Volksbegehren "Lieferkettengesetz": Hearing im Wirtschaftsausschuss | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Volksbegehren „Lieferkettengesetz“: Hearing im Wirtschaftsausschuss

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Für die Sicherstellung einer lückenlosen Dokumentation von Lieferketten sowie die Einhaltung umfassender Rechtsstandards bei Warenproduktion und -transport setzen sich 120.397 Wahlberechtigte mit ihrer Unterschrift für das Volksbegehren "Lieferkettengesetz" ein (2077 d.B.). Der Wirtschaftsausschuss hielt heute dazu ein Hearing ab.

Gefordert wird seitens der Proponent:innen ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen und Konzerne dazu verpflichtet, bei ihren Waren sämtliche Produktionsprozesse und Transportwege offenzulegen. Importierte Produkte sollen laut den Forderungen den gleichen hohen Rechtsstandards hinsichtlich der Menschenrechte sowie des Arbeits-, Tier- und Umweltschutzes entsprechen wie in Österreich hergestellte Waren. Als Beispiel in diesem Zusammenhang führen die Proponent:innen das Lieferkettengesetz in Deutschland an. Verletzungen dieser Sorgfaltspflichten seien mit wirksamen Sanktionen zu ahnden.

Aus Sicht des Bevollmächtigten des Volksbegehrens Marcus Hohenecker sei nicht nachvollziehbar, dass das Thema schon lange der Umsetzung harre, zumal andere Länder in Europa schon viel weiter seien. Es gehe hier neben Menschenrechts- und Umweltstandards auch um Wettbewerbsvorteile für jene, die sich an die Standards halten. Ein Stellvertreter des Bevollmächtigten, Anatolij Volk, pochte darauf, die Demokratie zu stärken, indem man Volksbegehren grundsätzlich aufwerten und verbindlich machen sollte.

Justizministerin Alma Zadić erörterte, dass sich viele Unternehmen in Österreich freiwillig an die genannten Standards halten würden. Jene, die sich nicht daran halten, würden aber zu Wettbewerbsnachteilen für die anderen beitragen. Für faire Wettbewerbsbedingungen wären daher verpflichtende Standards wichtig, pflichtete Zadić dem Ansinnen grundsätzlich bei. Sie wies ähnlich wie Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, letztere in Vertretung von Wirtschaftsminister Martin Kocher, aber auf eine mittlerweile grundsätzliche Einigung auf europäischer Ebene zu einem EU-Lieferkettengesetz hin. Es gelte, das finale EU-Dokument abzuwarten und dann zu analysieren, sprach sie sich für eine einheitliche Vorgehensweise der Mitgliedstaaten aus. Auf nationaler Ebene habe es in Österreich bereits umfassende Arbeitsgruppen mit Stakeholdern gegeben, deren Ergebnisse auch in die diesbezügliche nationale Gesetzgebung einfließen werden, zeigte sich Zadić überzeugt. Kraus-Winkler zufolge müsse jedenfalls in der Umsetzung darauf geachtet werden, dass Verhältnismäßigkeit und Praktikabilität eines Lieferkettengesetzes gewahrt bleiben. Für Unternehmen müsse es auch Unterstützung geben, etwa seien hier im Hinblick auf Bürokratie digitale Möglichkeiten zu beleuchten.

Expertinnen zu EU-Lieferkettengesetz: Keine Frage des "Ob", sondern des "Wie"

Maria Theresa Lein aus dem Büro der Industriellenvereinigung in Brüssel erachtet es betreffend ein EU-Lieferkettengesetz für keine Frage des "Ob", sondern des "Wie" selbiges ausgestaltet sein wird. Es gebe derzeit in einigen Mitgliedstaaten Lieferkettengesetze, die unterschiedlich seien. Die Debatte über das Thema erachte sie als wichtig, zumal es sich um ein bedeutendes Projekt handle und aus ihrer Sicht nicht "Ideologien aufeinanderprallen" und "Maximalforderungen" gestellt werden sollten. Mit einem EU-Lieferkettengesetz sollten aus ihrer Sicht die angestrebten Ziele erreicht werden können, es müsse aber auch umsetzbar und anwendbar sein. Es gelte, auf diesem Weg alle mitzunehmen, da etwa die Sorgfaltspflichten auch alle Unternehmen betreffen würden, so Lein. Entscheidend sei aus ihrer Sicht jedenfalls, dass es einheitliche Regelungen im Binnenmarkt gibt.

Auch Bettina Rosenberger vom Netzwerk soziale Verantwortung hob hervor, dass das geplante EU-Lieferkettengesetz Unternehmen zur Implementierung von Sorgfaltspflichten anhalten werde. Das deutsche Lieferkettengesetz sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, könne aber etwa mangels zivilrechtlicher Haftung kein Vorbild darstellen. Wiewohl nach der nunmehrigen grundsätzlichen Einigung im Trilog noch Detailfragen zu klären seien, werde es sich aus ihrer Sicht bei der entsprechenden EU-Richtlinie um einen "Meilenstein" handeln. Die Implementierung in nationales Recht werde dazu führen, dass in Österreich den Betroffenen der Zugang zum Recht ermöglicht wird. Zentral sei dabei die Frage, welche Sanktionen den Unternehmen drohen, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen. Rosenberger sprach sich jedenfalls dafür aus, dass es zwischen den EU-Mitgliedstaaten nicht zu unterschiedlichen Regelungen kommen sollte. Etwa auf Fragen von Maria Theresia Niss (ÖVP) meinte sie, dass das deutsche Lieferkettengesetz kein Faktor dafür gewesen sei, dass sich Unternehmen zurückziehen.

