55. Wiener Gemeinderat (2)
Die fünfte Anfrage richtete sich an Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). GRin Dipl.-Ing. Selma Arapović (NEOS) fragte nach der Besonderheit des Programms „Fellows von Teach for Austria an Wiener Volksschulen“. Wiederkehr zufolge würden Quereinsteiger*innen und Externe in der Schule einen besonderen Mehrwert bringen, da sie unterschiedliche berufliche Erfahrungen sammeln konnten und eine zusätzliche Unterstützung für Kinder seien. „Ich bin daher sehr froh, dass diese Kooperation geglückt ist“, sagte Wiederkehr. Das Programm sei intensiv vorbereitet worden und die „Fellows“ seien sehr selektiv ausgewählt worden. Das Interesse, an Wiener Schulen zu arbeiten, sei sehr groß gewesen. Das Programm gebe es bereits seit 2012, etwa für Mittelschulen. Die „Fellows“ würden zusätzliches Engagement mitbringen und seien für zwei Jahre fix an den Volksschulen. Die daraus entstehende Vielfalt der Lehrer*innenschaft stärke einerseits das Angebot an der Schule und sorge andererseits für mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder. Dies sei ein besonderes Anliegen der Stadtregierung und von „Teach for Austria“.
Aktuelle Stunde
Nach der Fragestunde wurde das Thema der Aktuellen Stunde debattiert, das vom NEOS-Klub im Rathaus eingebracht wurde und „Neue Herausforderungen brauchen neue Lösungen – Schule als Wertevermittlerin in der heutigen Zeit“ lautete.
GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS) sagte, die sich „massiv“ verändernde Gesellschaft führe zu neuen Herausforderungen, unter anderem auch für Kinder und Jugendliche. Hierbei gebe es viele Faktoren, wie psychische Belastungen, kulturelle Konflikte, Abstiegsängste, Kinderarmut, fehlende Perspektiven, Kriege und andere Krisen. Wien sei eine großartige Stadt, die seit Jahrhunderten Kraft aus der Vielfalt ihrer Bewohner*innen schöpfe, sagte Emmerling. Werte wie Demokratie und Freiheit müssten daher weiterhin vertreten werden. All jene, die dies anerkennen, seien in Wien mehr als willkommen. Man müsse aber auch anerkennen, dass diese liberalen Werte auf dem Prüfstand stehen würden, meinte Emmerling. Entsprechend müssten diese gestärkt werden – auch an Wiens Schulen. Denn Demokratie sei laut Emmerling das höchste Gut. Es müsse alles dafür getan werden, damit Religion nicht die Menschen trennt. Es gebe bereits sehr viele Angebote, um Integration und Demokratie an Wiens Schulen zu stärken, wie den Ausbau von Ganztagsschulen, die Wiener Bildungschancen, Gewaltprävention an Schulen, Aufklärungsarbeit zum Nahostkonflikt, das Programm „Respekt – gemeinsam stärker“, das Projekt „Wir alle sind Wien“ oder Projekte zu Antisemitismus. Das alle bringe „verdammt viel“, meinte Emmerling. Jede Auseinandersetzung mit den Themen Toleranz und Werte bringe etwas. Trotzdem würden nicht alle erreicht. Deshalb brauche es Wertevermittlung bereits an den Schulen. Emmerling forderte ein zusätzliches Unterrichtsfach „Leben in einer Demokratie“, um Schüler*innen zu helfen, das Konzept des demokratischen Prinzips zu verstehen. Dies sei auch wichtig, um auf Gefahren von Extremismus hinzuweisen. „Es geht hier um nichts Geringeres, als unser friedliches Zusammenleben“, schloss Emmerling.
Laut StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) zeige alleine der Titel, dass die Stadtregierung noch immer nicht verstanden habe, worum es geht. Denn die Herausforderungen und Probleme, wie mangelnde Deutschkenntnisse und Werteablehnung, seien in Wien nicht neu. Diese würden von der FPÖ seit Jahren thematisiert, die Stadtregierung habe dies aber immer ignoriert. Nepp meinte, es sei zu spät, erst in der Schule bereits mit der Wertevermittlung zu beginnen. Man müsse Familien von Anfang an in die Pflicht nehmen: Wenn man etwa radikale Tendenzen oder mangelnde Deutschkenntnisse erkenne, müsse gehandelt werden, unter anderem mit der Kürzung von Sozialleistungen. Es könne nicht sein, dass es an Wiens Schulen zu einer Mehrheitsgesellschaft komme, wo Kinder und Jugendliche mehrheitlich nicht mehr Deutsch sprechen. Die Wiener Bevölkerung habe davon „die Schnauze voll“. Bürgermeister Ludwig habe Wien in den letzten Jahren „herabgewirtschaftet“, kritisierte Nepp.
