FPÖ ortet Versagen auf allen Ebenen im Justizressort
Mehrere Ausbrüche von Häftlingen, Fälle von Kinderkriminalität und die angespannte Personalsituation im Justizbereich nahmen die freiheitlichen Bundesrät:innen zum Anlass für eine Dringliche Anfrage an Justizministerin Alma Zadić in der heutigen Bundesratssitzung. Das "Versagen auf allen Ebenen", das systematische Wegschauen, Ignorieren und das "grüne Träumen von Kuscheljustiz" müsse ein Ende finden, forderten die Freiheitlichen. Es brauche Maßnahmen, wie eine Personaloffensive zur Entlastung der Justizwache oder eine Neuordnung der Krankenhausbehandlung von Häftlingen. In 45 Fragen erkundigten sie sich bei der Ressortverantwortlichen zur aktuellen Situation und zu geplanten Verbesserungen.
Justizministerin Alma Zadić verwies in ihrer Beantwortung auf den Erfolg der von ihr gesetzten Maßnahmen, wie zusätzliche Planstellen oder das gesetzte Bauprogramm. Sie betonte aber auch, dass das "kaputt Sparen" unter vergangenen Regierungen nicht in 4.5 Jahren wieder gut gemacht werden könne.
Ihre Forderungen untermauerten die Freiheitlichen mit drei Entschließungsanträgen, die keine Zustimmung bei den anderen Fraktionen fanden und in der Minderheit blieben. Ebenfalls in der Minderheit blieb ein Entschließungsantrag der SPÖ. Darin schlugen die Sozialdemokrat:innen ein breites Maßnahmenpaket für den Opferschutz und die Täter:innenarbeit bei Jugendkriminalität vor.
Spanring: Justizressort weiter Baustelle, dringend Verbesserungen notwendig
Die Baustellen in der Justiz seien in der Amtszeit von Justizministerin Alma Zadić mehr statt weniger geworden, kritisierte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) eingangs in seiner Anfragebegründung. Dies gelte insbesondere für die Justizwache, die die "Großbaustelle" des Ressorts sei.
Die Justizwachebeamt:innen würden ihre Gesundheit für die Sicherheit der Bevölkerung einsetzen. Die Personalknappheit ziehe mehrere Probleme nach sich. So werde das Personal aufgerieben und Burn-Out oftmals das Resultat. Das Ministerium unternehme aber nichts dagegen, kritisierte Spanring insbesondere die Generaldirektion. Die Justizministerin hätte die Chance gehabt, diese zu reformieren, habe dies aber verabsäumt. In der Generaldirektion seien viele ohne entsprechende Qualifikation beschäftigt und diese würden den Beamt:innen in den Justizanstalten das Leben schwer machen.
Es gebe "Baustellen" in fast jeder Justizanstalt. So sei die Justizanstalt Josefstadt jetzt schon überbelegt und es gebe keinen Plan, wohin die Insass:innen bei einer für die Renovierung notwendigen Traktsperre verlegt werden sollen. Bei der Errichtung der Justizanstalt Münnichplatz scheint es, als ob die Ministerin sich rechtzeitig vor den Neuwahlen ein Denkmal errichten wolle, kritisierte Spanring mangelnde Planung und Einbindung der Belegschaft sowie Mittelverschwendung. Die gut funktionierende Justizanstalt Simmering werde dabei aufs Spiel gesetzt.
Hinsichtlich der Fluchtversuche von Häftlingen kritisierte Spanring, dass ein Fesselerlass zurück genommen worden sei. "Lieber hundert Mal umsonst fesseln, als ein verletzter Beamte" bei einem Fluchtversuch, meinte Spanring.
Angesichts von immer mehr Schlagzeilen von schweren Straftaten wie Vergewaltigung, Raub oder Mord mit strafunmündigen Täter:innen, brauche es eine Herabsetzung der Strafmündigkeit. Aktuell dürften diese Täter:innen keiner Strafe zugeführt werden, kritisierte Spanring.
