Engagement für baukulturelles Erbe Wiens: 23 Sanierungen durch Wiener Altstadterhaltungsfonds gefördert
Flanieren ist wieder en vogue: Zu den positiven Dingen, die die Pandemie gebracht hat, gehört die wiederentdeckte Passion vieler Menschen für Stadtspaziergänge im Zentrum oder für ausgedehnte Streifzüge durch die Peripherie und weniger bekannte Ecken Wiens. Die historische Bausubstanz und das architektonische Erbe dieser Stadt fasziniert – Wiener*innen und touristische Gäste gleichermaßen.
Die Bewahrung dessen, was zum unverwechselbaren Stadtbild beiträgt, ob nun Kirchen, Palais, Wohnhäuser, Geschäftsportale oder Kunst am Bau, hat sich der Wiener Altstadterhaltungsfonds (WAEF) zur Aufgabe gemacht. In seiner Beiratssitzung im Dezember wurden daher vom Beirat des Altstadterhaltungsfonds Förderungen in der Höhe von rund 2,33 Millionen Euro für Restaurierungsmaßnahmen an 23 Bauobjekten beschlossen.
„Das baukulturelle Erbe von Wien ist einzigartig in seiner über zahlreiche Epochen reichenden Vielfalt und erzählt uns viel über die Geschichte dieser Stadt. Zu sehen, mit welcher Sorgfalt, Leidenschaft und Expertise diese Bauten und Orte der Erinnerung durch unterschiedlichste Bauherr*innen saniert werden, um diese wertvollen Zeugnisse für die Nachwelt zu erhalten, ist begeisternd,“ erklärt Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Es freut mich, dass die Stadt Wien mit dem seit mehr als 50 Jahren bestehenden Altstadterhaltungsfonds ihre Verantwortung wahrnehmen kann und mit der Förderung zahlreicher Projekte viel Positives zum Schutz des Stadtbildes bewirken kann.“
Seit seiner Gründung 1972 konnte mit Hilfe des WAEF die Restaurierung von insgesamt 4.664 Objekten mit einer Gesamtsumme von rund 252 Mio. Euro unterstützt werden. Ein wesentliches Kriterium bei der Zuerkennung von Subventionen für denkmalpflegerische Mehrleistungen im Rahmen einer Restaurierung ist die Sichtbarkeit im Stadtbild oder die öffentliche Zugänglichkeit des Objekts.
Purzelnde Betonkuben: Ein Kunst am Bau-Projekt von Roland Goeschl
Aus der Reihe der 2023 geförderten Objekte, die dem Bereich des Profanbaus zuzuordnen sind, sind drei Projekte mit ganz unterschiedlichem Fördervolumen besonders hervorzuheben. Eines davon ist das Kunst am Bau-Projekt des 2016 verstorbenen Künstlers der österreichischen Avantgarde nach 1945, Roland Goeschl. Für den Innenhof des internationalen Studentenheims in der Döblinger Gymnasiumstraße realisierte er zwischen 1969 und 1971 den „Aktivplatz“. Die wie in den Hof gepurzelten und das Publikum zur Aktivität auffordernden geometrischen Betonkörper sind in den für Goeschl so typischen Primärfarben Rot, Gelb und Blau gehalten. Einerseits ist „Aktivplatz“ eine der wenigen Wiener Arbeiten im öffentlichen Raum des Wotruba-Schülers, andererseits ist die Arbeit beispielgebend für die konsequenten Raum- und Farbkonzepte des Künstlers, der in den 1970er-Jahren durch die legendären Werbespots für und mit der Firma Humanic einem Millionenpublikum bekannt wurde. Für die Instandsetzung des Kunstwerks wurde die Summe von 7.000 Euro bewilligt.
Wien der Jahrhundertwende: Schleusengebäude Brigittenauer Sporn und Gaswerk Leopoldau
Die Regulierung des Donaukanals und die Energieversorgung der Stadt waren im Wien der Jahrhundertwende zwei wesentliche Themen städtischer Verwaltung und Planung. Damit verknüpft sind zwei Sanierungsprojekte, die heuer durch den Altstadterhaltungsfonds gefördert wurden: Das Schleusengebäude an der Wehr- und Schleusenanlage Nußdorf von Architekt und Stadtplaner Otto Wagner (rund 120.000 Euro) und das ehemalige Gaswerk Leopoldau in Floridsdorf (rund 331.000 Euro).
Die architektonische Gestaltung der Donaukanalregulierung erfolgte ab 1896 durch Otto Wagner, der auch das 1899 erbaute Schleusengebäude am Brigittenauer Sporn entwarf. Die Anlage an der Abzweigung des Donaukanals von der Donau fällt insbesondere wegen seiner zwei großen, flankierenden Löwenfiguren ins Auge, denn Wagner hat Wehr und Schleuse aufgrund ihrer Lage vor dem Stadtzentrum wie eine repräsentative Toranlage geplant. Das Schleusengebäude selbst, unverkennbar im Formenrepertoire der Wagnerschen Stadtbahn-Pavillons, ist insbesondere durch die Aussichtskanzel (Laterne) am Dach charakterisiert, die einst der Überwachung der Wehranlage diente und im Zuge der Sanierung wieder ihre originale Fassung erhielt. Seit Sommer 2017 wird das Jugendstilgebäude von der Abteilung Wiener Gewässer (MA 45) genutzt.
Der große in den 1890er-Jahren errichtete Gebäudekomplex des ehemaligen Gaswerks Leopoldau mit Verwaltungs-, Wohn- und Lagergebäuden ist ein Denkmal der Wiener Industriegeschichte. Zum denkmalgeschützten Ensemble an der Marischkapromenade in Floridsdorf gehören das sogenannte Wohlfahrtsgebäude des Gaswerks in dem u. a. Kantine und Waschräume untergebracht waren, das Waag- und Torwächterhaus, das Gasmesserhaus und die ehemaligen Werkstättengebäude und Garagen. Eingereicht für die Förderung waren 2023 das Verwaltungsgebäude, die Werkstätte und die Schlosserei. Die ein- bis zweigeschossigen Gebäude entsprechen dem zeittypischen Mischstil der späten Monarchie, der architektonische Formen aus Sezessionismus, Klassizismus und Historismus vermengte.
Sakralbauten: Von Maria am Gestade bis zur Pfarrkirche Liesing
Zehn der insgesamt 23 Förderzusagen dieses Jahres sind dem Bereich der Sakralbauten zuzurechnen. So erhält etwa der Stephansdom, dessen Außenfassade aufgrund von Umwelteinflüssen laufend restauriert und konserviert werden muss, eine Jahresförderung von rund 58.000 Euro. Zu den außergewöhnlichen Restaurierungsobjekten zählen 2023 etwa die steinerne Baldachinhaube aus dem 15. Jahrhundert (um 1430) der Kirche Maria am Gestade im ersten Bezirk, deren Statik durch die leichte Eisenkonstruktion architektonisch bemerkenswert ist.
Restaurierungsarbeiten fanden auch an zwei barocken Kirchen statt: an der Klosterkirche der Barmherzigen Brüder (ab 1622) in der Taborstraße in Wien Leopoldstadt sowie an der Pfarrkirche St. Ulrich in Neubau (1721-1724), von der letztere aufgrund der Hanglage mit einer auffallenden Freitreppe ausgeführt wurde. Gefördert wurden die Sanierungen der im Biedermeier für das Freihaus auf der Wieden errichteten und im 20. Jahrhundert auf den Naschmarkt transferierten Johannes-Nepomuk-Kapelle sowie der dem Historismus zuzurechnenden Canisiuskirche mit neogotischen und neoromanischen Stilelementen am Alsergrund. Die jüngste Sakralarchitektur, deren Instandsetzung 2023 durch den Altstadterhaltungsfonds gefördert wurde, ist der imposante ovale Zentralkuppelbau mit Fensterfries der Pfarrkirche Liesing aus den 1950er-Jahren.
