Verfassungsausschuss beschließt einheitliche Regeln zu Aberkennung von Ehrenzeichen
Schon seit längerem wird in Österreich darüber geklagt, dass die Aberkennung verliehener Ehrenzeichen nicht oder nur schwer möglich ist. Das soll sich nun ändern. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute mit breiter Mehrheit grünes Licht für ein neues Ehrenzeichengesetz gegeben, das auch die ausdrückliche Aberkennung einer Auszeichnung nach dem Tod des Geehrten ermöglicht. Außerdem werden die Bestimmungen für die Verleihung diverser Ehrenzeichen des Bundes in einem Gesetz zusammengeführt. Der Beschluss erfolgte mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen, zuvor waren mittels Abänderungsantrags noch kleinere Adaptierungen vorgenommen worden.
Vertagt hat der Ausschuss hingegen mehrere Anträge der Opposition. Während SPÖ und NEOS weiterhin auf ein Informationsfreiheitsgesetz drängen, geht es der FPÖ um eine verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Bargeldzahlung. Zudem fordert die Opposition eine Präzisierung jener Bestimmungen, die die Übertragung von Befugnissen an Staatssekretär:innen regeln.
Breite Mehrheit für neues Bundes-Ehrenzeichengesetz
In den Erläuterungen zum neuen Bundes-Ehrenzeichengesetz (2197 d.B.) verweist das Bundeskanzleramt darauf, dass die förmliche Aberkennung eines Ehrenzeichens nach dem Tod einer geehrten Person rein juristisch betrachtet zwar nicht möglich ist, da mit dem Tod höchstpersönliche Rechte ohnehin automatisch erlöschen. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen es aber jenem Organ, welches das Ehrenzeichen verliehen hat, also in der Regel dem Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin, ausdrücklich festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Aberkennung der Auszeichnung gegeben sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass ein solcher symbolischer Akt für eine posthume Aberkennung geboten ist, wird im Entwurf festgehalten.
Festgeschrieben wird im neuen Gesetz auch, wann verliehene Ehrenzeichen entweder automatisch widerrufen werden oder aberkannt werden können. Dazu gehören etwa gerichtliche Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität, vorsätzlich begangene Straftaten gegen verfassungsmäßige Einrichtungen Österreichs oder Verstöße gegen das Verbotsgesetz. Auch eine in der Vergangenheit eingenommene führende Rolle in einer nationalsozialistischen Organisation ist ein Aberkennungsgrund. Nach einem Widerruf oder einer Aberkennung sind das Ehrenzeichen und das Beurkundungsdekret an die Präsidentschaftskanzlei bzw. das Bundeskanzleramt zurückzustellen.
Zur Abgabe von Empfehlungen sieht das Gesetz die Einrichtung eines aus sieben Mitgliedern bestehenden Ehrenzeichenbeirats im Bundeskanzleramt vor. Außerdem werden die Einholung von Strafregisterauskünften, die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme der ausgezeichneten Person im Aberkennungsverfahren sowie Eigentumsfragen geregelt. Wer ein Ehrenzeichen unbefugt trägt oder der Aufforderung zur Zurückstellung einer Auszeichnung nicht nachkommt, dem droht eine Verwaltungsstrafe.
Umfasst sind vom neuen Gesetz nicht nur Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und das Bundes-Ehrenzeichen, sondern auch das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Außerdem wird das Militärauszeichnungsgesetz entsprechend angepasst.
Mitberücksichtigt bei der Abstimmung wurde ein von ÖVP, Grünen und SPÖ gemeinsam eingebrachter Abänderungsantrag, der auch Verfassungsbestimmungen enthält. Damit wird der jahrelangen Praxis Rechnung getragen, wonach Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich an Abgeordnete, Bundesrät:innen und österreichische Mitglieder des Europäischen Parlaments vom Bundespräsidenten nicht auf Vorschlag der Bundesregierung oder eines Regierungsmitglieds, sondern auf Vorschlag des Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrats bzw. des Bundesrats verliehen werden. Außerdem sollen auch einschlägige Verurteilungen internationaler Gerichte wie des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag die Aberkennung eines Ehrenzeichens ermöglichen.
In Kraft treten soll das neue Bundes-Ehrenzeichengesetz am 1. Jänner 2024, wobei die Möglichkeit zur Aberkennung von Ehrenzeichen auch für Auszeichnungen gelten soll, die davor verliehen wurden. Ein von den NEOS bereits 2019 eingebrachter Gesetzesantrag (76/A), der ebenfalls darauf abzielte, verliehene Ehrenzeichen sowohl zu Lebzeiten der geehrten Person als auch posthum wieder aberkennen zu können, gilt mit dem Beschluss als miterledigt.