Zadić betont Verbesserungen für Justizpersonal und stellt sich gegen Senkung der Strafmündigkeit
Die Grundvoraussetzung für die Justiz und den Rechtsstaat ist, dass diese unabhängig, effektiv und unbeeinflusst arbeiten kann, betonte Justizministerin Alma Zadić eingangs. Dafür seien personelle und finanzielle Ressourcen unabdingbar. Die Justiz sei unter vergangenen Regierungen "kaputt gespart" worden und dies könne man nicht in 4.5 Jahren wieder gut machen. Der Rechtsstaat müsse es wert sein, in ihn zu investieren. In ihrer Amtsperiode seien einige Verbesserungen gelungen. So gebe es allein 2024 135 und in der gesamten Legislaturperiode seien insgesamt 650 zusätzliche Planstellen geschaffen worden. Insgesamt seien aktuell 96 % der Planstellen besetzt.
Justizwachebeamt:innen seien hochspezialisierte Fachkräfte und würden täglich herausragendes leisten. Durch viele Maßnahmen habe man es geschafft, den Beruf zu attraktivieren. So habe man etwa für die Justizwache die Schwerarbeiterregelung durchgesetzt. Zudem wurden die Recruitingmaßnahmen intensiviert und eine Personaloffensive gestartet, um mehr Menschen für den Beruf zu begeistern.
Hinsichtlich einer Senkung der Strafmündigkeit meinte die Ministerin, dass es in den meisten westlichen Demokratien ähnliche Altersgrenzen wie in Österreich gebe. Der Vergleich mit der Schweiz und der dortigen früheren Strafmündigkeit hinke, da es dort keine Freiheitsstrafen vor 15 gebe. Vielmehr würde dort auf pädagogische Maßnahmen gesetzt. Dies sei auch in Österreich über die Kinder- und Jugendhilfe der Länder möglich. Diese könnten auch Maßnahmen setzen, seien aber unterschiedlich gut ausgestattet. So seien vorbildhaft etwa in Oberösterreich und Wien Arbeitsgruppen eingerichtet worden, wie mit strafunmündigen Täter:innen umgegangen werden soll. Insgesamt brauche es mehr finanzielle Mittel sowie mehr Arbeitsgruppen und Präventionsprogramme.
Die Fluchtversuche von Häftlingen seien seit 2018 in etwa gleich geblieben, erklärte die Justizministerin. Dies sei insgesamt dem Einsatz und Engagement der Beamt:innen zu verdanken. In der Strafvollzugsverwaltung seien zahlreiche Maßnahmen gesetzt worden, um die Sicherheit zu erhöhen. Hinsichtlich der "Fesselung" verwies die Ministerin darauf, dass die Art im Einzelfall geprüft werde.
Bezüglich der Möglichkeit, Haftinsassen zur Strafverbüßung in ihre Heimatländern zu überstellen, würden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, berichtete Zadić. So sei die Anzahl der Überstellungen gestiegen und Gespräche mit Ländern für entsprechende Abkommen seien am Laufen. In Länder wie Syrien oder Afghanistan sei eine Überstellung aber aufgrund der dortigen Bedingungen nicht möglich, hob die Justizministerin hervor.
Insgesamt würden die baulichen Maßnahmen in den Justizanstalten voran getrieben. So sei der Neubau der Justizanstalt Klagenfurt, die Erweiterung jener in Göllersdorf sowie die dringend notwendige Renovierung der Justizanstalt Josefstadt bereits verankert. Hinsichtlich der Kritik an der künftigen neuen Justizanstalt Münnichplatz in Wien betonte die Justizministerin, dass der Jugendvollzug in der bisherigen Justizanstalt nicht mehr zeitgemäß sei. Eine Arbeitsgruppe an Expert:innen hätte sich für eine selbständige Anstalt in einem urbanen Umfeld, nahe an Familien und Institutionen, ausgesprochen. Dies erhöhe die Resozialisierungschancen. Die Integration in die bestehende Justizanstalt Simmering begründete sie unter anderem mit mangelnden Mitteln für einen Neubau.
