EU-Unterausschuss befasst sich mit Plattformarbeit und Befugnissen von Gleichbehandlungsstellen
Eine geplante EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Bereich der sogenannten Plattformarbeit und Vorschläge der EU-Kommission für einheitliche Standards von Gleichbehandlungsstellen in den EU-Mitgliedstaaten standen heute im zweiten Teil der Sitzung des EU-Unterausschusses des Nationalrats zur Diskussion. Gegen beide Vorhaben gibt es von österreichischer Seite wenig Einwände, eine Einigung auf EU-Ebene steht in beiden Fällen laut Arbeitsminister Martin Kocher aber noch aus. So konnte zuletzt im für Beschäftigung und Sozialpolitik zuständigen Rat trotz intensiver Verhandlungen im Vorfeld die notwendige qualifizierte Mehrheit für einen Kompromissvorschlag in Sachen Plattformarbeit nicht erzielt werden. Die Beratungen sollen nun im Juni fortgeführt werden, wobei Kocher zufolge angesichts der zum Teil stark divergierenden Positionen noch offen ist, ob es dieses Mal zu einer Einigung kommen wird.
Ziel des von der EU-Kommission bereits Ende 2021 vorgelegten Richtlinienentwurfs (84855/EU) ist es, die Arbeitsbedingungen und sozialen Rechte jener Personen zu verbessern, die für digitale Arbeitsplattformen arbeiten. Dazu zählen nicht nur ausschließlich online tätige Plattformen, die – häufig grenzüberschreitend – digitale Dienstleistungen wie Übersetzungen oder Datenkodierung anbieten, sondern auch Plattformen über die Reinigungs-, Pflege- oder Zustelldienste wie Essenszustellungen gebucht werden können. Unter anderem geht es der EU darum, Scheinselbständigkeit – insbesondere durch eine Beweislastumkehr zugunsten von Beschäftigten – zu unterbinden und den Betroffenen entsprechende Rechte wie einen Mindestlohn, Arbeitszeitregelungen und Sozialschutz zu sichern.
Um Diskriminierungen bei der Zuteilung von Aufträgen oder bei der Auszahlung von Boni entgegenzuwirken, ist außerdem eine Informationspflicht über automatisierte Entscheidungs- und Überwachungssysteme vorgesehen. Das soll auch selbstständig Beschäftigten – der Großteil der Plattform-Mitarbeiter:innen gemäß den Erläuterungen zum Richtlinienentwurf – ermöglichen, auf Algorithmen basierende Entscheidungen überprüfen zu lassen und anzufechten. Weiters sollen grenzüberschreitend tätige Plattformen künftig verpflichtet sein, den zuständigen Behörden des EU-Mitgliedslands, in dem die Tätigkeit ausgeführt wird, die Anzahl der beschäftigten Personen, den Beschäftigungsstatus und die Standard-Arbeitsbedingungen bekanntzugeben. Damit will man Kontrollen sowie die Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen erleichtern. Auch Rechte für Vertreter:innen von Beschäftigten sind im Richtlinienvorschlag enthalten.
Österreich sind laut Arbeitsminister Martin Kocher vor allem der Schutz von Arbeitnehmer:innen vor Ausbeutung, die Unterbindung von Scheinselbstständigkeit und die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen in den EU-Staaten für Plattformunternehmen ein Anliegen. Gleichzeitig sei es wichtig, die verschiedenen Arbeitsmarktmodelle der EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen und ausreichend Flexibilität zuzulassen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Ressorts. In diesem Sinn hat man Kocher zufolge auch dem am Tisch liegenden und als ausgewogen erachteten Kompromissvorschlag zugestimmt. Ein weiteres großes Ziele sei es, dass Algorithmen transparent für die Betroffenen sein müssten.
In Richtung SPÖ-Abgeordneter Katharina Kucharowits bekräftigte Kocher, dass er in Bezug auf das geplante EU-Vorhaben sehr intensive Gespräche geführt habe. Die Schwierigkeit sei, dass einige Mitgliedstaaten strengere Regelungen und andere weniger strengere Regelungen als vorgeschlagen wollten. Es sprach sich in diesem Sinn dagegen aus, den vorliegenden Vorschlag "noch einmal aufzumachen", da dies eine qualifizierte Mehrheit weiter erschweren würde. Ein weiterer Knackpunkt sei, dass es in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Regelungen für selbstständige und unselbstständige Beschäftigte gebe und die Staaten ihre Systeme nicht ändern wollten. Auch Österreich habe mit den "freien Dienstnehmer:innen" hier ein Spezifikum, so Kocher.