GRin Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE) war skeptisch, ob ein neues Schulfach die Probleme und Herausforderungen lösen könne. Man dürfe Lehrer*innen nicht unterstellen, demokratische Werte an Schulen nicht zu vermitteln – denn das passiere derzeit selbstverständlich. Die Lösung bestehe aber nicht in einem neuen Unterrichtsfach, sagte Malle in Richtung GRin Emmerling (NEOS). Denn die Inhalte seien da. Sinnvoller sei etwa eine Evaluierung des bestehenden Unterrichts. Es gebe laut Malle mehrere Probleme und Herausforderungen, wie den Mangel an Deutschkenntnissen. Das Wiener Bildungssystem müsse zudem inklusiv und integrativ sein, forderte Malle. Das sei förderlich für die Chancengerechtigkeit aller Kinder und Jugendlichen. „Bitte handeln Sie, wo Sie handeln können,“ appellierte Malle an die Wiener Stadtregierung und forderte, auch alte Herausforderungen zu lösen.
GR Harald Zierfuß (ÖVP) wies darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Wiener Kinder zuhause nicht mehr Deutsch sprechen würden. Er kritisierte Bildungsstadtrat Wiederkehr dafür, wieder von der Bundesregierung Maßnahmen ein Unterrichtsfach zu fordern, anstatt selbst Antworten auf bestehende Probleme in der Stadt zu liefern In einem freien Staat müsse Religion einen Platz haben, forderte Zierfuß. Religion sei nichts Negatives für das Zusammenleben in einer Gesellschaft – im Gegenteil, denn sie vermittle Werte: Religionsunterricht gebe ein Wertefundament her. Das könne ein Demokratieunterricht nicht ersetzen, meinte Zierfuß.
GR Petr Baxant, BA (SPÖ) widmete seine Rede dem kürzlich verstorbenen Dr. Manfried Welan. Die Gefahr für unsere Demokratie seien laut Baxant nicht die Kinder und Jugendlichen, sondern Populismus, einfache Lösungen, Politikverdrossenheit, Desinteresse an Politik, Wahlabstinenz oder auch Begriffsverwirrungen. Mitwirkung sei gefragt, das werde an Wiens schulen natürlich gelehrt und gelernt. Die Stadtregierung gestalte über Parteigrenzen hinweg an der Gesellschaft und arbeite im Geiste von Manfred Welan gemeinsam an Wien. Natürlich müsse Religionskompetenz, Wissen über Religion und die demokratischen Instrumente an Schulen vermittelt werden, meinte Baxant. Demokratie sei ein lebendiger Prozess, der auch absterben kann. Laut Baxant müsse Demokratie daher „tagtäglich gegossen werden – auch an unseren Schulen“.
GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) ging auf die Rede von GR Baxant (SPÖ) ein: Man müsse die Instrumente, die in einer Demokratie wichtig sind, nicht nur lehren, sondern auch anwenden. Denn wenn Österreicher*innen regelmäßig befragt würden, ob „der Zuwanderungsirrsinn“ gestoppt werden soll und danach handeln würde, gebe es viele Probleme an Wiens Schulen heute nicht und diese Diskussion müsse nicht geführt werden, kritisierte Krauss. Es stimme zwar, dass sich in den Klassenzimmern Wiens die Zukunft der Stadt entscheidet. Aber die Häufung von Gewaltdelikten, antisemitische Sprüchen, islamistischen Tendenzen und Werteablehnungen zeige, dass diese Zukunft in vielen Bereichen keine gute sein werde. Viele Wiener Schüler*innen seien nicht einmal in ihrer Landessprache alphabetisiert. Dies ziehe das ohnehin bereits niedrige Niveau an Wiens Schulen noch weiter nach unten, meinte Krauss. Schritt für Schritt werde Österreichs Werte und Kultur aufgegeben. Jetzt soll es wieder einen Schritt geben, meinte Krauss, doch hier würden die Freiheitlichen nicht mitmachen. Er forderte Konsequenzen für Menschen, die sich nicht integrieren: Diese dürften etwa keine Sozialleistungen mehr erhalten oder sollten das Land verlassen müssen. Die Politik des Wegschauens müsse endlich beendet werden, schloss Krauss.
GRin Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) zufolge müssten Werte wie Menschenwürde und Demokratie vor Religion immer an erster Stelle stehen. Glaube sei Privatsache, das sei ein hohes Gut, das gewährleistet werden müsse. Es müsse noch mehr Augenmerk daraufgelegt werden, bei den Jüngsten in der Gesellschaft darüber zu sprechen, wie wichtig demokratische Grundhaltungen und Pluralismus sind. Denn diese Prinzipien und Werte sollen von allen geteilt werden, betonte Bakos. Es gebe bereits viele Maßnahmen und es seien weitere geplant. Doch das sei noch immer zu wenig, meinte Bakos und ging auf das von den NEOS geforderte neue Unterrichtsfach ein: Die Forderung eines weiteren Unterrichtsfachs sei keine Unterstellung, dass Lehrer*innen demokratische Werte derzeit nicht vermitteln würden, sagte Bakos in Richtung GRin Malle (GRÜNE). Sondern es gehe darum, demokratische Werte allen gleichermaßen zu vermitteln und diese zu reflektieren. Es gehe auch nicht darum, den Religionsunterricht abzuschaffen, sondern darum, ein gemeinsames Fundament zu schaffen. (Forts.) exm
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