Leerstandsabgabe: Ausschuss schickt Verfassungsnovelle mit ÖVP-SPÖ-Grünen-Mehrheit ins Plenum | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Leerstandsabgabe: Ausschuss schickt Verfassungsnovelle mit ÖVP-SPÖ-Grünen-Mehrheit ins Plenum

0 194

Im Zuge der Präsentation des Wohnpakets zur Ankurbelung der Bauwirtschaft hat die Regierung auch in Aussicht gestellt, Ländern die Einhebung von Leerstandsabgaben zu erleichtern. Nun hat der Verfassungsausschuss des Nationalrats einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gesetzt. Die Abgeordneten leiteten eine von den Koalitionsparteien beantragte Verfassungsnovelle, der zufolge „die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“ von Wohnungen künftig ausdrücklich den Ländern obliegt, heute in leicht adaptierter Form mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen ans Plenum weiter. Damit dürfte auch die im Plenum nötige Zweidrittelmehrheit für das Gesetzesvorhaben gesichert sein. Neben Leerstandsabgaben sind etwa auch Freizeit- oder Zweitwohnsitzabgaben von der Novelle betroffen.

Ergänzend dazu soll überdies das Finanzausgleichsgesetz geändert werden. Kritik kommt von FPÖ und NEOS, sie sehen in der Leerstandsabgabe eine Art Vermögensteuer und äußerten auch verfassungsrechtliche Bedenken.

Vertagt hat der Ausschuss die Beratungen über einen Antrag der SPÖ, der darauf abzielt, Diskriminierungen aufgrund des Alters verfassungsgesetzlich zu verbieten. Auch über das „COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren“ wollen die Abgeordneten zu einem späteren Zeitpunkt beraten.

ÖVP, SPÖ und Grüne hoffen auf mehr leistbaren Wohnraum

Konkret zielt die von ÖVP und Grünen eingebrachte Verfassungsnovelle (3944/A) auf eine Änderung des Artikels 11 der Bundesverfassung ab, der auch den Kompetenztatbestand „Volkswohnungswesen“ umfasst. Demnach sollen die Länder künftig nicht nur für die Wohnbauförderung und die Förderung von Wohnhaussanierungen sondern auch für die Einhebung von Abgaben zur Vermeidung „der Nicht- oder Mindernutzung“ von Wohnungen zuständig sein, wobei der ursprüngliche Novellentext mittels eines gemeinsamen Abänderungsantrags von ÖVP, SPÖ und Grünen noch geringfügig sprachlich adaptiert wurde. Damit wurde Einwänden, die im vom Ausschuss durchgeführten Begutachtungsverfahren vorgebracht wurden, Rechnung getragen.

Außerdem haben ÖVP, SPÖ und Grüne in Reaktion auf das Begutachtungsverfahren ergänzend zur Verfassungsnovelle eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) auf den Weg gebracht. Demnach werden Abgaben auf Wohnungsleerstände in den Katalog der ausschließlichen Landes- bzw. Gemeindeabgaben aufgenommen. Dadurch stelle man sicher, dass die Länder auch dann zur Einhebung solcher Abgaben ermächtigt sind, wenn der Bund eine gleichartige Abgabe vom selben Besteuerungsgegenstand erheben sollte, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Es gebe zu viele Wohnungen, die nicht vermietet würden, begründete Ulrike Fischer (Grüne) die Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien. Für sie ist die Leerstandsabgabe eine der wichtigsten wohnpolitischen Maßnahmen, die der Gesetzgeber setzen kann. Wohnen sei ein Grundbedürfnis, zudem stehe man in Österreich vor der Situation, dass „quadratkilometerweise“ Boden versiegelt werde, gab ihr Parteikollege Georg Bürstmayr zu bedenken. ÖVP-Bautensprecher Johann Singer sprach von einer wichtigen Klarstellung und wies darauf hin, dass es in vier Bundesländern bereits eine Leerstandsabgabe gebe. Insgesamt sei es Ziel des Bau- und Wohnpakets, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, hob er hervor.

Seitens der SPÖ begründete Selma Yildirim die Zustimmung zu den beiden Gesetzesnovellen damit, dass der SPÖ die Leistbarkeit von Wohnraum ein zentrales Anliegen sei. Die Leerstandsabgabe sei ein Instrument, das Wohnraum schaffen könne, ist sie überzeugt. Es gebe unterschiedliche Zahlen über Leerstände, so Yildirim, an die 100.000 Wohnungen stehen ihrer Einschätzung nach aber wohl leer. Sie ortet auch „viel Spekulation“, etwa mit Anlegerwohnungen, die nicht vermietet werden.

