Aktuelle Stunde im Bundesrat: Kocher für europaweite Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre
„Für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Europäische Union – Standortimpulse für Europa“ lautete das Thema der Aktuellen Stunde in der heutigen Bundesratssitzung. Aus einem aktuellen „Standort-Impuls-Papier“, das in seinem Bereich ausgearbeitet worden sei, griff Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher dazu einige Punkte heraus. So gelte es darauf zu schauen, dass Europa im Wettbewerb mit anderen Teilen der Welt nicht verliere. Außerdem müsse man bei Genehmigungen schneller werden und dürfe Unternehmen nicht unnötig mit Bürokratie belasten. Zu setzen sei zudem auf die Innovationskraft von Unternehmen, auf Forschung und Entwicklung sowie auf die Ausbildung von Arbeits- und Fachkräften. Mit Österreich als Vorbild brauche es außerdem eine europaweite Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre, so der Minister.
Die Bundesrät:innen befürworteten darüber hinaus die neuen Regelungen zu Telearbeit mehrheitlich. Mehrheitlich angenommen wurden auch eine Änderung des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes sowie Klarstellungen im Zusammenhang mit Gastverträgen an Theatern.
Einstimmig fiel die Abstimmung über die Ratifikation des Übereinkommens der International Labour Organization (ILO) zur Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz aus.
Kocher: Standortpolitik braucht hohen Stellenwert in Europa
Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sei die Voraussetzung für Arbeitsplätze, für den hohen Wohlstand in Österreich und für die weitere Finanzierung der sozialen Systeme, unterstrich Minister Kocher in der Debatte. Die Bundesregierung habe hier zahlreiche Maßnahmen wie etwa die Steuerreform, die Abschaffung der kalten Progression oder die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte beschlossen. Entscheidend sei aber auch die Innovationskraft, für die unter anderem in Form des Klima- und Transformationsfonds Schritte gesetzt worden seien. In der künftigen EU-Kommission brauche die Standortpolitik aus Sicht von Kocher einen hohen Stellenwert. Der Standort Österreich sei in den Rankings sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitskräfte attraktiv, wodurch Österreich grundsätzlich für die Zukunft gut gerüstet sei. Er wies außerdem auf Österreichs hohe Exportquote von 60 % hin, die das Land sehr erfolgreich gemacht habe.
Debatte um Standortpolitik, Transformation und Arbeitslosenzahlen
Laut Prognosen werde Europa von derzeit 20 % bis 2050 auf 15 % der Weltwirtschaftsleistung zurückfallen, sagte Harald Himmer (ÖVP/W). Umso mehr sei die Standortpolitik eine wichtige Herausforderung. Seit den 1990er-Jahren sei es in Europa zu Verschiebungen gekommen, etwa durch wesentlich günstigere Angebote aus China. Aus seiner Sicht müsse sich Europa überlegen, wie die Innovation gestärkt und Topunternehmen die Chance für Wachstum gegeben werden, damit Arbeitsplätze in Europa bleiben. Christian Buchmann (ÖVP/St) stimmte unter anderem mit Minister Kocher überein, dass der Abbau von Wachstumshinderungen wichtig sei. Ähnlich wie Himmer meinte er, die bisherige Aufteilung auf Amerika als Innovator, Asien als Produktionsort und Europa für Regulative müsse sich ändern.
Maria Huber (Grüne/St) sprach sich dafür aus, die „Zeitenwende“ durch die Klimakrise als Chance für den europäischen Industrie- und Wirtschaftsstandort zu begreifen. Klimaschutz sei ein Wirtschaftsmotor, so Huber. Allein durch den aktuellen Ausbau der erneuerbaren Energie in Österreich würden Arbeitsplätze gesichert und neue entstehen. Es gelte, Weltmarktführer in grüner Technologie zu werden, zudem brauche es eine umfassende Kreislaufwirtschaft, die auch die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Das „Wirtschaftswunder Europa“ könne mit gezielten Reformen geschaffen werden, meinte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W). Ein erster Schritt wäre aus ihrer Sicht die Einführung einer Zukunftsquote für alle Ausgaben. Dem müsse eine Deregulierungsoffensive für den Binnenmarkt samt Bürokratieabbau folgen. Zur Stärkung des europäischen Industriestandorts müsse unter anderem auf Forschung und Entwicklung gesetzt werden.
Für einen Transformationsfonds für die laufenden „gewaltigen Transformationen“ sprach sich Korinna Schumann (SPÖ/W) aus. Damit sollte die Industrie nachhaltig und zukunftssicher aufstellt, die Transformation begleitet sowie Arbeitnehmer:innen „mitgenommen“ werden. Verbunden werden sollte damit etwa eine Arbeitsplatzgarantie und die Einbindung der Sozialpartnerschaft, so Schumann. Die Bundesregierung kritisierte sie etwa im Hinblick auf steigende Arbeitslosenzahlen und dafür, dass sie einen „Sparrucksack in unglaublichem Ausmaß“ hinterlasse. Außerdem würden verschiedene Forderungen der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer vorliegen, die eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer:innen befürchten ließen, wie etwa nach einer 41-Stunden-Woche. Auch Sascha Obrecht (SPÖ/W) ortete „einen Angriff auf die Arbeitnehmer:innen nach dem anderen“ sowie eine „Wohlstandsvernichtung“.
Andrea Michaela Schartel (FPÖ/St) bemängelte ebenfalls hohe Arbeitslosenzahlen, aber auch eine „dramatische“ Standortsituation. Zudem gebe es ein Missverhältnis zwischen den Arbeitslosenzahlen und den Unternehmen, die händeringend Personal suchen würden. Die Wirtschaft sei verunsichert, Großunternehmen würden ins Ausland abwandern und KMU hätten Angst, demnächst zusperren zu müssen. Das Gebot der Stunde sei, ernsthaft und gemeinsam Maßnahmen zu überlegen, um diesem Trend gegenzusteuern. Auch Marlies Doppler (FPÖ/S) warnte davor, dass die Wirtschaft stagniere und die Arbeitslosenzahlen steigen. Es gelte, die Sorgen und Ängste ernst zu nehmen.
Homeoffice wird Telearbeit
Mehrheitlich angenommen wurde vom Bundesrat ein Gesetz zur Schaffung der arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen für Telearbeit. Laut Definition im Gesetz liegt Telearbeit dann vor, wenn Arbeitnehmer:innen regelmäßig Arbeitsleistungen unter Einsatz von Kommunikationstechnologie entweder in ihrer Wohnung oder an einem anderen, selbst gewählten Ort außerhalb des Unternehmens erbringen. Möglich wird damit also auch das Arbeiten in der Wohnung von Angehörigen, in Coworking-Spaces oder an anderen Orten wie Cafés. Telearbeit sowie die jeweiligen Orte müssen in einer Telearbeitsvereinbarung schriftlich vereinbart werden. Es braucht das Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in. Beim Unfallversicherungsschutz werden unterschiedliche Regelungen je nach Örtlichkeit gelten.
Novelle zum Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz
Mehrheitlich passierte den Bundesrat auch die Regierungsvorlage zur Novellierung des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes. Sie hat zum Ziel, einen Gleichklang zwischen Stammbelegschaft und überlassenen Arbeitskräften zu gewährleisten. Bestimmungen des Gesetzes sollen künftig dann auf überlassene Arbeitskräfte Anwendung finden, wenn auch der Betrieb, dem sie überlassen wurden, in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt. Bisher wurde auf die Anwendbarkeit der Urlaubsregelung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) für die betreffenden Beschäftigten abgestellt. Im Nationalrat waren zuvor mit einem SPÖ-Abänderungsantrag auch Spenglerbetriebe mit Ausnahme der Lüftungs- und Galanteriespenglerbetriebe in den Geltungsbereich des BUAG aufgenommen worden. Ein in der heutigen Bundesratssitzung eingebrachter Entschließungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit. Die Sozialdemokrat:innen forderten, Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf abzusichern.
Klarstellungen und Neuregelungen für Gastverträge an Theatern
Mit einer mehrheitlich angenommenen Änderung des Theaterarbeitsgesetzes werden Klarstellungen im Zusammenhang mit Gastverträgen an Theatern getroffen. Damit ein Gastvertrag vorliegt, muss die betroffene Person als Grundvoraussetzung bei konkreten Aufführungen mitwirken, wird unter anderem klargestellt. Unterschieden wird zwischen einem Gast vom Typ I und einem Gast vom Typ II. Unter anderem wird auch die Berechnung des anwendbaren Durchschnittsbezugs mit der Novelle geregelt.
Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz
Einstimmig befürwortet hat der Bundesrat ein internationales Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sowie eine zugehörige Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation. Das Übereinkommen der International Labour Organization (ILO) verlangt ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung, eine Strategie zur Verhinderung, Sanktionen sowie Mechanismen zur Durchsetzung und Überwachung. (Fortsetzung Bundesrat) mbu
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