Verfassungsausschuss: Anrechnung der Vordienstzeiten von öffentlich Bediensteten soll erneut umgestaltet werden | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Verfassungsausschuss: Anrechnung der Vordienstzeiten von öffentlich Bediensteten soll erneut umgestaltet werden

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Im Verfassungsausschuss wurden heute Vorkehrungen für die neuerliche Änderung der Modalitäten bei der Anrechnung der Vordienstzeiten von öffentlich Bediensteten getroffen. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) macht dies notwendig. Neben ÖVP und Grünen unterstützt auch die SPÖ die Novelle. FPÖ und NEOS bemängeln die neu geplante Anrechnungsquote. Von Seiten der Regierungsparteien wurde eine Dienstrechtsnovelle zur Hilfsleistung bei Dienstunfällen und zur Möglichkeit der Altersteilzeit in Aussicht gestellt.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler kündigte im Ausschuss auf Nachfrage mehrerer Ausschussmitglieder an, das Informationsfreiheitsgesetz noch diesen Herbst vorlegen zu wollen.

Neuerliche "Sanierung" der Anrechnung von Vordienstzeiten für Bundesbedienstete

Die Regelungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten von öffentlich Bediensteten sollen gemäß eines heute im Verfassungssauschuss eingebrachten Abänderungsantrags zum Gehaltsgesetz und zum Vertragsbedienstetengesetz (3314/A) erneut rückwirkend geändert werden. Hintergrund ist ein EuGH-Urteil zur Beseitigung der Altersdiskriminierung wegen des früheren Altersstichtags zum vollendeten 18. Lebensjahr. Der Gesetzgeber ist deshalb unionsrechtlich verpflichtet, Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung zu erlassen. Der neue Anrechnungsfaktor von 42,86 % habe sich als "ausgewogener Kompromiss zwischen den sozialpolitischen Zielsetzungen und den haushaltsrechtlich vorgeschriebenen Erwägungen herauskristallisiert", heißt es in den Begründungen. Zugleich soll der bisher vorgesehene "Pauschalabzug" von vier Jahren ersatzlos entfallen. Die "große Mehrheit" der Betroffenen würde davon durch entsprechende Nachzahlungen profitieren.

Laut Eva Blimlinger (Grüne) sei bereits mehrmals versucht worden, die Modalitäten zum Vorrückungsstichtag zu sanieren, nun ist die Mandatarin "guter Dinge, dass es diesmal halten werde". Mit hundertprozentiger Sicherheit könne man das allerdings nicht voraussagen, meinte sie angesichts der "komplexen Materie". Es habe ein Mittelweg gefunden werden müssen, da die Steuerzahler:innen für die Kosten aufkommen würden. Werner Herbert (FPÖ) kritisierte die Anrechnungsquote von 42,86 %. Sie entziehe sich seiner Meinung nach jeglicher Logik und sei rein finanziellen Überlegungen geschuldet. Die öffentlich Bediensteten seien der Bundesregierung wohl nicht mehr wert. Für die konkrete Problematik sei nun eine gute Lösung gefunden worden, meinte hingegen ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenauer. Hoffentlich werde der EuGH dies ähnlich beurteilen, sagte er und wies auf die allgemeine Bedeutung eines modernen Besoldungsrechts für die Attraktivität des öffentlichen Diensts angesichts des Personalmangels hin. Die Prozentlösung sei wohl nicht im Sinne des EuGH-Urteils, befand Nikolaus Scherak (NEOS). Er äußerte Bedenken darüber, ob sie halten werde. Seine Fraktion erteilte dem Gesetzesvorhaben daher keine Zustimmung. Da "jede noch so kleine Verbesserung" wichtig sei, stimmte die SPÖ hingegen zu, wie Selma Yildirim (SPÖ) zum Ausdruck brachte. Dass die vorliegende Novelle wohl nicht der Intention des Europäischen Gerichtshofs entspreche, merkte sie allerdings ebenso an.

Initiativen zur Hilfsleistung bei Dienstunfällen und Altersteilzeit im öffentlichen Dienst

Vertagt wurden zwei Initiativanträge der FPÖ. Einerseits handelt es sich um den Vorschlag, Exekutivbediensteten bei Dienstunfällen in Zusammenhang mit der unmittelbaren Dienstausübung einen Vorschuss zu gewähren (3612/A(E)), andererseits um die Möglichkeit der Altersteilzeit für besonders belastete Bedienstete im öffentlichen Dienst (3613/A(E)), die FPÖ-Mandatar Werner Herbert als eine gute Möglichkeit erachtet, um die dortige Personalproblematik  zu umgehen. Immerhin sei die Altersteilzeit in der Privatwirtschaft gang und gäbe. Selma Yildirim (SPÖ) signalisierte Unterstützung für die Initiativen, von Friedrich Ofenauer (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne) wurde angedeutet, dass die beiden Themen für die nächste Dienstrechtsnovelle vorgesehen sind.

Informationsfreiheitsgesetz soll laut Edtstadler noch diesen Herbst vorgelegt werden

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wurde im Zuge einer Aktuellen Aussprache von den Ausschussmitgliedern Nikolaus Scherak (NEOS), Muna Duzdar, Christian Oxonitsch und Selma Yilidirim (alle SPÖ) zum Stand des Informationsfreiheitsgesetzes bzw. eines entsprechenden Entwurfs befragt. Die Regierungsvorlage sei im Entstehen, es gehe nur mehr um Details, sagte die Ministerin. Eine Vorlage sei für diesen Herbst geplant, wobei sie Antworten auf Detailfragen unter Verweis auf das Prinzip "Nothing is agreed until everything is agreed" relativierte. So wollten etwa Scherak und Duzdar wollten wissen, ob Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohner:innen von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen werden sollen. Auch kleine Gemeinden werden umfasst sein, erklärte Edtstadler. Bis zu einer noch zu definierenden Einwohner:innenzahl sollen kleine Gemeinden aufgrund des erheblichen Verwaltungsaufwands lediglich von der proaktiven Veröffentlichungspflicht gesetzlich ausgenommen werden, stellte sie klar. Jede Bürgerin und jeder Bürger werde allerdings Fragen stellen und jede Gemeinde Auskunft geben können. Durch eine Legisvakanz (also ein nicht unmittelbares Inkrafttreten des Gesetzes) und durch Fortbildungen sollen sich Behörden auf die neuen Regelungen mit einer Vorlaufzeit einstellen können. Die Datenschutzbehörde soll unterstützend tätig sein, die Position einer bzw. eines Informationsfreiheitsbeauftragten sei allerdings nicht vorgesehen, um keine Parallelstrukturen aufzuziehen, wurde Oxonitsch informiert. Das Interpellationsrecht bleibe wie es ist und sei nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit Informationsfreiheit zu sehen, sagte die Ministerin zu Abgeordneter Yildirim.

Die Fortschritte beim Ausbau des Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention – das Recht auf ein faires Verfahren – thematisierte Johann Singer (ÖVP) während der Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses. Edtstadler erachtet dafür eine allgemeine Verfahrensbeschleunigung, einen Verteidigungskostenersatz und die Einführung eines Zitierverbots nach deutschem Vorbild als erforderliche Handlungsmaßnahmen. Außerdem sei es ihr zufolge notwendig, die richterliche Bewilligung bei der Handysicherstellung zu verankern.

Wolfgang Gerstl (ÖVP) sprach die europäische Integration am Westbalkan und die EU-Beitrittsbestrebungen von Ukraine und Moldawien an. Laut Edtstadler sei es wichtig, Zeichen zu setzen, etwa mit dem Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina. Es sei aber darauf zu achten, dass es keinen "Fast Track" und keine "Zwei-Klassen"-Beitrittskandidaten gibt. Die Länder müssten selbst umfassende Reformen durchführen. Sie sprach sich dafür aus, Integration graduell zu fördern, etwa durch Zugänglichkeit am Binnenmarkt, durch Inkludierung in Förderprogramme oder die Teilnahme von Staats- und Regierungschefs bzw. Minister:innen an informellen Räten.

Astrid Rössler (Grüne) fragte nach dem Stand der Vorarbeiten zum SDG-Dialogforum. Im Juli nächsten Jahres soll der nationale Umsetzungsbericht inklusive Erfolgsbeispielen den vereinten Nationen vorgestellt werden, sagte Edtstadler. Österreich sei bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele im Spitzenfeld. Gegenüber Eva Blimlinger (Grüne) hielt die Ministerin fest, dass die Umsetzung der nationalen Strategie gegen Antisemitismus auf Hochtouren laufe. Anfang nächsten Jahres soll der dritte Umsetzungsbericht und im Laufe des Jahres 2024 die Gesamtevaluierung präsentiert werden. Von Susanne Fürst (FPÖ) wurde die Ministerin auf die geplanten Schritte zur verfassungsrechtlichen Absicherung von Bargeld angesprochen. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag sei bereits dem Koalitionspartner übermittelt worden, kündigte sie ein baldiges Weiterkommen an.

Selma Yildirim (SPÖ) problematisierte die gegenwärtige  Situation mehrerer unbesetzter Spitzenpositionen – aufgrund vermeintlicher Unstimmigkeiten zwischen den Regierungsparteien – in Zusammenhang mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Es sei in ihrem Interesse, dass Entscheidungen rasch getroffen werden, sagte dazu Edtstadler.

Volksbegehren werden zu späterem Zeitpunkt diskutiert

Zur Fristwahrung formal aufgenommen aber vertagt, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu diskutieren wurden vom Verfassungsausschuss heute drei Volksbegehren. Der Bevollmächtigte der Volksbegehren "Echte Demokratie"( 2074 d.B.), und "Nehammer muss weg" (2079 d.B.) Robert Marschall ortet Unterschiede zwischen einer "echten Demokratie" von einer vermeintlichen "Scheindemokratie" und forderte dazu auf, die künftigen Ausschussdebatten über die Verhandlungsgegenstände als Video aufzuzeichnen. Die Proponenten des Volksbegehrens "GIS-Gebühren Nein" (2076 d.B.) Marcus Hohenecker und Anatolij Volk pochten darauf, die Bürger:innenbeteiligung ernst zu nehmen und "Demokratie jeden Tag zu erneuern". (Fortsetzung Verfassungsausschuss) fan


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