen. Der österreichische Staat hat uns im Stich gelassen und uns für uns selbst kämpfen lassen“.

– „Die Todesangst von damals hat mich verändert und es ist nicht leicht, weiterhin an das Gute im Menschen zu glauben. Die Anteilnahme aus der Gesellschaft und einige der Symbole waren tröstend für mich, zum Beispiel die Blumen in der Hauswand in der sich die Einschusslöcher der Kugeln befanden.“

– „Manchmal steige ich aus dem Bus aus, weil ich Angst habe, dass jemand der eingestiegen ist, ein Terrorist sein könnte.“

– „Ich kann nur hoffen, dass sich die Fehler, die im Vorfeld begangen wurden, kein zweites Mal wiederholen und die richtigen Konsequenzen aus den behördlichen Versäumnissen gezogen werden.“

– „Ich hatte Todesangst. Bis heute Albträume wegen dem jungen Mann, der neben mir erschossen wurde. Jedes schussähnliche Geräusch erinnert mich an dieses Ereignis. Der Staat hat aus meiner Sicht seine Aufgaben vernachlässigt und hätte sich mehr um die Opfer dieses Anschlags sorgen sollen“.

– „Dankbar, dass wir den Opferfonds erkämpft haben. Dankbar, dass ich lebe, dass meine Freunde überlebt haben. Ich empfinde keinen Hass, letztlich hat mich der Abend nur noch stärker gemacht.“

– „Wir sind weggezogen aus Wien und ich werde nie mehr in den ersten Bezirk gehen.“

– „Meinen Geburtstag kann ich im November nicht mehr feiern. Zu groß ist der Schmerz. Ich verlege ihn auf Oktober oder Dezember.“

– „Ich meide den Ort des Attentats und kann auch zu keinen Gedenkfeiern gehen. Die Bilder und Gefühle sind noch zu gegenwärtig. Ich gedenke auch nicht, denn ich denke jeden Tag daran. Das Attentat hat mich verändert. Ich bin dankbar, noch hier zu sein und trauere um jene, die es nicht mehr sind.“

– „Als Schweizer Studentin in Wien hörte ich von Terroranschlägen bisher nur in den Medien. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich in einen hineingerate. Von der Regierung habe ich mich alleine gelassen gefühlt. Es gab kaum Anteilnahme, keine Informationen. Migranten sollte man herzlich aufnehmen, damit sie sich hier wohlfühlen. Ein Mensch muss sehr verzweifelt sein, um eine solche Tat zu begehen“

– „Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, war eine Situation im Spital, drei Stunden nach dem Attentat. Ich wollte, dass mein Vater mir in diesen Momenten beisteht, aber er durfte wegen den Corona-Maßnahmen nicht kommen. Ich war ganz alleine und es kam eine ungeheuerliche Hilflosigkeit in mir hoch“.

– „Nach Monaten und viel Ausdauer haben wir es geschafft, der Regierung einen Opferfonds abzuringen. Das ist schön, aber spät. Es wirkt unfreiwillig, daher bleibt ein schaler Geschmack. Respekt und Anteilnahme schauen anders aus. Aber böse bin ich niemandem“.

„Meine drei persönlichen Schlussfolgerungen“, so Newole: „Erstens:
Die Regierung muss in solchen Fällen auch Empathie zeigen. Die Attentatsopfer wurden ja nicht als Individuen erschossen oder verletzt, sondern stellvertretend für unseren Staat, unsere Gesellschaft, unsere Werte. Deshalb sind auch die obersten Staatsrepräsentanten aufgefordert, ihnen sichtbar zur Seite zu stehen. Die wahren Leidtragenden nur in den Papierkrieg zu schicken, war beschämend.

Zweitens: Der landestypische Föderalismus taugt nur für Schönwetterperioden. Wenn es um Leib und Leben geht, Terrorismusabwehr, auch die Pandemiebekämpfung oder in Zukunft vielleicht Klimakatastrophen, ist dieses Modell nicht praktikabel. Da müssen effiziente Strukturen geschaffen werden. Gewaltenteilung ist zwar wichtig, aber in diesen Themenfeldern ist reibungslose Gewaltenzusammenführung noch wichtiger.

Drittens: Ein Nebenaspekt ist, dass österreichische Rechtsschutzversicherungen Freizeichnungsklauseln für Schäden durch Terrorismus haben. Das ist nicht mehr zeitgemäß, auch in Deutschland gibt es das nicht. Wenn nicht ein paar Anwälte in ihrer Freizeit den Opfern des 2. November geholfen und auf die Behörden kontinuierlich Druck ausgeübt hätten, gäbe es heute nicht einmal einen Opferfonds“, schloß Newole.

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