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Kunstrückgabebeirat beschloss drei Empfehlungen

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Wien (OTS) – Der Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner heutigen 96. Sitzung (25. September 2020) Empfehlungen zu Rückgaben aus dem Naturhistorischen Museum Wien, aus dem Theatermuseum (KHM-Museumsverband) sowie aus dem Volkskundemuseum Wien.

Das Naturhistorische Museum Wien betrifft eine Sammlung Conchilien (Weichtierschalen) und ein Herbar (eine Sammlung konservierter Pflanzenbelege), die im 19. Jahrhundert in den naturkundlichen Sammlungen des niederösterreichischen Benediktinerstiftes Göttweig angelegt worden waren. Das Stift war eines der ersten, die beim sogenannten nationalsozialistischen „Klostersturm“ enteignet wurden. Nachdem die Mönche in der Wiener Gestapoleitstelle verhört worden waren, wurden sie in Unternalb, einer Pfarre von Göttweig, unter Hausarrest gestellt, während der Großteil des Mobiliars aus dem Stiftsgebäude abtransportiert und auf verschiedene Institutionen verteilt wurde. Die gegenständlichen naturkundlichen Objekte gelangten über die Stadt Krems, das Kremser Museum beziehungsweise das Museum des Reichsgaues Niederdonau in Wien in den Jahren 1940 und 1941 an das Naturhistorische Museum, wobei der Verbleib des Herbars bis heute nicht bestimmbar ist. Bei seinen Rückstellungsbemühungen nach 1945 erhielt das Stift weder das Herbar noch die Conchilien-Sammlung zurück. Dies lag vermutlich daran, dass deren Aufenthaltsort zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war. Demnach kam der Beirat zum Ergebnis, dass sie dem Stift nun gemäß Kunstrückgabegesetz zu übereignen sind.

Im Fall von sechs Glasobjekten aus der Sammlung von Albert Pollak im Volkskundemuseum Wien empfahl der Kunstrückgabebeirat ebenfalls eine Rückgabe. Albert Pollak, der der Allgemeinen Wollhandels-A.G. in Wien als Direktor vorstand, besaß eine umfangreiche und wertvolle Kunstsammlung. Nach dem „Anschluss“ 1938 als jüdisch verfolgt, kam er in Gestapo-Haft, und sein Vermögen wurde beschlagnahmt. Nachdem ihm im Dezember 1938 die Flucht in seine Geburtsstadt Bielitz gelungen war, versuchte er vergeblich, bei der Zentralstelle für Denkmalschutz eine Aufhebung der Beschlagnahme seiner Kunstsammlung zu erwirken. Die Zentralstelle für Denkmalschutz erstellte einen Vorschlag zur Verteilung der Sammlung auf verschiedene Museen in Wien und den Reichsgauen. An diesem wirkte Hans Posse, der Sonderbeauftragte für das in Linz geplante „Führermuseum“, maßgeblich mit. Dem Volkskundemuseum fielen dabei vierzehn Objekte zu. Diese wurden nach Kriegsende an die Erbinnen und Erben nach Albert Pollak, der 1943 im niederländischen Exil verstorben war, restituiert. Um diese Objekte nach erfolgter Rückstellung auch außer Landes bringen zu können – Pollaks ErbInnen lebten nach ihrer Vertreibung in der NS-Zeit im Ausland –, erwirkte das Bundesdenkmalamt eine Widmung von sechs Glasobjekten an das Volkskundemuseum, um der Familie im Gegenzug eine Ausfuhrgenehmigung für die übrigen restituierten Objekte zu erteilen. Wie zuvor bei Objekten aus der Sammlung Pollak in der Albertina und im Kunsthistorischen Museum empfahl der Beirat nun auch hier eine Rückgabe. Ein enger kausaler Zusammenhang der unentgeltlichen Widmung der Glasobjekte an das Museum mit der Genehmigung der Ausfuhr der übrigen Kunstsammlung ist eindeutig gegeben.

Die dritte Rückgabeempfehlung schließlich betrifft Objekte aus dem zum KHM-Museumsverband gehörigen Theatermuseum. Zusätzlich zu bereits zur Restitution beschlossenen über 1.500 Kostümentwürfen und Dekorationsskizzen wurden nun weitere 51 Blätter der Firma „Werkstätte für dekorative Kunst“ im dortigen Inventar gefunden. Diese hatte deren Inhaber Wilhelm Berman kurz vor der „Arisierung“ der Firma der damaligen Theatersammlung der Nationalbibliothek zum Kauf angeboten. Ob Bermann die Kaufsumme jemals ausbezahlt wurde, ist nicht belegt. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter wurde er im September 1941 aus der Wohnung in Wien-Mariahilf, wo sie 35 Jahre lang gelebt hatten, in eine Sammelwohnung überstellt und von dort nach Litzmannstadt/Łódź deportiert und ermordet. Weitere rund 16.000 Figurinen und Kostüm(teile) der Werkstätte für dekorative Kunst wurden hingegen nicht zur Rückgabe empfohlen. Sie wurden 1959 bzw. 1961 an das Museum verkauft.

Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter [www.provenienzforschung.gv.at]
(http://www.provenienzforschung.gv.at/) wiedergegeben.

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