TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom Samstag, 25. November 2023, von Carmen Baumgartner-Pötz: „Wie du mir, so ich dir“
Ein Wahljahr mit zwei Untersuchungsausschüssen verheißt eine komprimierte politische Schlammschlacht. Dem Parlamentarismus wird damit ein Bärendienst erwiesen, entgegen allen frommen Beteuerungen.
Andreas Hanger ist wenigstens ehrlich, was die Motive der ÖVP betrifft: Der von seiner Partei beantragte Untersuchungsausschuss – aus dem Arbeitstitel „rot-blauer Sumpf“ wurde ebensolcher Machtmissbrauch – ist die Antwort auf jenen von SPÖ und FPÖ, weil man sich endlich wehren müsse gegen eine seit Jahren laufende Anti-Volkspartei-Kampagne, erklärte er vor JournalistInnen. Wie du mir, so ich dir. Es wird also in den letzten Monaten dieser Legislaturperiode im Parlament höchst alttestamentarisch-brutal zugehen.
Rot-Blau, sonst sehr bemüht darum, nicht aneinander anzustreifen, nehmen sich die „Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“ vor und setzen damit fort, was sie im Ibiza-U-Ausschuss begonnen haben. Theoretisch ginge sich sogar noch ein dritter paralleler Untersuchungsausschuss aus! Man sollte es nicht verschreien.
„Gewohnt sachlich, ruhig und (f)aktenorientiert“ werde der U-Ausschuss ablaufen, verspricht der erfahrene SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer und schafft es, dabei nicht belustigt zu zucken. Anders sein FPÖ-Gegenüber Christian Hafenecker: Der spricht konsequent vom ÖVP-„Schlumpf“-Ausschuss. Das reimt sich auf Sumpf und wie man weiß, ist Papa Schlumpf rot-blau angezogen … Es ist schon eine große Hetz, die da auf uns zukommt! Sei’s drum, ein Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle, so zumindest die Theorie. In der österreichischen Praxis durfte man sich in der Vergangenheit freilich davon überzeugen, dass der demokratiepolitische Lohn mit harten Bandagen erkämpft werden muss: Zu spät gelieferte oder bis zur Unbrauchbarkeit geschwärzte Aktenberge, inklusive Exekution durch den Bundespräsidenten. Prominente Zeugen, die entweder gar nicht erst kommen oder über schwere Erinnerungslücken verfügen. Wobei die Konsequenzen bei Falschaussage – im U-Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht – weitreichend sein können: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli stehen deshalb gerade vor Gericht (für sie gilt die Unschuldsvermutung).
Wenn man etwas Gutes an dem bevorstehenden Showdown im Hohen Haus ausmachen will, dann, dass dieser relativ schnell vorbei sein wird. Bei einem Wahltermin im Herbst 2024 und unter Einhaltung der Fristenläufe geht es um ein paar Wochen (auf Termine müssen sich die Fraktionen erst einigen) von April bis Juni. Ob der Erkenntnisgewinn bei der Wahlentscheidung hilfreich sein wird, und wenn ja, für welche Partei, das steht in den Sternen.
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