ÖVP: Strafmündigkeitsalter diskutieren
Kinderkriminalität sei fürchterlich und abzulehnen, betonte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Bundeskanzler Nehammer habe daher zurecht Maßnahmen gefordert und die Verfassungsministerin und den Innenminister um Ausarbeitung eines Pakets gebeten. Dabei müsse auch die Strafmündigkeit diskutiert werden. Man müsse bei Gewalt hinschauen und Maßnahmen setzen, wies die Bundesrätin auf die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen im Bereich des Gewaltschutzes hin, mahnte aber auch Zivilcourage bei jeder und jedem Einzelnen ein. Das engmaschige Gewaltschutzsystem sei weiter entwickelt worden, weitere Maßnahmen seien aber nötig. Insgesamt wies Eder-Gitschthaler auf die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder hin. Insgesamt müsse bei der Erziehung darauf geachtet werden, dass keine stereotypen Rollenverhältnisse weiter gegeben werden und Kinder zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen erzogen werden.
Beträchtliche Mittel seien in den Justizbereich investiert worden, meinte auch Harald Himmer (ÖVP/W). Hinsichtlich der Senkung dürfe man es sich nicht leicht machen. Bei schweren Verbrechen wie Mord oder Vergewaltigung mit nicht mündigen Täter:innen tue er sich aber schwer über Kinder- und Jugendschutz zu sprechen.
SPÖ: Maßnahmenpaket für jugendliche Straftäter:innen
Es sei Tatsache, dass Gewalt zunehme und dass die gesetzten Maßnahmen nicht genug oder nicht richtig seien, meinte Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W). Im Bereich jugendlicher Straftäter:innen schlug die Bundesrätin ein Maßnahmenpaket vor, das "schwarz-blaue Fehler" repariert, die Gesellschaft wirksam schützt und mit zukunftsweisenden Maßnahmen für weniger Jugendkriminalität sorgt, statt Verbrecherkarrieren zu fördern. Dazu soll der SPÖ nach unter anderem der Opferschutz und die Opferbetreuung verbessert und Gewaltambulanzen in jedem Bundesand eingerichtet werden. Zudem sollen kleinstrukturierte sozialpädagogische bzw. psychiatrische Wohngemeinschaften für 12- bis 14-Jährige mit Ausgangsbeschränkungen als ultima ratio vorgesehen werden. Weiters fordert die SPÖ eine Verbesserung der Kinder- und Jugendhilfe sowie einen Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der dafür eingebrachte Entschließungsantrag blieb in der Minderheit.
In der Schweiz sei das Strafmündigkeitsalter zwar niedriger, aber kein einziges Kind unter 15 Jahren sei in Haft, erläuterte Stefan Schennach (SPÖ/W). Die Strafmündigkeit sei etwas Besonderes und die Senkung des Alters sei für ihn eine rote Linie, darüber könne man nicht diskutieren. Anstatt es zu senken, solle man es vielmehr erhöhen und überlegen, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgeht, die Straftaten begehen. Der von der ÖVP zerstörte Jugendgerichtshof sei ein internationales anerkanntes Erfolgsbeispiel gewesen.
FPÖ fordert mehr Abschiebungen bei Missbrauch des "Gastrechts"
Den von der Justizministerin genannten Besetzungsgrad der Planstellen von 96 % hinterfragte Markus Leinfellner (FPÖ/St). Die tatsächlich anwesenden Vollbeschäftigungsäquivalente wären hier interessanter und vermutlich deutlich niedriger. Hinsichtlich der Haftverbüßung im Heimatland seien ihm die dortigen Haftbedingungen "herzlich egal" angesichts der schweren Verbrechen. Diese Menschen hätten ihr "Gastrecht" verwirkt und hätten "hier nichts verloren". Ein solcher Missbrauch des Gastrechts solle daher sanktioniert und als besonderer Erschwerungsgrund bei mit gerichtlichen Strafen bedrohten Handlungen aufgenommen werden, forderte Leinfellner mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb. Dies soll zur Verbrechensverhütung beitragen und das Rechtsbewusstsein und die Rechtstreue von Migrant:innen stärken.