Von Seiten der Abgeordneten drängten sowohl Katharina Kucharowits (SPÖ) als auch Markus Koza (Grüne) auf einen raschen Beschluss der Richtlinie. Es wäre wichtig, diese noch vor den nächsten EP-Wahlen unter Dach und Fach zu bringen, da es sonst zu weiteren Verzögerungen kommen würde, warnte Kucharowits. Sie rief Arbeitsminister Kocher in diesem Sinn auf, proaktiv Gespräche mit seinen Amtskolleg:innen zu führen und bis zur nächsten Ratssitzung Überzeugungsarbeit zu leisten.
Grünen-Sozialsprecher Koza wies darauf hin, dass algorithmische Managementsysteme oft sehr intransparent und für Mitarbeiter:innen nicht zu durchschauen seien. Das Europäische Parlament habe in seiner Position festgeschrieben, dass überwiegend algorithmische Anwendungen verpflichtend von Menschen überwacht werden müssen.
Verbesserte Standards für Gleichbehandlungsstellen
Erst vor kurzem, im Dezember 2022, hat die EU-Kommission zwei Richtlinienvorschläge betreffend verbindliche Standards für in den EU-Mitgliedstaaten eingerichtete Gleichbehandlungsstellen vorgelegt. Die aufgrund geltender Richtlinien bestehenden Vorgaben würden zwar von vielen EU-Ländern bereits jetzt übererfüllt, hält die Kommission in den Erläuterungen zu den Entwürfen fest, ihr zufolge gibt es zum Teil aber erhebliche Unterschiede, was das Mandat von Gleichstellungsstellen, ihre Befugnisse, ihre Unabhängigkeit, ihre Ausstattung und ihre Wirksamkeit betrifft. In vielen Ländern sei das Ausmaß von Diskriminierungen nach wie vor hoch sowie das Problembewusstsein und das Wissen der Öffentlichkeit gering. Viele Gleichbehandlungsstellen hätten zu wenig Befugnisse und Ressourcen, um Diskriminierungsopfern wirksam helfen zu können.
Mit den beiden Richtlinien sollen nun bestimmte Standards in Bezug auf Kompetenzen, Unabhängigkeit, Ressourcen, Aufgaben und Befugnisse vorgeschrieben werden, wobei ein Entwurf (124054/EU) Gleichstellungsstellen im Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und der andere Entwurf (124046/EU) weitere gemäß EU-Recht einzurichtende Gleichstellungsstellen umfasst. Dabei geht es etwa um die Gleichbehandlung von Personen ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Weltanschauung, ihrer Religion und ihrer sexuellen Ausrichtung sowie den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Sozial- und zu Dienstleistungen.
Laut Arbeitsminister Kocher wird das Vorhaben von Österreich begrüßt, zumal das heimische – gut funktionierende – System im Kommissionsentwurf weitgehend widergespiegelt werde. Ganz ausgeschlossen ist ihm zufolge aber nicht, dass es einen gewissen Umsetzungsbedarf geben wird. Ob dadurch zusätzliche Ressourcen notwendig sein bzw. zusätzliche Kosten anfallen werden, werde sich erst dann sagen lassen, wenn eine endgültige Einigung vorliege, erklärte er gegenüber den Abgeordneten Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP), Katharina Kucharowits (SPÖ) und Gerald Loacker (NEOS). So habe etwa auch das Europäische Parlament noch keinen Standpunkt formuliert. Es gebe aber das grundsätzliche Bestreben, noch vor den EP-Wahlen 2024 einen Abschluss zustande zu bringen, unterstrich der Minister.
Ausdrücklich zustimmend zu den Richtlinien-Entwürfen äußerte sich neben SPÖ-Abgeordneter Kucharowits auch Elisabeth Götze (Grüne). Es gebe hier durchaus Handlungsbedarf, sagte sie. Für NEOS-Abgeordneten Gerald Loacker ist eine wesentliche Frage, inwieweit es zu zusätzlichen Kosten für Unternehmen kommen wird. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) gs
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz