TIROLER TAGESZEITUNG AM SONNTAG „Leitartikel“ Ausgabe vom Sonntag, 1. Oktober 2023, von Gabriele Starck: „Beschämende Politik“
Staatsmännisch geht anders. Christlich sowieso. Was sich der deutsche CDU-Chef Friedrich Merz und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer als Spitzenpolitiker an verbalen Ausrutschern leisten, ist erschreckend – und das nicht nur, weil diese mit der Realität nichts zu tun haben. Dass sich abgewiesene Asylwerber die Zähne richten lassen und den Deutschen so die Termine beim Dentisten wegnehmen (Merz), ist ebenso wenig richtig wie Nehammers Annahme, dass Frauen aus Faulheit in der Armutsfalle landen. Doch dem Stimmenfang und der Klientelpolitik zuliebe werden inzwischen auch von den selbst ernannten Christdemokraten und Christlich-Sozialen – und hier sei der wahlkämpfende CSU-Chef Markus Söder mitgemeint – Menschen gegeneinander ausgespielt, Missgunst genährt und Hass gesät.
Wer Regierungschef ist oder es noch werden möchte, wie Merz, sollte Politik für alle Menschen machen und sich von der politischen Hetze der FPÖ oder der deutschen AfD gegen Ausländer, Andersdenkende und Kritiker deutlich distanzieren.
Söders anbiedernde Schenkelklopfer vor der Stammwählerschaft oder Nehammers herabsetzende Bemerkungen über ganze Bevölkerungsgruppen mögen nur Worte sein. Doch sie verletzen, grenzen aus und lassen die Wirkung tatsächlich gesetzter Maßnahmen gegen Missstände verblassen.
Wer die Parolen der Populisten übernimmt, muss sich nicht wundern, wenn er diesen in die Hände spielt. Die Umfragen in Österreich und Deutschland sprechen eine deutliche Sprache. Die Herren tun damit weder sich noch ihrer Partei und schon gar nicht der Demokratie etwas Gutes – im Gegenteil.
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