TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Der Hass auf Frauen wurzelt tief“, von Anita Heubacher
In Tirol wurde gestern das vierte Frauenhaus eröffnet. Es bietet Schutz für Frauen, die von körperlicher und psychischer Gewalt bedroht sind. Gewalt gegen Frauen ist leider eher Massenphänomen denn Randerscheinung.
Mit dem gestrigen Tag hielten wir in Österreich bei 17 Femiziden und 33 Mordversuchen an Frauen. Ausgeführt von Männern. Sehr oft in häuslicher Umgebung. Gewalt an Frauen hat tendenziell zugenommen, nicht abgenommen. Das ist kein österreichisches Phänomen, sondern mit stark unterschiedlicher Ausprägung ein globales.
In Tirol wurde gestern das vierte Frauenhaus eröffnet. Es war ein langer Weg. Der Ruf nach weiteren Schutzeinrichtungen blieb in Tirol lange ungehört. Jetzt hat die Landesregierung zumindest aufgeholt und sich ein weiteres ambitioniertes Ziel gesteckt, die Zahl der Plätze in die Höhe treiben zu wollen. Der Bedarf ist leider groß. Je nach Statistik ist es jede dritte bis jede fünfte Frau, die im Laufe ihres Lebens mit Gewalt konfrontiert ist. 80 Prozent erfahren körperliche, sexuelle und psychische Gewalt, ein Fünftel strukturelle. Darunter versteht man, dass Frauen durch Abhängigkeit von ihren Männern benachteiligt werden. Dazu zählt die ungleiche Verteilung von Einkommen, Bildungschancen oder Ressourcen.
Erst vor zwei Wochen hatte der Bundesrechnungshof einen ernüchternden Befund zu Gewalt- und Opferschutz für Frauen auf den Tisch gelegt. In Österreich bestehe keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Das liegt am fehlenden politischen Willen und wohl auch an den Zuständigkeiten. Frauenschutz ist sowohl Bundes- als auch Landessache. Beide Entscheidungsebenen eint, dass das Thema Gewalt gegen Frauen lange als Randerscheinung, die in sozial schwachen Milieus stattfindet, wahrgenommen wurde. So genau hinschauen wollte man nicht.
Das Frauenhaus ist die Spitze des Eisbergs. Frauenhass ist tief verwurzelt, frauenfeindliche Ressentiments und Vorurteile sind in patriarchalen Strukturen besonders ausgeprägt. Um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, müsste man den Ursachen auf den Grund gehen und da wird die Größe der Aufgabe so richtig klar. Da wird der ganze Eisberg sichtbar. Gesellschaftspolitische Veränderungen, die zwangsläufig dazu führten, dass Männer an Privilegien einbüßen und patriarchale Strukturen geschwächt würden.
Das wiederum eint Frauenpolitikerinnen und Expertinnen. Sie fordern schon sehr lange, den Hebel bei den Ursachen anzusetzen und sich nicht weiter darauf zu konzentrieren, Symptome zu bekämpfen. Prävention ist ein Mittel, Bewusstseinsbildung, wo Gewalt gegen Frauen eigentlich anfängt, ein noch breiteres politisches Betätigungsfeld.
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