Einen umfassenden und wirksamen Schutz gegen Kinderkriminalität forderte Klemens Kofler (FPÖ/NÖ) mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb. Dazu soll dem Freiheitlichen nach die Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre gesenkt werden. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sollen sich dabei an die Regelungen in Niederlanden, Ungarn, Irland, England, Wales, Nordirland, Griechenland und insbesondere an der Schweiz orientieren. Wer jetzt nicht reagiere, sei fahrlässig, meinte Kofler.
Für eine Entlastung der Justizwachebeamt:innen, eine sofortige Rücknahme der im Jänner 2024 gelockerten Sicherheitsanordnung, bei der die Fesselung der Hände hinter dem Rücken aufgehoben wurde, sowie für eine Neuordnung der Krankenhausbehandlung von Häftlingen trat Isabella Theuermann (FPÖ/K) ein. Der dafür eingebrachte Entschließungsantrag blieb in der Minderheit.
Es vergehe kaum eine Woche ohne Gewaltverbrechen mit ausländischen Täter:innen. Diese "importierte Gewalt" hätten die "Systemparteien" zu verantworten und sei eine Folge verfehlter Asylpolitik, kritisierte Michael Bernard (FPÖ/NÖ) und sprach sich für eine Abschiebung solcher Täter:innen aus.
Grüne: Im Justizministerium erfolgt überlegte und nachhaltige Arbeit
Die genannten Probleme seien nicht seit heute bekannt, hinterfragte Elisabeth Kittl (Grüne/W), warum die SPÖ ihr Maßnahmenpaket nicht in ihrer Regierungsverantwortung umgesetzt hat. Die aktuelle Bundesregierung habe mehr Geld für die Justiz beschlossen und neue Maßnahmen im Gewaltschutz wie Gewaltschutzambulanzen gesetzt. Der Begriff der "Baustelle" sei gut, denn die Bundesregierung arbeite permanent an einem guten und sicheren Österreich auf allen Ebenen. Innerhalb einer Gesetzgebungsperiode könnten aber nicht alle Versäumnisse reformiert werden. Im Justizministerium erfolge überlegte und nachhaltige Arbeit.
Die FPÖ-Anfrage an die Justizministerin strotze vor populistischer Sprache, demagogischer Argumentation und Neidargumenten. Der FPÖ nach gebe es nur "gute Österreicher:innen" und nur "schlechte Ausländer:innen", meinte Kittl. Asyl- und Menschenrechte seien entscheidend – und nicht die "Abschiebephantasien" der FPÖ. Es könne daher nicht in Länder abgeschoben werden, wo es Todesstrafe und schlechte Haftbedingungen gebe. Insgesamt werde aber international Zusammenarbeit angestrebt.
Zu der Senkung der Strafmündigkeit meinte Kittl, dass Wegsperren zwar eine einfache Lösung wäre, aber dies kein sinnvoller Weg für die angestrebte Resozialisierung sei. Man müsse mit den Täter:innen und deren Umfeld arbeiten. Die Kinder- und Jugendhilfe sei Sache der Länder und hier sollte die FPÖ in den von ihr mitregierten Bundesländern die nötige Verantwortung übernehmen.
NEOS: Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe zurück nehmen
Die Senkung des Strafalters sei ein Ablenkungsmanöver, kritisierte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Die Entschließung der SPÖ unterstütze er. Die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe habe die SPÖ ermöglicht und diese müsse rückgängig gemacht werden. Aktuell gebe es zwischen den Bundesländern große Unterschiede in den Leistungen. Konsequenzen für Strafunmündige wie Sozialtrainings seien bereits jetzt möglich. Verbesserungsbedarf sah Arlamovsky, wenn Eltern nicht helfen, dass sich das Verhalten ihrer Kinder ändert. Hier brauche es Konsequenzen. (Schluss Bundesrat) pst
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