TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom Samstag, 15. April 2023, von Max Strozzi: „Erbitterter Kampf um jeden Cent“
Explodierte Energiepreise haben die Inflation besonders in Österreich in lichte Höhen getrieben. Deshalb stehen auch Stromunternehmen mehr als andere in der Verantwortung, ihre Karten auf den Tisch zu legen.
Der Krieg in der Ukraine hat auch die dunkle Seite des Energiemarkts ans Licht gebracht und eigenartige Zusammenhänge für jeden sichtbar offengelegt. Die Gaspreise sind explodiert, und in ihrem Sog die Strompreise. Das hat nicht nur dem unbedarften Stromkunden in Tirol die Augen geöffnet, der sich mit der vielen Wasserkraft im Land auf der sicheren, unabhängigen und günstigen Seite wähnte. Grün ist Wasser-Strom im Vergleich zu Kohle, Gas und Atom bestimmt. Unabhängig ist man deshalb aber lange nicht, auch weil Wasserkraftwerke vor allem im Winter im Sparmodus laufen. Und lukrativ ist das Ganze vielleicht für den Hersteller, nicht unbedingt aber auch für den Kunden, wie viele Österreicher am Beispiel Verbund verfolgen konnten. Der teilstaatliche Stromkonzern, ebenfalls nicht allzu knapp mit günstiger Wasserkraft gesegnet, drehte im Vorjahr mit Verweis auf die gestiegenen Börsenpreise kräftig an der Preisschraube, was ihm einen satten Milliardengewinn bescherte. Dem Handelsgericht Wien war diese Praxis nicht geheuer, denn wer selbst viel Strom etwa aus günstiger Wasserkraft herstellt, kann Preiserhöhungen nicht ohne Weiteres mit den (hohen) Börsenpreisen rechtfertigen.
Das Urteil hat auch Schockwellen bis nach Tirol geschickt. Die großen Tiroler Energieversorger Tiwag und IKB müssen ihre Preispolitik nun wieder auf den Kopf stellen. Und auch hier dürfte der erbitterte Kampf um jeden Cent am Ende vor Gericht ausgetragen werden. Die Tiroler Arbeiterkammer hat bereits Klagen gegen den Tiroler Landesenergieversorger und seine Innsbrucker Tochter angekündigt. Die Hall AG will man ebenfalls vor Gericht zerren, und auch Wörgl sowie die Kommunalbetriebe Hopfgarten in Osttirol haben die Konsumentenschützer im Visier. Vielleicht könnten auch andere folgen.
Das Zauberwort heißt in all diesen Fällen Transparenz. Wie kommt der Strompreis zustande, ist er gerechtfertigt oder wird die Gunst der Stunde genutzt? Kein Unternehmen gibt gerne Einblicke in die eigene Preisgestaltung, doch am Strommarkt geht es um viel mehr. Die explodierten Energiepreise haben besonders in Österreich die Inflation in Rekordhöhen getrieben. Kaum woanders in Europa ist das Leben um so viel teurer geworden wie in der Alpenrepublik, wo die Teuerung derzeit bei mehr als 9 Prozent liegt. Der tägliche Einkauf kostet sogar um 16,8 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Ein rasches Ende ist noch nicht in Sicht. Das sind auch Folgeeffekte der gestiegenen Energiepreise, die nun stark in der Kritik stehen. Deshalb stehen auch Stromproduzenten mehr als andere in der Verantwortung, ihre Kalkulation offenzulegen.
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