Anlassfall Hans Globke
Sowohl ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl als auch SPÖ-Abgeordnete Mona Duzdar wiesen in der Debatte auf den Anlassfall Hans Globke hin. Es sei ein Gebot der Stunde, dass man einem bekennenden Nazi, der auch an den Nürnberger Rassengesetzen mitgewirkt habe, das verliehene Ehrenzeichen nachträglich wieder aberkennen könne, betonten sie. Auch wenn das nur ein symbolischer Akt sei, wäre das wichtig, sagte Duzdar. Man hätte in der Vergangenheit schon mehrere Ehrenzeichen aberkennen müssen, zeigte sich auch Eva Blimlinger (Grüne) über die nunmehrige Einigung erfreut.
NEOS-Abgeordenter Nikolaus Scherak betonte, das vorliegende Gesetz sei ein schönes Beispiel dafür, wie Parlamentarismus funktionieren könne. Der Prozess habe zwar länger gedauert, letztendlich liege aber ein guter Kompromiss vor. Die NEOS hätten eingesehen, dass die Umsetzung ihres Antrags zu Komplikationen führen hätte können.
FPÖ gegen "Demontage der eigenen Geschichte"
Gegen das Gesetz stimmte lediglich die FPÖ. Ihre Fraktion stelle sich prinzipiell "gegen eine Demontage der eigenen Geschichte" und sei in diesem Sinn auch dagegen, Straßen umzubenennen oder Denkmäler umzureißen, begründete Susanne Fürst diesen Schritt. Zudem habe eine Person, der posthum ein Ehrenzeichen aberkannt wird, keine Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Ohnehin handelt es sich nach Meinung von Fürst nur um einen bloßen bürokratischen und symbolischen Akt.
Widerspruch erntete Fürst von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Die Aberkennung eines Ehrenzeichens habe nichts mit einer Demontage der eigenen Geschichte zu tun, sondern sei vielmehr ein verantwortungsvoller Umgang mit eben dieser. Es sei dringend geboten, sich ausdrücklich von jemandem zu distanzieren, der an den Nürnberger Rassengesetzen mitgewirkt habe. Das Gesetz finde auch international – etwa in Israel – großes Interesse.
FPÖ will Recht auf Bargeldzahlung verfassungsrechtlich verankern
Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde ein Antrag der FPÖ (3544/A), der eine Verankerung des Rechts auf Bargeldzahlung im Staatsgrundgesetz zum Inhalt hat. Die Verwendung von in Österreich zugelassenen Banknoten und Münzen soll demnach keinerlei Einschränkungen unterworfen werden dürfen und die Annahme von Bargeld grundsätzlich verpflichtend sein. Zudem sieht der Antrag eine Pflicht zur – barrierefreien – Versorgung der Österreicher:innen mit Bargeld vor.
Begründet wird die Initiative von FPÖ-Chef Herbert Kickl und seiner Fraktionskollegin Susanne Fürst damit, dass die Abschaffung der Bargeldzahlung in Österreich und in der EU "ein reales Bedrohungsszenario" sei. Unter dem "Deckmantel" der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung würden Bargeldzahlungen beschränkt, kritisieren sie. Zudem verweisen sie auf die geplante Einführung des digitalen Euro. Angesichts der sukzessiven Zurückdrängung des Bargeldverkehrs, sei der Antrag wichtig, bekräftigte Fürst im Ausschuss und machte geltend, dass Bundeskanzler Nehammer im Sommer de facto zugesagt habe, das Anliegen umzusetzen.
Auf Wohlwollen stieß die Initiative bei ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Man könne darüber reden, wie man das rechtlich ausgestalte, die Verfügbarkeit von Bargeld sicherzustellen, sei für die Menschen aber wichtig, unterstrich er und zeigte sich "gerne bereit", sich mit den anderen Fraktionen zusammenzusetzen, um eine Lösung zu finden. Gerstl erinnerte außerdem daran, dass es vor vier Jahren schon eine weitgehende Einigung mit Vertreter:innen der FPÖ und der SPÖ in dieser Frage gegeben habe.
Skeptisch äußerten sich hingegen Mona Duzdar (SPÖ) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Prammer warf der FPÖ vor, den Menschen ungerechtfertigt Angst machen zu wollen, um sich dann "als Retter der kleinen Leute aufzuspielen". Ihrer Ansicht nach wäre es wichtiger, soziale Grundrechte in die Verfassung zu schreiben. Es gehe darum, dafür zu sorgen, dass Menschen genug Geld zum Auskommen zur Verfügung haben, egal ob am Konto oder bar, meinte sie. Dafür würden sich die Grünen anstrengen. Auch Duzdar wertete die Vorgangsweise der FPÖ als populistisch und bekräftigte, dass es vorrangig darum gehen müsse, die Inflation zu bekämpfen, damit die Leute mehr Bargeld zur Verfügung haben. Ein Bargeld-Passus im Staatsgrundgesetz sei jedenfalls "fehl am Platz".
