Fall Leon: Verteidigung deckt Ermittlungspannen auf und kritisiert die Verletzung der Unschuldsvermutung. | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Fall Leon: Verteidigung deckt Ermittlungspannen auf und kritisiert die Verletzung der Unschuldsvermutung.

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Ende August 2022 ist der 6jährige Leon tot in der Kitzbüheler Ache aufgefunden worden. Im Februar 2023 wurde der Vater des Buben als dringend tatverdächtig festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Doch jetzt hat die Verteidigung einen Enthaftungsantrag gestellt – mit guten Gründen.

Denn die Rechtsanwälte Dr. Albert Heiss (Anwalt  des beschuldigten Vaters) und Mag. Mathias Kapferer (Anwalt der Mutter von Leon) listen eine ganze Reihe von Argumenten, Fakten und fragwürdigen Rückschlüssen der Ermittlungsbehörden auf.

Aus ihrer Sicht ist es bei den Ermittlungen und der Tatortarbeit zu Pannen und Fehlern gekommen. Das bestätigen jetzt auch in Auftrag gegebene Gutachten renommierter Sachverständiger, die nun vorliegen. Es wurden voreilige Schlüsse und Festlegungen im Hinblick auf eine mögliche Täterschaft des Vaters gezogen.

Die Fakten und die Kritik im Einzelnen (auszugsweise): 

1.) Mangelhafte Spurensicherung und Auswertung:
Die Auswertung der Spuren am Tatort ist grob mangelhaft geblieben und zum Teil gegen den Stand der Technik erfolgt. Beweismittel sind damit nicht mehr verwertbar.

So wurde nicht einmal die Hälfte der Scherben, die möglicherweise von der Flasche stammen, gesichert. Scherben wurden teilweise auch noch Tage nach dem Vorfall von Privatpersonen gefunden und bei der Polizei abgegeben. Videoaufnahmen belegen zudem, dass mehrere Tage nach dem Vorfall Scherben am Tatort von einem Mitarbeiter der Straßenreinigung entsorgt wurden (!). Die Flasche wird von der Polizei als Tatwerkzeug angesehen, mit der sich der Beschuldigte selbst verletzt hätte.  

2.) Verstoß gegen die Grundsätze der Objektivität:
Ermittlungsbeamte haben nachweislich und protokolliert vorgreifend eine Beweiswürdigung vorgenommen – was laut Strafprozessordnung unzulässig ist.

Beweismittel wie Videoaufnahmen wurden trotz entsprechender Möglichkeiten nicht sichergestellt. 

3.) Auswertung der Handydaten:
Bei der Auswertung der Handydaten des Beschuldigten haben die Beamten des Landeskriminalamtes eine Software verwendet, die erhebliche Fehler aufweist. So ist der Vorwurf der Polizei, dass die Schrittaufzeichnungen am Handy einen Beweis darstellen, nicht haltbar – was auch externe Sachverständigengutachten belegen. Ebensowenig haltbar ist die Behauptung, dass der Beschuldigte nach dem Begriff „Ohnmacht“ zur Vorbereitung eines vorgetäuschten Raubüberfalls gegoogelt hätte

Die aus der Handyauswertung dem Beschuldigten vorgeworfene akribische Vorgangsweise und Planung der Tat ist eben gerade nicht beweisbar“, stellt RA Dr. Albert Heiss fest. 

4.) Tatwerkzeug Glasflasche?
Aufgrund dieser fehlerhaften Beweissicherung ist eine Beurteilung, was das tatsächliche Tatwerkzeug war, nicht möglich, insbesondere nicht zur Glasflasche.

Im Gegensatz zu den Ausführungen der Polizei ist aus medizinischer Sicht eine Fremdverletzung wahrscheinlicher als eine Eigenverletzung.

Die DNA-Auswertungen von Glasscherben haben keine Hinweise auf eine Berührung dieser Scherben mit dem Beschuldigten gebracht. „Gutachten bestätigen, dass auch eine andere Tatwaffe (z.B. ein Schlagstock) möglich ist“, sagt RA Dr. Albert Heiss. Zudem wurden auf den Glasscherben DNA-Spuren einer unbekannten männlichen Person gefunden. 

5.) Wo ist das Motiv?
Die Annahme der Polizei, der Beschuldigte bzw. seine Familie seien in einer verzweifelten Situation gewesen, ist durch zahlreiche Zeugen, Videoaufnahmen, schriftliche Bestätigungen und nicht zuletzt durch ein Gutachten aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaften klar widerlegbar“, stellt RA Mag. Mathias Kapferer fest 

Folgende Fakten sprechen aus Sicht des Anwaltes dagegen:

Die Gesundheitssituation von Leon hatte sich deutlich gebessert. Videos zeigen, dass der Bub trotz Beeinträchtigung ein fröhliches und mobiles Kind war.

Es gab bereits Abklärungen zu Kindergarten- und späterem Schulbesuch.

Der Beschuldigte hat sich noch am Tag vor dem Überfall um die Verbesserung der Situation in der Küche der Wohnung der Familie gekümmert.

Außerdem belegen mehrere Videoaufnahmen in verschiedensten Situationen, dass zwischen Vater und Sohn ein ausgezeichnetes und betont liebevolles Verhältnis bestand.

Die Unterstellung, dass hier eine überforderte Familie bestand und es deshalb zur vorgeworfenen Tat gekommen wäre, entspricht keinesfalls der Realität“, betont RA Mag. Mathias Kapferer. 

Zusammenfassung:
Aus Sicht der Verteidigung ist der dringende Tatverdacht nicht haltbar.
Es gibt erhebliche Beweise für die Richtigkeit der Angaben des Beschuldigten.
Die Motivlage wurde von den Behörden völlig falsch eingeschätzt.

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