Sonderwochengeld: Bundesrat besiegelt Gleichstellung beim Mutterschutz
Die Einführung von Sonderwochengeld nahm heute im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde. Frauen, die sich für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entschieden haben und nach dessen Auslaufen noch einige Monate in Elternkarenz bleiben, sollen damit für den Fall, dass sie in diesem Zeitraum ein weiteres Kind bekommen, sozialrechtlich abgesichert werden.
Grünes Licht gaben die Bundesrät:innen auch für das Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz. Mit diesem weiteren Schritt des Gewaltschutzes und der Gewaltprävention wird dem Bund ermöglicht, Förderverträge mit Gewaltambulanzen abzuschließen. Keinen Einspruch legte die Länderkammer auch gegen die Hebammenbetreuung bei Fehlgeburten und die Anerkennung von „Berufsverbrechern“ als NS-Opfer ein.
Sonderwochengeld für alle seit 1. September 2022 Betroffenen
Mit Stimmeneinhelligkeit befürworteten die Bundesrät:innen die Einführung von Sonderwochengeld. Frauen, die sich für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entschieden haben und nach dessen Auslaufen noch einige Monate in Elternkarenz bleiben, sollen damit für den Fall, dass sie in diesem Zeitraum ein weiteres Kind bekommen, sozialrechtlich abgesichert werden. Wie das Wochengeld wird das Sonderwochengeld je acht Wochen vor und nach der Geburt des Kindes gebühren. Auch die weiteren Bestimmungen – etwa was einen verlängerten Bezug oder Regelungen für selbstversicherte Personen betrifft – sind dem Wochengeld nachgebildet. Die neue Regelung wird rückwirkend mit September 2022 in Kraft treten, entsprechende Anträge sind bis 30. Juni 2025 einzubringen.
Mit dem Sonderwochengeld würden Familien gestärkt, betonte Heike Eder (ÖVP/V) und verwies auf die finanzielle Herausforderung für Familien bei weiteren Kindern.
Frauen können durch die „Reparatur“ ihre Autonomie behalten, weil sie in dieser Situation ein Einkommen haben, begrüßte auch Sandra Gerdenitsch (SPÖ/B) die Regelung. Handlungsbedarf ortete die Bundesrätin aber bei den Regelungen zum Kinderbetreuungsgeld, Wochengeld und Karenz und forderte hier Vereinfachungen für die Betroffenen.
Andrea Michaela Schartel (FPÖ/St) befürwortete die Regelung, kritisierte aber, dass Betroffene sich als „Bittsteller“ darum kümmern müssen. Für vergangene dokumentierte Fälle müsse eine automatisierte Lösung möglich sein, forderte sie.
Frauen dürfen nicht bestraft werden, wenn sie knapp hintereinander Kinder bekommen, zeigte sich auch Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ) über die Abschaffung der „Wochengeldfalle“ erfreut. Insgesamt sei man aber noch nicht am Ziel, meinte sie. Zuerst müsse jede Familie einen Kinderbetreuungsplatz in der Nähe haben, Kindererziehung fair verteilt sein, Frauen nicht wegen Kinderbetreuung in der Altersarmut landen und sie insgesamt keine Nachteile mehr erfahren, wenn sie Mamas sind.
Hebammenbetreuung auch bei Fehlgeburten nach der 18. Schwangerschaftswoche
Im Zuge einer Geburt erhalten Frauen Unterstützung durch eine Hebamme. Der Hebammenbeistand ist eine Leistung aus dem „Versicherungsfall“ einer Mutterschaft. Dieser tritt derzeit in der Regel acht Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin oder mit der Entbindung ein – das gilt auch, wenn ein Kind tot geboren wird. Wird ein Kind mit mehr als 500 Gramm tot geboren oder verstirbt es während der Geburt, spricht man von einer Totgeburt, bei weniger als 500 Gramm von einer Fehlgeburt. Somit haben Frauen, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft befinden und eine Fehlgeburt erleiden, keinen Anspruch auf die Hilfe einer Hebamme. Das soll sich nun ändern. Auf Initiative der Koalition erhalten künftig auch Frauen, die nach der 18. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, Anspruch auf Hebammenhilfe. Die entsprechenden Änderungen sollen mit 1. September 2024 in Kraft treten. Der Antrag wurde einhellig befürwortet.
Förderung von Gewaltambulanzen
Mit einem neuen Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz sollen dem Bund Förderverträge mit Gewaltambulanzen ermöglicht werden. Die Leistungen der Gewaltambulanzen müssen für alle betroffenen Personen kostenlos sein. Außerdem sollen die Leistungen nicht von einer Anzeige oder einem behördlichen Verfahren abhängig gemacht werden. Personen, die von körperlicher Gewalt oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung betroffen sind oder sein können, sollen dort gerichtsmedizinisch untersucht werden. Dabei sollen Verletzungen und Spuren als Beweismittel für etwaige Verfahren dokumentiert werden. Betroffene sollen auch über weitergehende Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten informiert werden. Die Gewaltambulanzen sollen damit auch als Drehscheibe und Unterstützungsstelle fungieren. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.