Votivkirche: Prachtvolles Finale eines Langzeit-Sanierungsprojekts
2023 war insbesondere für die Votivkirche ein besonderes Jahr: Nicht allein, weil der 99 Meter hohe Dom im Stil der französischen Kathedralgotik im Sommer erstmals nach 30 Jahren ohne ein Baugerüst zu bewundern war, sondern auch wegen des Finales der umfassenden Sanierungen, die vor rund einem Vierteljahrhundert ihren Anfang genommen haben. Die Stadt Wien nahm die Verantwortung für den Erhalt dieses kunst- und kulturhistorisch wertvollen Bauwerks stets wahr und hat das Sanierungsprojekt seit dem Jahr 2000 mit insgesamt rund 5,8 Millionen Euro unterstützt (2023: rund 462.000 Euro).
International zählt die zwischen 1856 und 1879 nach Plänen von Heinrich von Ferstel errichtete Votivkirche zu den bedeutendsten neogotischen Sakralbauten und war – zu Beginn der sogenannten Ringstraßenära – stilbildend für die Architektur des Wiener Historismus.
Die Restaurierungsmaßnahmen an der Fassade aus St. Margarethener Kalksandstein, dessen Muscheleinschlüsse an einigen Stellen des Baus sichtbar sind, waren besonders aufwändig: Stickstoff- und Schwefelverbindungen hatten über viele Jahre hinweg in Verbindung mit Feuchtigkeit eine schwarze Kruste an der Oberfläche des Gesteins gebildet, die nun sorgfältig entfernt werden konnte.
Von Anfang an begleitet wurde das umfassende Unterfangen vom jüngst pensionierten Baudirektor der Erzdiözese Wien, Architekt Harald Gnilsen. Zu den kniffligsten Aufgaben, berichtet er, zählte die Arbeit am Vierungsturm, denn das Baugerüst musste dafür – weil es direkt am Dach steht – besonders leicht sein. Der luftige Ort ist zugleich auch der Lieblingsplatz des ehemaligen Baudirektors, denn die beiden Fassadentürme bilden aus dieser Perspektive die perfekte Rahmung für den Blick auf den Stephansdom. Auch der Seelsorger der Kirche, Pfarrer Joe Farrugia, der mit kreativem Marketinggeschick zusätzliche Finanzmittel für die Renovierung aufstellen konnte, ist untrennbar mit der Geschichte der Sanierung verknüpft. Beiden wurde an der Votivkirche ein kleines Denkmal gesetzt, tragen doch zwei Wasserspeier an der nördlichen Außenfassade eindeutig die Gesichtszüge der beiden Männer.
Hintergrund: Der Wiener Altstadterhaltungsfonds (WAEF)
Der Wiener Altstadterhaltungsfonds (WAEF) wurde 1972 infolge der sogenannten „Altstadterhaltungsnovelle“ als Förderinstrument ins Leben gerufen und leistet seitdem einen maßgeblichen Beitrag dazu, die historisch vielfältige Stadtlandschaft Wiens langfristig zu erhalten. Er unterstützt auf Antrag der Eigentümer*innen die Restaurierung und Konservierung historischer Bauten mit dem Ziel, das Stadtbild zu erhalten und so über das „Gesicht der Stadt“ den Zugang zur „Geschichte der Stadt“ zu ermöglichen. So werden neben großen Kirchenbauten und stattlichen Palais auch bürgerliche Wohnbauten aus verschiedensten Epochen, Zinshäuser der gründerzeitlichen Rasterviertel, Architektur der Moderne und auch die Kunst am Bau mit Unterstützung des Fonds restauriert und instandgesetzt.
Über die Zuerkennung von Förderungen aus dem Wiener Altstadterhaltungsfonds entscheidet der Beirat des Wiener Altstadterhaltungsfonds, dessen Vorsitzende die amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft ist. Der Beirat setzt sich aus Vertreter*innen des Wiener Gemeinderates zusammen, verstärkt durch Fachleute aus dem Bundesdenkmalamt, der Universitäten und des Magistrats.
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