Justizausschuss: ÖVP, Grüne und FPÖ für Regierungsvorlage zur Verbandsklage
Aus einer Reihe an Regierungsvorlagen von Justizministerin Alma Zadić und Gesetzesanträgen der Koalitionsparteien, die der Justizausschuss heute verhandelte, stimmten ÖVP, Grüne und FPÖ für jene mit Neuerungen zur Verbandsklage. Verbraucherschutzeinrichtungen sollen im kollektiven Interesse von mindestens 50 Verbraucher:innen künftig Unternehmen auf Abhilfe, also etwa auf Schadenersatz, klagen können.
Eine weitere Regierungsvorlage zielt auf Steuertransparenz multinationaler Unternehmen ab. So sollen in Umsetzung einer EU-Richtlinie Konzerne in Österreich künftig verpflichtet werden, ihre Ertragsteuerinformationsberichte auch beim Firmenbuchgericht einzureichen, damit sie über das Firmenbuch öffentlich abrufbar sind. Mit einem im Ausschuss eingebrachten Abänderungsantrag der Koalitionsparteien trafen ÖVP und Grüne noch einige Klarstellungen. Für die Vorlage sprachen sich im Ausschuss alle Parteien außer die FPÖ aus, die aber eine Zustimmung im Plenum noch offen ließ.
Regierungsvorlage für Verbandsklage ab 50 Betroffenen
Eine neue Möglichkeit von Verbandsklagen sieht der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium in Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie vor (2602 d.B.). Verbraucher:innen und Verbraucher, die von einem Unternehmen geschädigt wurden, sollen künftig nicht mehr nur von Unterlassungsentscheidungen durch Verbraucherschutzeinrichtungen profitieren, sondern durch die Verbandsklage ab 50 Betroffenen unmittelbar Abhilfe bzw. Leistungsansprüche erreichen können, so die Erläuterungen. Der Beitritt zu einer Verbandsklage soll nach den Vorstellungen der Richtlinie einen geringeren finanziellen Aufwand für sie verursachen als die Klagsführung als Einzelklägerin oder Einzelkläger.
Als qualifizierte Einrichtungen, die Verbandsklagen durchführen können, werden im Gesetz die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundesarbeiterkammer, der Landarbeiterkammertag, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gewerkschaftsbund, der Verein für Konsumenteninformation und der Österreichische Seniorenrat angeführt. Aber auch weitere Organisationen können unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag an den Bundeskartellanwalt stellen, als solche Einrichtung qualifiziert zu werden. Zu den Voraussetzungen dafür zählt beispielsweise, dass die Organisation bereits vor der Antragstellung zwölf Monate zum Schutz der Verbraucherinteressen tätig gewesen sein muss und „ein legitimes Interesse“ am Schutz der Verbraucherinteressen hat.
In erster Instanz soll für alle Verbandsklagen ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig sein. Die im Entwurf ebenfalls vorgeschlagene Verbandsklage auf Unterlassung soll den bereits vorhandenen Rechtsschutz durch Verbandsklagen unberührt lassen. Dazu soll aber ein paralleler Rechtsschutzweg ermöglicht werden, der den qualifizierten Einrichtungen die Wahl lässt, nach welchen Bestimmungen sie eine allfällige Klage erheben wollen.
Ausdrücklich ermöglicht wird außerdem die Drittfinanzierung von Verbandsklagen auf Abhilfe, wobei die Ausgestaltung von Verträgen über eine Drittfinanzierung laut Erläuterungen bewusst einer privatautonomen Regelung überlassen wird. Wichtig sei aber, dass sichergestellt wird, dass die Einflussnahme des Drittfinanzierers nicht über das aus der Drittfinanzierung heraus resultierende finanzielle Interesse hinausgeht. Der Schutz der kollektiven Interessen der dem Verfahren Beitretenden dürfe nicht aus dem Fokus geraten. Eine etwaige Beitrittsgebühr zum Verfahren seitens der Verbraucherschutzeinrichtung soll außerdem nicht höher als 20 % der geltend gemachten Anspruchssumme des jeweils Beitretenden sein und darf den Betrag von 250 € nicht überschreiten, so die Erläuterungen.
Insgesamt habe man mit den neuen Regelungen einen guten Kompromiss gefunden, auch im Sinne der Verbraucher:innen, sagte Justizministerin Alma Zadić. Für viele Verbraucher:innen sei ein Gang zu Gericht mit einem hohen Aufwand und Prozessrisiko im Verhältnis zu den Ressourcen von Konzernen verbunden. Auch die Möglichkeit der Drittfinanzierung stelle eine Errungenschaft dar, so Zadić. Die Bündelung aller Verbandsklagen am Handelsgericht Wien soll der Justizministerin zufolge unter anderem zu einheitlicher Rechtsprechung führen.
