Gedenken im Wohnzimmer: Zeitzeugin Hella Pick erzählte im Parlament aus ihrem Leben | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Gedenken im Wohnzimmer: Zeitzeugin Hella Pick erzählte im Parlament aus ihrem Leben

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"Zikaron BaSalon" ist Hebräisch für "Gedenken im Wohnzimmer" und Titel eines speziellen Veranstaltungsformats für Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden, die ihre Geschichte als Zeitzeug:innen teilen. Ein wichtiges Element ist dabei, dass die Teilnehmer:innen ihre Gedanken austauschen und offene Diskussionen führen können. Heute Abend berichtete die Journalistin Hella Pick von ihren persönlichen Erfahrungen als eine Überlebende, die Wien 1939 mit einem der so genannten "Kindertransporte" verlassen konnte. Veranstaltungsort war das "Reflektorium" im Parlamentsgebäude, da es die informelle und intime Atmosphäre bietet, die ein wichtiger Teil des Konzepts von "Zikaron BaSalon" ist. Die Initiative wurde 2023 mit dem Simon Wiesenthal-Preis des Parlaments ausgezeichnet.

"Es ist für mich eine besondere Ehre, eine inspirierende Persönlichkeit und Zeitzeugin wie Hella Pick, die durch einen Kindertransport vor 85 Jahren die Shoah überlebt hat, zu einer Zikaron-BaSalon-Begegnung im Parlament begrüßen zu dürfen", sagte Nationalratspräsident Sobotka im Vorfeld der Veranstaltung. "Ihre persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen haben uns ein noch tieferes und emotionaleres Verständnis für die schrecklichen Ereignisse gegeben, die sich damals ereigneten. Solche Begegnungen sind gerade in Zeiten bedeutsam, in denen der Antisemitismus auf schreckliche Weise weltweit wieder aufflammt und es immer weniger Zeitzeug:innen gibt."

In Vertretung von Nationalratspräsident Sobotka begrüßte Bundesratspräsidentin Claudia Arpa die Gäste der Veranstaltung und insbesondere Hella Pick. Sie freue sich, in ihr eine Persönlichkeit mit bemerkenswerter Biographie im persönlichen Gespräch erleben zu dürfen. Pick sei es gelungen, als Frau in einem männlich geprägten Berufsfeld erfolgreich zu sein, und sie sei damit ein wichtiges Vorbild. Der Abend sei aber besonders ihr als Zeitzeugin gewidmet und der Mahnung "Niemals wieder!"

Die schrecklichen Ereignisse in Israel am 7. Oktober dieses Jahres hätten auch das Holocaust-Gedenken grundlegend verändert, hielt Sharon Buenos, Global Director der Initiative "Zikaron BaSalon", in ihrer Begrüßung fest. Auch die Gedenkinitiative sei vor der Frage gestanden, wie es weitergehen solle. In vielen Diskussionen sei aber die Überzeugung gereift, dass es wichtiger denn je sei, die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten und das Gespräch mit den Überlebenden zu suchen, so lange das noch möglich sei.

Hella Pick: "Die Demokratie ist in Gefahr"

Hella Pick wurde 1929 in Wien geboren und wuchs bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf. Im Reflektorium erzählte sie, dass sie sich noch sehr gut daran erinnere, dass ihre Mutter zweimal von der Gestapo abgeholt worden und zweimal zurückgekommen sei. "Nach dem zweiten Mal entschied sie, mich wegzuschicken". Im März 1939 sei es der Mutter gelungen, Hella mit einem der Kindertransporte nach England zu schicken und ihr drei Monate später zu folgen. Die Großmutter mütterlicherseits habe zu diesem Zeitpunkt in Prag gelebt und zwar noch ein Visum erhalten, aufgrund des Kriegsbeginns aber die Flucht nicht mehr geschafft. Aufgrund glücklicher Zufälle verlebte sie ihre Schulzeit im malerischen Lake District, fern der Bombardierungen.

Pick berichtete auch, dass sie nach einigen Jahren in der Marktforschung ein neues Betätigungsfeld suchte und es als Journalistin für das Magazin "West Africa" fand. Als Auslandkorrespondentin der britischen Tageszeitung The Guardian kam sie in weiterer Folge in Kontakt mit zahlreichen Persönlichkeiten des politischen Lebens. Diese Tätigkeit brachte sie auch wieder in ihre Heimatstadt Wien. Die vertiefte Auseinandersetzung mit ihrer jüdischen Herkunft und Identität habe begonnen, als sie im Auftrag von George Weidenfeld Interviews mit Simon Wiesenthal führte, um dessen Biographie zu verfassen.

"Ich habe immer in die Zukunft geblickt", sagte Hella Pick im Gespräch mit den Teilnehmer:innen des Abends. Das unterscheide sie vielleicht von anderen Überlebenden, die von der Vergangenheit nicht loskommen würden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen falle es aber auch ihr schwer, optimistisch zu bleiben, denn die Zukunft sei ungewisser denn je. Die Demokratie sei vielerorts deutlich in Gefahr. Das Problem sei, dass "niemand eine gute Idee hat, wie man das ändern kann", meinte Pick. Sie erlebe auch, wie sehr ihr Beruf, der Journalismus, sich verändert habe. Wenn sie der Jugend einen Rat geben könne, dann den, sich nicht zu viel auf Social Media zu verlassen, sondern immer Fragen zu stellen und zu versuchen, sich besser und tiefer zu informieren. (Schluss) sox

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.


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