„kulturMontag“: 250 Jahre Caspar David Friedrich, Christian Thielemann im Interview, Wim Wenders’ „Perfect Days“
Wien (OTS) – Der von Clarissa Stadler präsentierte „kulturMontag“ am 18. Dezember 2023 widmet sich dem Werk des frühromantischen deutschen Malers Caspar David Friedrich, das anlässlich dessen 250. Geburtstags u. a. mit einer Schau der Hamburger Kunsthalle groß gewürdigt wird. Passend zum bevorstehenden Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker (ORF 2 überträgt am 1. Jänner live ab 11.15 Uhr) spricht Peter Schneeberger mit dem zum Teil umstrittenen deutschen Stardirigenten und zukünftigen Musikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Christian Thielemann. Thema der Sendung ist u. a. auch der neue Film „Perfect Days“ von Wim Wenders – eine umjubelte Hommage an Japan und seine (Alltags-)Kultur, die demnächst ins Kino kommt. Anschließend steht die neue Dokumentation „Vertrieben 1938 – Erinnerungen an das Volksopernensemble“ (23.30 Uhr) auf dem Programm.
Ein Sonderling der Romantik – 250. Geburtstag Caspar David Friedrich
Der Maler, Zeichner und Grafiker Caspar David Friedrich (1774–1840) war ein sonderbarer Kauz und genialer Künstler, ein Melancholiker und der Inbegriff der deutschen Romantik. Von den „Kreidefelsen auf Rügen“ bis zum „Watzmann“ bei Berchtesgaden hat der stille Mann aus Vorpommern unterschiedlichste Winkel Deutschlands in Szene gesetzt. Er liebte das geheimnisvolle Zwielicht, malte immer wieder Wolken, Nacht oder Dämmerung, und komponierte Bilder, wie man sie nie zuvor gesehen hatte – mit mystischen Naturdarstellungen, die zu Ikonen einer ganzen Epoche wurden. Caspar David Friedrich hatte viele Fans:
von Heinrich von Kleist über Friedrich Wilhelm von Preußen bis zu Adolf Hitler, Walt Disney und Friedrich Wilhelm Murnau. Friedrichs Zeitgenosse Johann Wolfgang von Goethe allerdings konnte nichts mit seinem Werk anfangen, zu düster, zu depressiv, zu religiös-patriotisch waren ihm diese Bilder und er war erstaunlicherweise damit nicht allein. Schon gegen Ende seines Lebens war Caspar David Friedrich so gut wie vergessen, seine Gemälde verschwanden in den Depots der Museen, in Rumpelkammern, Privatwohnungen oder Schlössern. Zu Lebzeiten musste er jeden Kreuzer umdrehen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde seine Kunst jedoch wiederentdeckt und Friedrich als herausragender Maler von Licht und Atmosphäre sowie als Vorreiter der Moderne gefeiert. Schon jetzt geht der große Rummel anlässlich des 250. Geburtstag des Sehnsuchtsmalers 2024 in ganz Deutschland los. Den Start macht die Hamburger Kunsthalle mit der Jubiläumsausstellung „Kunst für eine neue Zeit“ – die bisher umfangreichste Schau von Friedrichs Werken seit vielen Jahren.
Ein Mann mit Ecken und Kanten – Dirigent Christian Thielemann im Gespräch
Er gilt als strenger Handwerker und minutiös arbeitender Spezialist für das große Repertoire, als Präzisionsfanatiker und Schwergewicht in der Klassikbranche, das sich nicht so einfach von der leichten Muse küssen lässt. Der Deutsche Christian Thielemann ist der einzige lebende Dirigent, der alle im Kanon von Bayreuth aufgeführten Werke Richard Wagners dirigiert hat und wird nach längerer Pause 2025 auch wieder mit „Lohengrin“ auf den Grünen Hügel zurückkehren. Unbestritten sind seine herausragenden künstlerischen Qualitäten. Und doch ist der heute 64-jährige Berliner nicht unbedingt ein Meister der Harmonie, verkrachte er sich als damaliger Bayreuther Musikdirektor etwa mit Festspiel-Intendantin Katharina Wagner über die Frage, ob in den heiligen Hallen, in denen einst Adolf Hitler ein und aus ging, das Wort „Führer“ in „Lohengrin“ erklingen darf. Immer wieder werden Vorwürfe laut, Thielemann habe eine antisemitische Haltung. Zuletzt als er als Nachfolger von Daniel Barenboim für die Funktion des Musikdirektors der Staatsoper Unter den Linden ab der Saison 2024/2025 berufen wurde. Das Etikett „deutschtümelnd“ will sich der konservative Künstler dennoch nicht anheften lassen. Ein Dirigent mit starkem Ego und eigenem Kopf: Die Osterfestspiele Salzburg zogen einen Schlussstrich unter die Zusammenarbeit mit ihm und der Dresdner Staatskapelle, deren Chefdirigent er ist, die Berliner Philharmoniker entschieden sich gegen Thielemann und für Kirill Petrenko als neuen Chef, auch sein Engagement bei den Münchner Philharmonikern endete abrupt. Seiner alten Liebe zu den Wiener Philharmonikern bleibt er allerdings treu. Christian Thielemann wird 2024 zum zweiten Mal das renommierte Neujahrskonzert leiten. Über Lampenfieber vor einem Millionenpublikum, die Walzerglückseligkeit von Johann Strauß in Zeiten von Krieg und Krisen, die Sorge vor Klimaklebern beim Konzert, die Zukunft der Klassikmusikindustrie und seine ganz persönliche neue Harmonie spricht der Maestro mit Peter Schneeberger.