Aus Sicht von Johannes Margreiter (NEOS) stellt die Vorlage einen „Grundstein“ für ein System der Verbandsklagen dar, es gebe aber einige Kritikpunkte, weshalb er sich eine Zustimmung im Plenum vorbehalte. So wäre aus seiner Sicht etwa eine Obergrenze beim Anteil der Prozesskostenfinanzierung wünschenswert. Harald Stefan (FPÖ) betonte, dem Thema Verbandsklage schon lange positiv gegenüber zu stehen, weshalb er dem Vorhaben zustimmen werde. Christian Drobits (SPÖ) bemängelte etwa, dass auch „Sammelkapitalklagen“ nicht auszuschließen seien. Er behalte sich bis zum Plenum eine Zustimmung vor.
Ulrike Fischer (Grüne) bezeichnete die Vorlage als „sehenswertes Konstrukt“ nach vielen Verhandlungen mit allen Stakeholdern. Etwa die Zuständigkeit am Handelsgericht Wien werde Verbraucher:innen Zeit und Geld und den Unternehmen Nerven sparen. Die Möglichkeit der Abhilfeklage werde künftig auch zur tatsächlichen Rechtsdurchsetzung führen.
Regierungsvorlage für Steuerehrlichkeit multinationaler Unternehmen
Ob ein Unternehmenskonzern dort, wo er große Umsatzerlöse erzielt, auch Steuern entrichtet oder ob die Gewinne in Niedrigsteuerländer verschoben werden, soll durch ein neues Gesetz transparenter werden. Aus Ertragsteuerinformationsberichten soll künftig ersichtlich sein, welche Umsatzerlöse und Gewinne ein Konzern in den jeweiligen Territorien erzielt und welche Ertragsteuern er dort entrichtet. Den Erläuterungen des entsprechenden „CBCR-Veröffentlichungsgesetzes“ zufolge (2556 d.B.) soll damit eine öffentliche Debatte über den Grad der Steuerehrlichkeit dieser Konzerne ermöglicht werden, erläuterte Justizministerin Zadić. In Österreich werden der Vorlage zufolge etwa 82 oberste Mutterunternehmen einen Ertragsteuerinformationsbericht aufstellen und einreichen müssen. Von ca. 800 Unternehmen und Zweigniederlassungen, die theoretisch ebenfalls unter die Berichtspflicht fallen würden, kommen aufgrund ihrer Größe laut den Erläuterungen etwa 40 weitere berichtspflichtige Unternehmen dazu. Betroffen sind demnach Unternehmen, deren Umsatzerlöse in den letzten zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren 750 Mio. € überstiegen haben.
Insgesamt geht es bei der Vorgabe um höhere Transparenz der Tätigkeiten multinationaler Unternehmen, wie Justizministerin Zadić erläuterte. Damit werde auch eine Debatte über Steuerehrlichkeit ermöglicht. Unternehmen sollten der Vorlage zufolge ihren fairen Anteil an Steuern in dem Land zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Insbesondere soll im Kampf gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung eine gerechte Besteuerung gewährleistet werden. Zudem sollen die Tätigkeiten multinationaler Unternehmen im EU-Binnenmarkt klarer nachvollziehbar werden. Besonderes Augenmerk werde auch auf Steuerinformationen gelegt, die sich auf nicht kooperative Länder und Gebiete für Steuerzwecke beziehen. Für Verstöße gegen die neuen Verpflichtungen sollen im Strafrahmen beispielsweise für Unternehmen von öffentlichem Interesse bis zu 100.000 € jeweils an Ordnungs- bzw. Zwangsstrafen vorgesehen werden.
Selma Yildirim (SPÖ) begrüßte die Vorlage, die im Idealfall aus ihrer Sicht für mehr Transparenz sorgen werde. Es sei aber ein kleiner Schritt, dem weitere folgen müssten. Zudem erscheine ihr die Pönale im Verhältnis sehr gering. Harald Stefan (FPÖ) wies darauf hin, dass der Gesetzesvorschlag sehr kurzfristig eingebracht worden sei. Er müsse einige Punkte noch eingehender prüfen, um gegebenenfalls im Plenum zustimmen zu können.
Transparenz sei das beste Mittel, wenn einige Konzerne weniger Steuern zahlen „als das Kaffeehaus ums Eck“, meinte Georg Bürstmayr (Grüne). Zudem sei es wichtig, diese Transparenz auf europäischer Ebene zu haben, unterstrich Johanna Jachs (ÖVP). (Fortsetzung Justizausschuss) mbu
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