NEOS und FPÖ sehen Leerstandsabgabe als Art Vermögensteuer

Skeptisch äußerten sich hingegen die beiden NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak und Johannes Margreiter sowie FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst. Man greife sehr tief in Eigentumsrechte von Menschen ein, kritisierte Scherak. Zudem befürchtet er eine Vergrößerung des „Kompetenzwirrwarrs“ und vermisst eine klare Definition von Leerstand. Mangels Vorgaben könne „jedes Bundesland machen, was es will“. Scherak fragt sich zum Beispiel, ob es bereits eine Mindernutzung ist, wenn jemand allein auf 200 Quadratmetern wohne oder wenn er eine Wohnung nur sechs Monate im Jahr nutze. Auch sei unklar, was passiere, wenn man eine Wohnung am Markt anbiete, sie aber nicht oder nicht zu den eigenen Preisvorstellungen vermieten könne.

NEOS und FPÖ sehen die Leerstandsabgabe außerdem als eine Art Vermögensteuer, wobei NEOS-Abgeordneter Margreiter ohnehin damit rechnet, dass weitreichende Leerstandsabgaben keinen Bestand vor dem VfGH haben werden. Schließlich gebe es keine allgemeine Vermietungspflicht und Steuern seien nicht dazu da, unerwünschtes Verhalten zu „pönalisieren“, sagte er. Zudem sieht er es als Aufgabe der öffentlichen Hand und nicht privater Wohnungsbesitzer:innen, für leistbaren Wohnraum zu sorgen. Margreiter appellierte in diesem Sinn an die ÖVP, sich das Ganze noch einmal zu überlegen, und warnte davor, mit der Leerstandsabgabe „ein Tor zur verfassungsrechtlichen Hölle zu öffnen“.

FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst betonte, dass leistbares Wohnen auch ihrer Fraktion ein Anliegen sei. Eine Leerstandsabgabe sei aber der falsche Weg, ist sie überzeugt. Sie greife in das Grundrecht auf Eigentum ein und sei insgesamt eigentumsfeindlich. Dem Staat müsse es egal sein, was man mit seinem Eigentum mache. Fürst sprach zudem von einer „überstürzten“ Verfassungsänderung. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoller gewesen, zunächst zu erheben, was die Gründe für Leerstände seien, und darauf entsprechend zu reagieren.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gestand zu, dass die konkrete Ausgestaltung von Leerstandsabgaben für die Länder nicht einfach sein werde. Die Regelungen müssten im Einklang mit dem Eigentumsrecht und dem Gleichheitsgrundsatz stehen und würden im Einzelfall auf ihre Verfassungskonformität zu prüfen sein, hob sie hervor. Inhalt der vorliegenden Novelle sei allerdings lediglich eine kompetenzrechtliche Klarstellung.

SPÖ fordert verfassungsgesetzliches Verbot von Altersdiskriminierung

Vom Verfassungsausschuss mit ÖVP-Grünen-Mehrheit vertagt wurde ein Antrag der SPÖ (2279/A), der auf ein verfassungsgesetzliches Verbot von Altersdiskriminierung hinausläuft. Christian Drobits und seine Fraktionskolleg:innen wollen einen bestehenden Passus in der Verfassung, wonach niemand wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf, dahingehend ergänzen, dass auch eine Diskriminierung aufgrund des Alters verboten ist. Zwar gebe es in Österreich ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, trotzdem sei die ältere Generation in vielen Bereichen – insbesondere im Bereich des Bank- und Kreditwesens – nach wie vor benachteiligt, meinte Drobits. Zwar habe es in diesem Bereich vor kurzem gesetzliche Änderungen gegeben, es sei aber unklar, ob damit Diskriminierungen älterer Menschen beseitigt werden konnten. Ein Dorn im Auge ist Drobits auch, dass bei vielen Förderungen des Bundes wie dem Sanierungsbonus oder dem Reparaturbonus nur eine digitale Antragstellung möglich sei.

Von einem wichtigen Thema, über das man nachdenken sollte, sprach Ulrike Fischer (Grüne). Sie sei aber nicht davon überzeugt, dass man das in der Verfassung regeln müsse, erklärte sie. Zudem habe man bei Seniorenkrediten bereits einiges verbessert. Friedrich Ofenauer (ÖVP) gab zu bedenken, dass nicht jede Differenzierung nach dem Alter gleich eine Diskriminierung sei, und verwies etwa auf Seniorenrabatte oder Jugendtarife, die nicht in Frage gestellt werden sollten.

COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren

Formell aufgenommen hat der Verfassungsausschuss außerdem die Beratungen über ein von 101.652 Personen unterzeichnetes Volksbegehren (2408 d.B.), das die Rückzahlung sämtlicher Coronastrafen fordert. Nach Ansicht der Initiator:innen haben die Behörden „zigtausende“ Strafen zu Unrecht verhängt; zurückgezahlt bzw. erlassen habe man aber nur diejenigen, die von den Betroffenen erfolgreich angefochten worden seien. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Volksbegehren, in welchem auch die Gefährlichkeit des Coronavirus in Frage gestellt wird, soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs


OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.