VKI: „High-Protein“-Lebensmittel sind wenig sinnvoll
In Supermärkten und Drogerien werden zahlreiche Lebensmittel überdeutlich mit Begriffen wie „Eiweiß“ oder „High Protein“ und einem Bezug zu Fitness vermarktet. Dazu zählen etwa Milchprodukte und deren pflanzliche Alternativen, Fleisch- und Getreideprodukte sowie Süßigkeiten und Knabbereien. Protein-Joghurt, Eiweißbrot und High-Protein-Eis locken mit dem „gesunden“ Plus an Eiweiß und sollen vor allem für sportlich aktive Menschen vonnöten sein. Wie derartige Produkte einzuschätzen sind, für wen eine proteinreiche Ernährung sinnvoll sein kann und wie das Ergebnis eines stichprobenartigen Vergleiches von herkömmlichen und mit Proteinen angereicherten Lebensmitteln lautet, darüber informiert Teresa Bauer, Ernährungswissenschafterin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Mehrheit der Bevölkerung ist überversorgt
Laut dem Österreichischen Ernährungsbericht 2017 nehmen Frauen und Männer in Österreich genügend Protein zu sich, im Durchschnitt sogar zu viel. Die empfohlene Zufuhr von Protein für gesunde normalgewichtige Erwachsene liegt bei rund 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Das gilt auch für Personen, die regelmäßig Sport treiben. „Für ältere Menschen, Leistungssportler:innen oder Personen, die unter bestimmten Erkrankungen leiden, kann eine höhere Proteinzufuhr notwendig sein. Im Regelfall ist die Mehrheit der Bevölkerung aber überversorgt“, so Teresa Bauer vom VKI. „Umgekehrt kann eine deutlich erhöhte Proteinzufuhr bei Personen, die unter eingeschränkter Nierenfunktion leiden, zu einer weiteren Verschlechterung führen“, so Bauer weiter. „Ab einer Proteinzufuhr von zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht können auch bei gesunden Menschen negative Auswirkungen auf die Nierenfunktion nicht ausgeschlossen werden.“
Nicht automatisch mehr Eiweiß enthalten
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat stichprobenartig Produkte verschiedener Lebensmittelkategorien miteinander verglichen – dabei wurden proteinreiche Lebensmittel herkömmlichen Produkten gegenübergestellt. Während der Preis bei Proteinprodukten durchwegs hoch angesetzt ist, enthalten diese nicht zwingend mehr Eiweiß. So ist der „NÖM Pro Cottage Cheese“ sogar um 55 Prozent teurer als der „Cottage Cheese Schnittlauch“ von Milfina. Er enthält aber weniger Eiweiß als das Vergleichsprodukt (11,8 g versus 13 g pro 100 g). Ähnliches gilt für den Schnittkäse „MINI Babybel High Protein“, der zwar um stolze 46 Prozent teurer ist als der „Milfina Goudina in Scheiben“; der Eiweißgehalt ist aber niedriger (25 g versus 30 g pro 100 g). Auch die Milchalternative „Joya & Dream Mandel Protein“ enthält trotz Sojabohnen-Zusatz weniger Protein als der reguläre „Sojadrink Natur“ von Alnatura (3,2 g versus 3,6 g pro 100 ml).
Nicht zwingend kalorienärmer
Wer glaubt, High-Protein-Produkte enthalten jedenfalls weniger Kalorien als normale Lebensmittel, irrt in vielen Fällen. So enthält das – um 166 Prozent teurere – „SPAR Natur pur Bio-Eiweißbrot“ zwar tatsächlich mehr Eiweiß als das „SPAR Natur pur Bio-Roggen-Vollkornbrot“, allerdings nimmt man damit auch mehr Kilokalorien auf (208 kcal versus 188 kcal pro 100g). Das Eiweißbrot enthält zudem mehr Fett (6,1 g versus 1,1 g pro 100 g). Auch das „BILLA Protein Naturjoghurt“ enthält mehr Kalorien als beispielsweise das „Clever Joghurt Natur 0,1%“ (51 kcal versus 40 kcal pro 100 g).
„Um Lebensmittel, etwa Brot, proteinreicher zu machen, werden oft Weizeneiweiß, Molkepulver oder Leinsamen beigemischt“, erläutert Bauer. „Diese Zusätze machen die Produkte zwar kohlenhydratärmer, der Zusatz von Ölsamen das Brot aber auch fett- und kalorienreicher.“
Teils viele Zusatzstoffe und hochverarbeitet
Wie bereits eine Erhebung des VKI zu Proteindrinks und -riegel im Jahr 2019 gezeigt hat, können High-Protein-Produkte viel Zucker enthalten. Doch auch die Menge an zugesetzten Süßungsmitteln und anderen Zusatzstoffen kann beträchtlich sein: So beinhaltet das High-Protein-Eis „Frozen Power Salted Caramel“ insgesamt 14 Zusatzstoffe bzw. Aromen, davon 5 unterschiedliche Süßungsmittel. Der Proteinriegel „Foodspring Soft Caramel“ weist 7 Zusatzstoffe, darunter zwei Süßungsmittel, auf. Auch Aromen werden mehrmals in der Zutatenliste genannt. Und auch im Protein-Kakaogetränk „Chiefs Choco Mountain“ sind 5 Zusatzstoffe bzw. Aromen zu finden, während der um 141 Prozent günstigere „Schärdinger Schoko Drink leicht“ gänzlich ohne Zusatzstoffe auskommt.
Reguläre Ernährung kann Bedarf decken
„Um den täglichen Proteinbedarf zu decken, benötigt man keine High-Protein-Produkte. Denn in ganz normalen Lebensmitteln wie Milchprodukten, veganen Alternativen wie Sojadrinks oder Sojajoghurt, Eier, Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten wie Bohnen und Linsen sowie Nüssen sind genügend Proteine enthalten. Auch Getreideprodukte wie Brot, Haferflocken und Nudeln tragen wesentlich zur Proteinaufnahme bei“, informiert Teresa Bauer abschließend. Auch wer Sport treibt, nimmt mit einer halbwegs ausgewogenen Ernährung genügend Proteine zu sich. Damit kann man nicht nur viel Geld sparen, sondern auch unnötige Kalorien und Zusatzstoffe vermeiden, die ,Sportprodukten‘ oft zugesetzt werden.
SERVICE: Weitere Informationen zum Thema gibt es ab 27. August in der Zeitschrift KONSUMENT und ab sofort auf www.konsument.at. Auch der VKI-Lebensmittel-Check widmet sich regelmäßig dem Thema High-Protein-Produkte: www.konsument.at/lebensmittel-check.
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