Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft darf gegen Nationalratspräsident Sobotka ermitteln
Der Nationalrat hat heute Abend zum Abschluss der Plenarwoche grünes Licht für Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gegeben. Die Abgeordneten stellten auf Empfehlung des Immunitätsausschusses einhellig fest, dass kein Zusammenhang zwischen den im Raum stehenden Vorwürfen und der politischen Tätigkeit Sobotkas als Abgeordneter und Präsident des Nationalrats besteht. Konkret geht es um den Verdacht einer Tatbeteiligung bzw. Anstiftung zum Amtsmissbrauch, und zwar in Zusammenhang mit einer Steuerprüfung bei der Erwin-Pröll-Stiftung, wie öffentlich berichtet wurde.
Die Opposition nutzte die Debatte dazu, um Sobotka erneut einen Rücktritt von seinem Amt als Nationalratspräsident nahezulegen. Sobotka schade dem Hohen Haus, zeigte sich unter anderem SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried überzeugt. Dieser sei nicht nur der erste Nationalratspräsident, gegen den ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch geführt werde, er habe auch historisch niedrige Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Zudem sieht Leichtfried Sobotka "als zentralen Bestandteil der Kurz-Clique". Sobotka sei in der Clique "fürs Grobe" zuständig gewesen und dafür mit dem Amt des Nationalratspräsidenten "belohnt" worden. Es sei "Gift für die Demokratie", wenn reiche Menschen Politik eher beeinflussen können, als jene, die zur Wahl gehen, wiederholte Leichtfried eine frühere Aussage. Die "Kurz-Clique" hätte dem Land aber genau das ständig vermittelt: dass es besser sei, reich zu sein, als zur Wahl zu gehen.
Dieses Bild griff FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl auf. Es sei tatsächlich Gift für die Demokratie, wenn man den Eindruck habe, dass nicht alle Staatsbürger:innen gleich sind, sondern manche gleicher, führte er aus. Auch ist die Liste der Verfehlungen Sobotkas seiner Ansicht nach lang. Das belaste das Parlament als Ganzes. Wenn Anklage gegen ihn erhoben werde, müsse Sobotka zurücktreten, forderte er. Kritik übte Schrangl außerdem am Schweigen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und an der Zurückhaltung der Grünen. Letzteren seien offenbar "die Futtertröge der Macht" wichtiger. Sowohl Schrangl als auch Leichtfried äußerten außerdem Befremden darüber, dass Sobotka die Sitzung, in dem über seine Auslieferung entschieden wird, selbst leitete.
Froh über die Anwesenheit Sobotkas zeigte sich hingegen Nikolaus Scherak (NEOS). Das gebe ihm die Gelegenheit, sich direkt an den Präsidenten zu wenden, meinte er. Dieser unterliege nämlich einem Irrtum, wenn er glaube, dass sich ein Abgeordneter seine Auslieferung selbst wünschen könne. Die parlamentarische Immunität schütze nämlich nicht eine Person, sondern das Parlament als Vertretungskörper. In diesem Sinn obliege es allein dem Immunitätsausschuss festzustellen, ob ein Zusammenhang zwischen den im Raum stehenden Vorwürfen und der Abgeordnetentätigkeit gegeben sei und damit die Voraussetzungen für eine Auslieferung vorliegen. Grundsätzlich hielt Scherak fest, Sobotka füge dem Amt des Nationalratspräsidenten schweren Schaden zu. Er appellierte an ihn, einmal "ganz in sich zu gehen" und zu überlegen, ob es nicht besser wäre, Schaden vom Amt abzuwenden.
Seitens der Grünen sprach sich Agnes Sirkka Prammer einmal mehr dagegen aus, eine Abwahl der Nationalratspräsident:innen zu ermöglichen. Die Geschichte zeige, dass es wichtig sei, dieses Amt zu schützen, sagte sie. Genauso wichtig sei es aber, dass das Amt mit einer besonderen Sorgfalt und Verantwortung ausgeübt werde. Dazu gehöre auch, zu erkennen, wann das Amt nicht mehr mit einer Person vereinbar sei. Prammer zufolge, obliegt diese Bewertung aber nicht den Abgeordneten, letztendlich werde die Geschichte über die Amtsführung urteilen.
Den öffentlich geäußerten Wunsch von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nach einer raschen Aufklärung des Sachverhalts bekräftigte Abgeordneter Friedrich Ofenauer namens der ÖVP. Mittelfristig sieht er die Notwendigkeit, sich zu überlegen, ob man die außerberufliche Immunität nicht anders ausgestalten soll.
Nationalratspräsident Sobotka nutzte die letzte Sitzung im heurigen Jahr dazu, um sich bei seinen beiden Amtskolleg:innen, den Klubs, den Abgeordneten und den Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion zu bedanken. Die Mitarbeiter:innen hätten hervorragende Arbeit geleistet, sagte er. Das erste Jahr im sanierten Gebäude habe dem Parlament viele Besucher:innen gebracht, das neue Hohe Haus sei von der Bevölkerung "mit großem Enthusiasmus" angenommen worden.
Vor der Debatte hatte der Nationalrat noch über die Berichte des Geschäftsordnungsausschusses über die Einsetzung zweier Untersuchungsausschüsse diskutiert. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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