TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Kampf in der Justiz mit offenem Visier", von Reinhard Fellner | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Kampf in der Justiz mit offenem Visier“, von Reinhard Fellner

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Dass mit Johann Fuchs ein leitender Oberstaatsanwalt selbst auf der Anklagebank saß, ist in der Zweiten Republik ein Novum und war bislang undenkbar. Der Prozess zeigte auf, dass die Strafverfolgung funktioniert und was offenbar weniger.

   Eigentlich muss man Ex-FPÖ-Chef HC Strache schon fast dankbar sein. Durch die Ibiza-Affäre kamen nämlich Dinge hervor, die nicht nur Personen, sondern auch Institutionen der Republik erschütterten. Eine große Stunde für die bislang nicht immer glücklich agierende Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Nach Pleiten wie der unausgegorenen Anklageserie gegen Wahlbeisitzer zur Bundespräsidentenwahl arbeiteten die unerschrockenen Korruptionsjäger Ibiza und dessen Ausläufer schonungslos auf – und beschlagnahmten Handys von jenen, die sich so etwas wohl niemals erträumt hätten. Dies betraf von Ex-Justizminister und -Höchstrichter Wolfgang Brandstetter abwärts auch die Justiz und zeigte nicht nur Postenschacher auf. Im Zentrum auch die Chats des einst allmächtigen Sektionschefs Christian Pilnacek und dessen offener Krieg mit der WKStA. Diese taktierte geschickt und erodierte das Machtzentrum Pilnaceks. Zu dessen Vertrauten gehörte mit dem leitenden Wiener Oberstaatsanwalt Johann Fuchs auch ausgerechnet jener höchste Ankläger, der die Aufsicht über die WKStA innehatte. 
   Eine bislang an sich eher unangreifbare Persönlichkeit im Staat. Dass Pilnaceks Handy aber Gespräche offenbarte, die zu zumindest einer Anklage wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses durch die Innsbrucker Staatsanwaltschaft führten, zeigt auf, dass die Justiz keinen Halt vor Eliten macht –
auch nicht aus den eigenen Reihen. 
   Schade, dass der von der WKStA so offen ausgetragene Krieg mit Pilnacek & Co., die aufgeheizte Stimmung und dringend benötigte Erfolge bisweilen Zweifel an der Grundmotivation mancher Verfolgung aufkeimen ließen. Schließlich ging es beim anklagegegenständlichen Fuchs/Pilnacek-Chat um die Verfolgung einer bekannten Journalistin durch die WKStA – sie hatte schlicht einen kritischen Kommentar zu den Korruptionsjägern verfasst. Bedenklich auch, dass die parlamentarischen U-Ausschüsse immer mehr aus dem Rahmen fallen. Bei allem Zug zur Aufklärung sollten doch gewisse Spielregeln eingehalten werden. So wird die Unschuldsvermutung nicht selten mit Füßen getreten und über Aktenanforderungen aus vertraulichen Ermittlungsverfahren Höchstpersönliches an die Öffentlichkeit gebracht. Oberstaatsanwalt Fuchs gestanden selbst der Oberste Gerichtshof und das OLG bei so einer Ausschuss-Befragung eine Drucksituation zu. Anzeigen, Ermittlungen unbekannten Inhalts erzeugten einen Aussagenotstand wegen zu befürchtender strafrechtlicher Verfolgung, der gestern zum vollkommenen Freispruch für Fuchs führte.  

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