Positionen der Abgeordneten zum Thema Lieferkettengesetz

Maria Theresia Niss (ÖVP) bezeichnete es als essentiell, mit dem EU-Lieferkettengesetz einen einheitlichen Rechtsrahmen zu bekommen. Sie sprach sich klar dagegen aus, dass einzelne Mitgliedstaaten den Rechtsrahmen unterschiedlich auslegen, zumal sich das nachteilig im globalen Wettbewerb auswirke. Bei der Frage des "Wie" gelte es aber, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Sie denke an die gesamte Wertschöpfungskette, aber etwa auch an die KMU, auf die eine "Lawine" an Bürokratie zukommen könne. Niss gab außerdem zu bedenken, dass es weder den Menschenrechten noch dem Umweltschutz helfe, wenn andere Länder von Regelungen profitieren.

Aus Sicht von Alois Schroll (SPÖ) ist in puncto Ausbeutung von Menschen und Natur vieles aus dem Ruder gelaufen. Er sei sich bewusst, dass ein Lieferkettengesetz einen großen organisatorischen und finanziellen Aufwand darstelle, aber die Kosten für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung liegen wesentlich höher, gab er zu bedenken. Auch Christoph Matznetter (SPÖ) unterstrich, man werde um einen entsprechenden Rechtsrahmen nicht umhin kommen. 

Axel Kassegger (FPÖ) wiederum sprach sich dafür aus, gegen einen etwaigen Beschluss des EU-Lieferkettengesetzes zu stimmen. Selbiges stelle einen Teil des "Bürokratiewahnsinns" auf europäischer Ebene dar und würde mit Eingriffen in die freie Wirtschaft dazu führen, dass die europäischen Unternehmen Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Wünsche an sich seien zwar legitim, die Politik müsse aber in der Realität ankommen, so Kassegger. Zu befürchten sei, dass am Ende Europa alleine dastehe, erachtet er in den Bestrebungen für ein EU-Lieferkettengesetz ein "Wunschkonzert" im Verhältnis zur Wirklichkeit.

Das EU-Lieferkettengesetz, das vor dem Abschluss stehe, sei wesentlich stärker als jenes in Deutschland, meinte Michel Reimon (Grüne) gegenüber den Proponent:innen des Volksbegehrens. Das EU-Gesetz gelte es jetzt so kurz vor Abschluss nicht zu schwächen. Das Volksbegehren sei daher aus seiner Sicht nicht zu unterstützen, da es sich beispielsweise auf das Lieferkettengesetz in Deutschland beziehe. Elisabeth Götze (Grüne) betonte auch aus ihrer Sicht, dass nationale Lösungen keinen Sinn machen würden. Sie erachte es als Wettbewerbsvorteil, wenn es eine einheitliche Regelung in ganz Europa gebe. Auch für kleine Unternehmen könne es von Vorteil sein, wenn für manche die Auslagerung weniger Vorteile bringe. Mit Niss teile sie die Bedenken, dass sich die Sorgfaltspflichten für manche Betriebe schwierig darstellen könnten.

Karin Doppelbauer (NEOS) wies darauf hin, dass in der international tätigen Industrie bereits viel passiere. Sie sprach sich für einen einheitlichen Rechtsrahmen in Europa und keine "Alleingänge" aus, meinte aber auch, dass man durch gute Freihandelsabkommen schon viele Standards hätte setzen können. Hier sei gesetzlich "nicht viel weitergegangen", ansonsten hätte man wohl einige Forderungen jetzt nicht auf dem Tisch liegen.

Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Hohenecker meinte in seinen Abschlussworten gegenüber Reimon, dass im Volksbegehren nur darauf hingewiesen werde, dass es in anderen Ländern bereits Lieferkettengesetze gebe – was besser sei als "gar keines". In Österreich werde hingegen nur auf die EU verwiesen bzw. lege man "die Hände in den Schoß". Aus seiner Sicht würden nationale Gesetze eine europäische Regelung nicht schwächen, sondern gegebenenfalls später an eine EU-Richtlinie angepasst werden. Nachdem andere Länder schon viel weiter seien, sei es für ihn ein Ausdruck des politischen Unwillens, wenn behauptet werde, auf eine EU-Richtlinie warten zu müssen. Er würde es jedenfalls begrüßen, wenn die Fraktionen weitere Schritte setzen würden. Volk wiederum bemängelte, dass Österreich keine liberale Demokratie mehr darstelle. Aus seiner Sicht sei es "demokratieschädlich", dass Volksbegehren nach der Behandlung im Plenum ad acta gelegt würden.

Ein Bericht über die Beratungen zum Volksbegehren wird dem Nationalrat zur weiteren Behandlung vorgelegt.

Das Hearing wurde via Livestream übertragen und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) mbu


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