Kraker: Österreich braucht Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel
In seiner „Bestandsaufnahme Fachkräftemangel“ empfiehlt der Rechnungshof die Ausarbeitung einer Gesamtstrategie auf Basis einer soliden Datenbasis. Die Abgeordneten debattierten den Bericht des Prüforgans in der heutigen Sitzung des Nationalrats und nahmen ihn einstimmig zur Kenntnis.
Aus Sicht des Rechnungshof wäre es möglich, die gewünschte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten mit der Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte) besser zu fördern. Notwendig sei dazu aber die Vereinfachung und Flexibilisierung des Systems, merkte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker in einem Bericht zur Rot-Weiß-Rot-Karte an. Wie dieser Bericht wurde auch ein kritischer Prüfbericht zur österreichischen Standortagentur Austria Business Agentur (ABA), von den Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis genommen.
Die Abgeordneten der ÖVP und der Grünen betonten, dass die Bundesregierung bereits eine Reihe von Verbesserungen im Sinn der Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt habe. Den Sprecher:innen aus den Reihen der SPÖ, FPÖ und NEOS gingen diese Schritte nicht weit genug. Grundsätzliche Auffassungsunterschiede zeigten sich in der Frage, wie Österreich mit Zuwanderung umgehen solle und wie es tatsächlich um die Integration von Migrant:innen in den Arbeitsmarkt bestellt sei.
Rechnungshof vermisst Datengrundlage zu Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel sei nicht nur für betroffene Unternehmen nachteilig, sondern mindere die gesamtökonomische Leistung einer Gesellschaft, diagnostiziert der Rechnungshof in einem Bericht zu diesem Thema. Laut ihm fehle eine Gesamtstrategie mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen nach wie vor ebenso wie eine solide Datenbasis für eine genauere Analyse auf Ebene der Berufe, der regionalen Verteilung und des Beschäftigungsausmaßes. Beides empfiehlt der Rechnungshof zu erarbeiten.
Die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten, etwa über die Rot-Weiß-Rot-Karte, sei aus Sicht des Rechnungshofs grundsätzlich geeignet, den Fachkräftemangel zu mildern. Das System der Karte sollte allerdings vereinfacht werden, lautet eine der Schlussfolgerungen des Rechnungshofs in einem Bericht zur Rot-Weiß-Rot-Karte und der Blauen Karte der EU. Weitere Stellschrauben sieht der Rechnungshof in der Ausschöpfung und Mobilisierung des im Inland vorhandenen Arbeitskräftepotenzials durch eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, älteren Personen sowie von Migrantinnen und Migranten.
Der Fachkräftemangel sei aktuell für den Dienstleistungs- und Tourismusbereich das Grundproblem schlechthin, merkte Franz Hörl (ÖVP) an. Seit dem Rechnungshofbericht habe es einige Verbesserungen gegeben, was sich in einer deutlichen Zunahme der beantragten und bewilligten Rot-Weiß-Rot-Karten niederschlage. Wichtig für diesen Erfolg sei unter anderem auch eine verbesserte Beratung. Potenzial für die Gewinnung von Fachkräften ortete Hörl noch bei der angekündigten Rot-Weiß-Rot-Karte für volljährige Lehrlinge und der Schaffung einer Sonderregelung für Beschäftigte im Tourismus aus Staaten des Westbalkans.
Sei es früher schwierig gewesen, einen Lehrplatz zu erhalten, so habe sich das Blatt nun gewendet, konstatierte Andreas Kühberger (ÖVP). Für Betriebe werde es immer schwieriger, die notwendigen Fachkräfte anzuwerben und zu halten. Die Empfehlungen des Rechnungshofs seien wichtige Hinweise, wo man ansetzen müsse. Dazu gehöre die Unterstützung der Aus- und Weiterbildung und eine Verringerung der Teilzeitquote. Für die verbesserte Integration von Migrant:innen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in den Arbeitsmarkt, habe Arbeitsminister Martin Kocher gerade ein Paket im Umfang von 75 Mio. € geschnürt. Auch Martina Kaufmann (ÖVP) wies auf die Wichtigkeit der Ausbildung von Fachkräften hin, die vor allem in KMU erfolge. Daher habe die Bundesregierung viele Schritte gesetzt, um die Lehre aufzuwerten.
Klaus Köchl (SPÖ) sah ein großes Potenzial an Arbeitssuchenden, das aufgrund fehlender Initiative der Bunderegierung aber nicht ausgeschöpft werde. So werde Asylant:innen immer wieder die Integration in den Arbeitsmarkt verwehrt, auch wenn sie dringend als Arbeitskräfte benötigt würden. Verbesserungen der Rot-Weiß-Rot-Karte, wie sie der Rechnungshof anrege, seien sicher notwendig. Er erwarte sich diese aber erst von der nächsten Bundesregierung unter SPÖ-Führung, sagte Köchl.