SPÖ und NEOS drängen weiter auf Abschaffung des Amtsgeheimnisses
Neuerlich im Ausschuss zur Diskussion standen außerdem konkrete Entwürfe der SPÖ (61/A) und der NEOS (453/A) für ein Informationsfreiheitsgesetz. Beide Parteien drängen schon seit langem darauf, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und eine umfassende Informationspflicht für Behörden und andere staatliche Stellen zu verankern, wobei der Antrag der NEOS in einigen Punkten über jenen der SPÖ hinausgeht.
Wolfgang Gerstl (ÖVP) verwies in der Debatte auf die Ausführungen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in der aktuellen Aussprache und zeigte sich zuversichtlich, dass bald ein Gesetzentwurf der Regierung vorliegen wird. Man sei bereits am Überlegen, wie man "einen größeren parlamentarischen Prozess" gestalten könne, meinte er. Der Koalition gehe es schließlich darum, nicht nur die Regierungsvorlage ins Parlament zu bringen, sondern das Informationsfreiheitsgesetz auch zu beschließen. Einen breiten parlamentarischen Diskussionsprozess sagte auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) zu.
Davor hatte sich NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak skeptisch gezeigt. Der Umstand, dass eine Regierungsvorlage ins Haus komme, heiße angesichts der notwendigen Zweidrittelmehrheit für ein Informationsfreiheitsgesetz noch nicht viel, meinte er. Man brauche die Zustimmung einer Oppositionspartei und müsse in diesen Sinn auch für Kompromisse offen sein. Christian Drobits (SPÖ) erinnerte daran, dass das Thema das Parlament schon seit dem Jahr 2014 beschäftige. Ihm ist vor allem auch der Datenschutz und eine Stärkung des Interpellationsrechts der Abgeordneten ein Anliegen. Die beiden Anträge wurden schließlich mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.
Betrauung von Staatssekretär:innen mit einem bestimmten Aufgabenfeld
Schließlich vertagte der Ausschuss auch die Beratungen über eine von SPÖ-, FPÖ- und NEOS-Bundesrät:innen gemeinsam beantragte Novellierung des Bundesministeriengesetzes (1940 d.B.). Geht es nach Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS), Sascha Obrecht (SPÖ), Christoph Steiner (FPÖ) und ihren Parteikolleg:innen, sollen Minister:innen künftig verpflichtet werden, die Betrauung von Staatssekretär:innen ihres Ressorts mit bestimmten Aufgaben im Bundesgesetzblatt zu verlautbaren. Aus der Verlautbarung sollen sowohl Umfang als auch Datum der Betrauung hervorgehen.
Begründet wird die Initiative damit, dass die Betrauung eines Staatssekretärs bzw. einer Staatssekretärin mit bestimmten Aufgaben nicht nur eine Weisungsbefugnis für die betroffenen Geschäftsbereiche auslöst, sondern auch bezügerechtliche Folgen hat. Mit einer Verlautbarung im Bundesgesetzblatt würde die notwendige Transparenz gewährleistet, argumentieren Arlamovsky, Obrecht und Steiner. Anlass für ihren Vorstoß war eine Anfragebeantwortung von Bundeskanzler Karl Nehammer, der zufolge Staatssekretär:innen in der Vergangenheit auch dann ein höheres Gehalt ausgezahlt bekommen haben, wenn sie erst verzögert mit einem bestimmten Aufgabenbereich betraut werden konnten.
Im Ausschuss warben NEOS-Abeordneter Johannes Margreiter und SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits für den Antrag. Derzeit mangle es sowohl an Transparenz als auch an Rechtssicherheit, gaben sie zu bedenken. So hätten manche Staatssekretär:innen Teile ihres Gehalts zurückzahlen müssen, hob Drobits hervor. Der Antrag dürfe nicht schubladisiert werden, forderte Margreiter.
Grundsätzliche Unterstützung dazu kam auch von den Grünen. So sprach Agnes Sirkka Prammer von einer "sinnvollen Initiative". Ihrer Meinung nach könnte es aber noch notwendig sein, den Antrag "zu verbessern". Ihre Fraktion stimmte daher gemeinsam mit der ÖVP für eine Vertagung der Beratungen, welche Einwände gegen den Vorschlag geltend machte. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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