Kloputzen als Alltagskultur – Umjubelte „Perfect Days“ von Wim Wenders im Kino
Pulsierend, laut und schrill oder kontemplativ, meditativ und spirituell: Tokio, 37-Millionen-Metropole und damit größte Stadt der Welt, ist ein Ort der Kontraste und vielen Gesichter. Hier trifft Hightech und moderner Lifestyle auf Jahrtausende alte Tradition. In diesen bewegten, aber wenig chaotischen Schauplatz zwischen Kirschblüten und Kaiserpalast, Geisha-Tradition und Manga-Hype, Shintō-Schreinen und Hochhausschluchten hat sich der deutsche Regisseur Wim Wenders schon Mitte der 1980er Jahre verliebt. Die Begeisterung für die Filme des japanischen Kult-Regisseurs Yasujirō Ozu hat den deutschen Filmemacher schon früh in das Land der aufgehenden Sonne geführt. Aus dieser Reise auf den Spuren von Ozus Arbeiten entstand die Dokumentation „Tokyo-Ga“, die Wenders selbst als eine Art filmisches Tagebuch bezeichnet – oder, in Anlehnung an den berühmtesten Film Ozus, als seine „Reise nach Tokio“. Diesem fernöstlichen Meister setzt der 78-jährige Deutsche jetzt auch in seinem neuen Spielfilm ein Denkmal. „Perfect Days“ ist ein bereits bei seiner Cannes-Premiere umjubeltes poetisches Porträt eines Mannes, das aus dem Kleinsten das Größte erzählt und am 22. Dezember in den heimischen Kinos startet. Für das kleine Filmjuwel über einen Toilettenreiniger in Tokio wurde Hauptdarsteller Kōji Yakusho in Cannes gar als bester Darsteller ausgezeichnet und „Perfect Days“ geht im kommenden Jahr für Japan ins Rennen um den Oscar für den besten internationalen Film.
Neue Dokumentation „Vertrieben 1938 – Erinnerungen an das Volksopernensemble“ (23.30 Uhr)
Am 14. Dezember 2023 feiert die Volksoper Wien ihren 125. Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums wird mit der Uraufführung von „Lass uns die Welt vergessen – Volksoper 1938“ all jenen Mitgliedern des Hauses gedacht, die vom NS-Regime verjagt, verfolgt oder ermordet wurden. Denn bereits in den ersten Monaten des Jahres 1938 drang das politische Geschehen in die Volksoper ein, und zwar während der Proben zur Operette „Gruß und Kuss aus der Wachau“ von Jara Beneš. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 brachte für die Volksoper und deren Mitglieder gravierende Veränderungen mit sich: Entlassungen auf allen Ebenen des Hauses folgten. Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln verfolgt wurden, mussten ihre Karrieren in Wien beenden und das Land verlassen. Aber nicht allen gelang die Flucht.
Die neue Volksopern-Produktion „Lass uns die Welt vergessen – Volksoper 1938“ des niederländischen Film- und Theaterregisseurs Theu Boermans ermöglicht einen Blick in den Spiegel der Vergangenheit und eine Konfrontation mit einem schmerzhaften Zeitabschnitt in der Geschichte des Hauses. Der fröhlich-leichten Operetten-Musik von Jara Beneš wird die teils neukomponierte Musik von Komponistin und Dirigentin Keren Kagarlitsky gegenübergestellt.
Anlässlich der Uraufführung von „Lass uns die Welt vergessen“ widmet sich die produktionsbegleitende Dokumentation von Adriana Thunhart der dunklen zeitgeschichtlichen Periode der Volksoper und lässt – eingebettet in zahlreiche Probenausschnitte – u. a. die Buchautorin Marie Therese Arnbom, die Direktorin der Volksoper Lotte de Beer und wichtige Protagonisten auf und hinter der Bühne zu Wort kommen.
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