Gewaltambulanzen seien ein Projekt, das seit Jahrzehnten gefordert wurde, erklärte Justizministerin Alma Zadić. Die Verurteilungsquote sei viel zu niedrig und, um diese zu heben, brauche es mehr gerichtsfest dokumentierte Beweise. Durch Einsparungen in der Vergangenheit gebe es viel zu wenige Gerichtsmediziner:innen. Dies ändere sich jetzt und der Bereich werde gefördert. Dies sei ein Schritt nach vorne, um weniger Femizide künftig zu haben, betonte die Justizministerin.
Fraktionen befürworten Gewaltambulanzen grundsätzlich, sehen aber weiteren Handlungsbedarf unterschiedlich
Man müsse mit Vehemenz gegen Gewalt auftreten, erklärte Barbara Prügl (ÖVP/OÖ). Betroffenen Frauen und Mädchen würde durch Gewalt die Möglichkeit zu einem freien und selbstbestimmten Leben genommen. Es gelte, ihnen ein Leben frei von Gewalt und Angst sicherzustellen, und dafür habe die Bundesregierung vieles auf den Weg gebracht, wie dieses weitere wichtige Angebot.
Mit flächendeckenden und niederschwelligen Gewaltambulanzen werde sichergestellt, dass Betroffene bei einer Anzeige mit einer Verurteilung der Täter rechnen können, hob auch Klara Neurauter (ÖVP/T) die Bedeutung gerichtsfester Beweise hervor.
Mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb, forderte Claudia Arpa (SPÖ/K) weitreichendere Maßnahmen für Gewaltschutz. So sollen der SPÖ nach Gewaltambulanzen „solide gesetzlich“ verankert werden, statt diese lediglich durch eine Ermächtigung zu fördern. Zudem seien diese im öffentlichen Bereich flächendeckend in allen österreichischen Bundesländern zu institutionalisieren. Dabei sei ein kostenloser, niederschwelliger Zugang sicherzustellen. Zudem soll dem Parlament jährlich ein Bericht vom Frauenministerium vorgelegt werden.
Gewaltambulanzen seien wichtig, diese würden aber nur bedingt die Ursachen von Gewalt bekämpfen, meinte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ). Es seien mehr Frauen in Familien mit Migrationshintergrund Opfer von Gewalt und Probleme würden importiert. Die anderen Parteien seien nicht willig, diese Problematik anzuerkennen und seien damit Dulder „gewaltbereiter Zuwanderer“.
90 % aller Verfahren würden im Zweifel für den Angeklagten mangels ausreichender Beweise eingestellt, begründete Elisabeth Kittl (Grüne/W) die Notwendigkeit zur Förderung von Gewaltambulanzen und hob deren Aufgabe, Beweise gerichtsfest zu dokumentieren, hervor. Zudem betonte sie die Bedeutung der Schulung von Polizist:innen, damit diese schon bei der Anzeige betroffene Frauen bestmöglich unterstützen können.
Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) begrüßte die Einführung von Gewaltambulanzen als „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Sie kritisierte aber den Weg über einen Antrag als „Anlassgesetzgebung“ ohne Begutachtung mit Expert:innen. Zudem seien die Gewaltambulanzen nur mit minimalen Budget ausgestattet und dieses sei nur für die nächsten Monate abgesichert, bemängelte sie neben der ungleichen flächendeckenden Versorgung und forderte eine umfassende Strategie.
Anerkennung von „Berufsverbrechern“ als NS-Opfer
Gemäß Opferfürsorgegesetz haben Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden, Anspruch auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung bzw. eines Opferausweises. Auf deren Basis erhalten sie Renten- und andere Fürsorgeleistungen. Allerdings gelten Einschränkungen für Personen, die zu einer mehr als sechsmonatigen – noch nicht getilgten – Freiheitsstrafe verurteilt wurden bzw. deren Verhalten in Wort und Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich in Widerspruch steht oder stand. Ihnen steht zwar ebenfalls Renten- und Heilfürsorge zu, ein Opferausweis blieb ihnen bis dato aber verwehrt. Nun sollen auch sie gemäß eines gemeinsamen Antrags von ÖVP, SPÖ und Grünen formell als NS-Opfer anerkannt werden. In der NS-Zeit seien auch Personen, die ihre Straftat verbüßt und kein weiteres Delikt mehr begangen haben, als sogenannte „Berufsverbrecher“ politisch verfolgt und deportiert worden, wird die Initiative von den Antragsteller:innen begründet. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. (Fortsetzung Bundesrat) pst
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