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) hob die Empfehlung des Rechnungshof zu einer besseren Integration von bereits im Land befindlichen Migrant:innen hervor. Das AMS unternehme aber nichts, um diese Personengruppe zu qualifizieren und zu motivieren. Die Bundesregierung setze nur darauf, immer mehr „Leute aus der Ferne“ ins Land zu holen. Das sei angesichts steigender Arbeitslosenzahlen der völlig falsche Zugang. Christian Lausch (FPÖ) betonte, die FPÖ sei gegen eine Politik, die nur darauf setze, alle Probleme am Arbeitsmarkt durch noch mehr Zuwanderung lösen zu wollen. ÖVP und NEOS gehe es offenbar nur darum, noch mehr billige Arbeitskräfte ins Land zu holen. Lausch forderte eine Lehrlings- und Ausbildungsoffensive. Die Bundesregierung habe in den letzten Jahren nichts in Richtung der vom Rechnungshof geforderten Gesamtstrategie unternommen.
Eva Blimlinger (Grüne) widersprach der Darstellung Belakowitschs, wonach die Kriterien für die Rot-Weiß-Rot-Karte nach unten nivelliert worden seien, vehement und qualifizierte sie als „Fake News“. Blimlinger plädierte dafür, die Definition der „Fachkraft“ zu überarbeiten. Diese orientiere sich nach wie vor zu sehr am Bild des männlichen Industriearbeiters. Das System benachteilige Frauen ganz eindeutig, die wichtige Kompetenzen anböten. Die Kritik an der Komplexität der Varianten der Rot-Weiß-Rot-Karte könne sie nachvollziehen, hier sei aber bereits einiges geschehen. Bedrana Ribo (Grüne) warf der FPÖ vor, jedes nur erdenkliche Thema dazu zu verwenden, um Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Österreich sei nicht zuletzt von den vielen Zuwanderinnen und Zuwandern mit aufgebaut worden.
Österreich könne froh sein, wenn Menschen ins Land kommen wollten, um zu arbeiten, sagte Gerald Loacker (NEOS). Die Komplexität der Antragstellung stelle dafür aber ein Hindernis dar. So sollte das Verfahren bei einer Behörde zusammengeführt werden. Ein Problem stellt aus Sicht Loackers auch die mangelhafte Betreuung von Antragsteller:innen durch die Behörden dar. Oft werde etwa nicht aktiv auf fehlende Unterlagen hingewiesen, sondern der Antrag einfach liegen gelassen.
Kraker: Arbeitskräftemangel wird sich noch verstärken
Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker erläuterte, dass der Rechnungshof sich einen Überblick über die Situation des Fachkräftemangels verschafft habe. Schon alleine aufgrund der demographischen Entwicklung werde die Verfügbarkeit von Arbeitskräften in Österreich, wie auch in der EU insgesamt, in den nächsten zehn Jahren tendenziell abnehmen. Mittel- und längerfristig sei von einer Verschärfung des Fachkräftemangels auszugehen. Der große Anteil von Teilzeitarbeit verschärfe die Situation. Auch die Datenlage sei unzureichend. Notwendig sei die Erarbeitung einer Gesamtstrategie. Eine der wichtigen Stellschrauben dafür sei auch die Rot-Weiß-Rot-Karte. Hier müsse das Verfahren der Antragstellung deutlich vereinfacht werden.
Rechnungshofs sieht Mängel an Austrian Business Agency (ABA)
Die Abgeordneten setzten sich auch mit dem kritischen Bericht des Rechnungshofausschusses zur österreichischen Standortagentur Austrian Business Agency (ABA) auseinander. Die ABA steht im Eigentum des Bundes und ist unter anderem für die Vermarktung des Wirtschaftsstandorts Österreich und für die Beratung von ausländischen Unternehmen bzw. Investoren zuständig, die an einer Betriebsansiedlung in Österreich interessiert sind.
Auch dieser Bericht betreffe wichtige Fragen des Wirtschaftsstandortes, sagte Andreas Hanger (ÖVP). Auch wenn der Rechnungshof einige kritische Anmerkungen zur ABA gemacht habe, so dürfe man nicht vergessen, dass die Agentur sehr gute Arbeit leiste, um Unternehmen und Investor:innen nach Österreich zu bringen. Zweifellos müsse man aber auch die Empfehlungen des Rechnungshofs aufgreifen, um die Arbeit der ABA noch zu verbessern.
Der Rechnungshof habe festgestellt, dass die ABA eine intransparente „Black Box“ sei, in der nicht nachvollziehbar sei, welches Ergebnis mit den eingesetzten Steuermitteln erzielt worden sei, sagte Ruth Becher (SPÖ). Mit dem Geld der Steuerzahler:innen müsse sorgfältiger umgegangen werden.
Süleyman Zorba (Grüne) merkte kritisch an, dass im überprüften Zeitraum von 2018 bis 2022 die ABA laut dem Bericht des Rechnungshofs keine gesamthaften Beurteilungen über die Qualität und den Umfang ihrer Beratungsprojekte abgeben habe können. Auch über die tatsächliche Niederlassung ausländischer Fachkräfte in Österreich gebe es keine klare Aussage. Das sei nicht zufriedenstellend.
Der Bericht des Rechnungshofs zur Gebarung der ABA sei geradezu „vernichtend“, sagte Gerald Loacker (NEOS) und müsse eigentlich zum Rücktritt der Geschäftsführung führen. Bei genauerer Lektüre des Berichts könne man nur zu dem Schluss kommen, dass diese mache, was sie wolle. Empörend war für Loacker, dass die ABA-Geschäftsführung aus seiner Sicht im Rechnungshofausschuss keinerlei Einsicht gegenüber der Kritik des Rechnungshofs gezeigt habe. (Fortsetzung Nationalrat) sox
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz