Justizausschuss: Opposition sieht Handlungsbedarf für interne Ermittlungen im Justizressort, Bundesstaatsanwalt sowie bei Corona-Strafen | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Justizausschuss: Opposition sieht Handlungsbedarf für interne Ermittlungen im Justizressort, Bundesstaatsanwalt sowie bei Corona-Strafen

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Wien (PK) – Oppositionsforderungen zu internen Ermittlungen und zur Abschaffung von „Mascherlposten“ in der Justiz, zur Einführung eines Bundesstaatsanwalts, zur Aufhebung von Corona-Strafen, zu GerichtsdolmetscherInnen sowie zu Gewaltschutzambulanzen dominierten den zweiten Teil des heutigen Justizausschusses. Die Anträge von SPÖ, FPÖ und NEOS wurden von den Regierungsparteien vertagt.

Einhellige Zustimmung gab es hingegen für die Anwendung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar. Zur Ausweitung der Vereinbarung zwischen Österreich und Großbritannien sowie Nordirland ist die Genehmigung des Nationalrats nötig.

Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar

Um die im Rahmen des Europarats vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar zu vollziehen, bedarf es einer Ausweitung der in diesem Bereich getroffenen Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Die dementsprechende Regierungsvorlage wurde im Justizausschuss einstimmig angenommen (1296 d.B.).

SPÖ fordert von Justizministerin interne Untersuchung im Ministerium

Die SPÖ bezieht sich in einem von ÖVP und Grünen vertagten Entschließungsantrag auf Medienberichte, wonach die Korruptionsstaatsanwaltschaft von der Oberstaatsanwaltschaft offensichtlich bespitzelt sowie interne Akten über inoffizielle Wege weitergeleitet und unlauterer Druck auf ErmittlerInnen ausgeübt worden sei. Die SozialdemokratInnen fordern die Justizministerin auf, für eine vollständige, objektive und transparente Aufarbeitung der Vorgänge der letzten Jahre in der Dienst- und Fachaufsicht über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu sorgen, auch losgelöst von einer allfälligen strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Relevanz, sowie die übrigen Forderungen des Dienststellenausschusses der WKStA bestmöglich rasch umzusetzen (2280/A(E)).

Sie sei erschüttert, dass in einer modernen Demokratie Bediensteten von Korruptionsermittlungsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung „Stolpersteine“ in den Weg gelegt würden, kritisierte Selam Yildirim (SPÖ). Die SPÖ-Abgeordnete forderte die Justizministerin auf, sich schützend vor die Bediensteten zu stellen und für Aufklärung zu sorgen. Dazu gebe es disziplinar- und strafrechtlich geeignete Instrumente. Dem schloss sich Johannes Margreiter (NEOS) an. Die Versuche, die WKStA zu „desavouieren“, würden zeigen, dass es eine interne behördliche Aufarbeitung brauche. Das derzeitige System fördere die Vorteile Einzelner anstatt die Anliegen der Allgemeinheit, so Margreiter.

Christian Stocker (ÖVP) wies den Vorwurf der ÖVP-Angriffe auf die Justiz zurück, sah aber Aufarbeitungsbedarf seitens des Justizministeriums, da die WKStA ein „bedenkliches Eigenleben“ entwickelt habe. Der aktuell tagende Untersuchungsausschuss sei der richtige Ort für die politische Aufarbeitung der Vorwürfe. Obwohl man inhaltlich nicht weit auseinander sei, gebe es in einem Rechtsstaat Mechanismen, wie man auf Missstände reagiere, betonte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Auch die Grünen-Mandatarin verwies auf die Abklärung der politischen Verantwortung im Untersuchungsausschuss.

NEOS-Antrag zu unabhängigem Bundesstaatsanwalt

In einem ebenfalls von den Koalitionsparteien vertagten Entschließungsantrag bekräftigen die NEOS ihre Forderung nach einem unabhängigen Bundesstaatsanwalt. Es müsse alles getan werden, damit der Verdacht von Voreingenommenheit oder politischer Einflussnahme gar nicht erst entstehen kann. Um die Staatsanwaltschaft deutlich als Teil der unabhängigen dritten Staatsgewalt Justiz sichtbar zu machen, sei es daher dringend geboten, die Weisungsbefugnis einem parteipolitisch unabhängigen und fachlich höchstqualifizierten Organ zu übertragen, betont NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter in seinem Vorstoß (361/A(E)).

Da die Zeit dränge, wolle er mit seinem Entschließungsantrag die Einführung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts vorantreiben, betonte Johannes Margreiter (NEOS) in seiner Wortmeldung. Bereits der Österreich-Konvent hätte sich dafür ausgesprochen.

Christian Stocker (ÖVP) verwies auf zwei im Justizministerium eingesetzte Arbeitsgruppen, die sich mit diesem Thema beschäftigen würden. Hier gelte es, deren Ergebnisse abzuwarten, um dann weitere Schritte zu setzen. Ähnlich argumentierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Man brauche eine politikfreie Weisungsspitze „wie einen Bissen Brot“, wolle aber den damit beschäftigten Arbeitsgruppen nicht vorgreifen.

Die FPÖ lehne weiterhin die Einführung eines Bundesstaatsanwalts ab, bekräftigte Harald Stefan für seine Fraktion. Dieser sei niemandem Rechenschaft schuldig, zudem werde mit der Schaffung einer weiteren Behörde die Justizministerin entmachtet.

NEOS für Abschaffung der „Mascherlposten“ im Justizressort

Stephanie Krisper (NEOS) übt Kritik an der im Justizministerium geübten Praxis von zeitlich unbegrenzten Zuteilungen und Beförderungen auf Planstellen, die von der beförderten Person tatsächlich nie bekleidet werden. Bei diesen so genannten „Mascherlposten“ handle es sich nicht um den gegenseitigen Austausch zwischen Ministerium und justizieller Kerntätigkeit, sondern vielmehr um gezielte Protektion einzelner Günstlinge, gibt sie zu bedenken und drängt in einem Entschließungsantrag (460/A(E)) auf eine Beendigung dieser Art von Postenvergabe. Krisper plädiert vor allem dafür, die Besetzung von Planstellen an die tatsächliche Ausübung zu binden. Auch diese NEOS-Initiative wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Im Sinne des „Gebots von Transparenz und Sparsamkeit“ gehöre dieser Missstand beseitigt, argumentierte Johannes Margreiter (NEOS). Temporäre Dienstzuteilungen seien durchaus in Ordnung, in der Justiz herrsche jedoch teilweise die Praxis, Personen für Planstellen zu ernennen, ohne dass diese jemals diese Funktion ausüben würden. Auch für Selma Yildirim (SPÖ) sind Dienstzuteilungen sinnvoll, diese würden aber seitens der Politik „missbraucht“ und so das Vertrauen in den Rechtsstaat schwächen.

Ihm sei das Problem grundsätzlich bekannt, dahinter stehe aber das Modell der Selbstverwaltung in der Justiz, um den Personalaustausch zu fördern, unterstrich Georg Bürstmayr (Grüne). Man arbeite an einer Lösung zur Beseitigung der „Mascherlposten“, ohne die „komplexe Maschine des Justizsystems“ zu beschädigen. Dem schloss sich Gertraud Salzmann (ÖVP) an. Man wolle die Dienstrechtsreform sowie die Auswirkungen der zusätzlichen Planstellen für die Justiz abwarten.

FPÖ für Entschädigungszahlungen zu Krisenmaßnahmen

Entschädigungszahlungen an Personen, die „durch gesetzwidrige Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben“, fordert die FPÖ mit einem Entschließungsantrag (2321/A(E)). Seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 würden sich demnach die ÖsterreicherInnen mit Einschränkungen ihrer Grund- und Freiheitsrechte konfrontiert sehen, zählen die AntragstellerInnen etwa Lockdowns, Ausgangssperren, Demonstrationsverbote, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Zutrittsbeschränkungen, Testpflicht und eine mittlerweile „mehr als nur indirekte Impfpflicht“ auf. Auch im Bericht der Volksanwaltschaft zur COVID-19-Politik im Jahr 2020 werde der FPÖ zufolge der „türkis-grünen Bundesregierung“ ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt, heißt es in dem von ÖVP und Grünen vertagten Entschließungsantrag.

Harald Stefan (FPÖ) ortete „massive Einschnitte in das Leben der Menschen“ durch gesetzeswidrige Verordnungen. Dies betreffe in etwa 20.000 verhängte Strafen für Verordnungen, die wieder aufgehoben wurden. Die Republik solle die Größe haben, Fehler und die verursachten Folgen einzugestehen.

„Die Forderungen nach einer Amnestie sind so alt wie die Pandemie selbst“, erwiderte Georg Bürstmayr (Grüne). Es habe auch vor der Pandemie Vorschriften gegeben, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben habe. Auch in diesen Fällen sei es zu keiner Rückerstattung von Verwaltungsstrafen gekommen.

SPÖ für Verbesserung der Arbeitsbedingungen für GerichtsdolmetscherInnen

Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von GerichtsdolmetscherInnen fordern die SozialdemokratInnen ein Gesetzespaket, mit dem unter anderem festgelegt werden soll, dass nur Personen, die allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert sind, an Verhandlungen bei Gericht oder Vernehmungen bei der Polizei hinzugezogen werden dürfen. Für die Beiziehung noch nicht zertifizierter GerichtsdolmetscherInnen sei eine adhoc-Beeidigung vorzunehmen. Mit einer Regierungsvorlage vom Oktober 2021 seien die Gebühren für GerichtsdolmetscherInnen zwar teilweise erhöht und Fristen und Verrechnungsmethoden verbessert worden, die Erhöhungen würden aber erst mit 1. Juli 2022 in Kraft treten, kritisiert die SPÖ in ihrer ebenfalls von den Regierungsparteien vertagten Initiative (2036/A(E)).

Jeder und jede habe das Recht auf ein faires Verfahren, unterstrich Ruth Becher (SPÖ). Dies gehe aber nur mit qualifizierten GerichtsdolmetscherInnen. Das sah FPÖ-Mandatar Harald Stefan ähnlich. Nur im Ausnahmefällen dürften nicht gerichtlich beeidigte DolmetscherInnen herangezogen werden.

Man habe im Jahr 2021 die Gebühren für GerichtsdolmetscherInnen „auf Stand gebracht“ und wolle die Auswirkungen darauf abwarten, erklärte Bettina Zopf (ÖVP) die Vertagung durch die Koalitionsparteien.

SPÖ-Antrag zu Gewaltambulanzen

Außerdem fordern die SozialdemokratInnen in einem erneut vertagten Antrag (1638/A(E)), die gesetzlichen Grundlagen für rechtsmedizinische Gewaltambulanzen zu schaffen. Diese sollen bei Gewalt objektiv und professionell Beweise sichern und Verletzungen dokumentieren, die vor Gericht verwendet werden können. Geht es nach der SPÖ, soll das Ziel letztlich ein flächendeckendes, rund um die Uhr zugängliches und niederschwelliges Angebot an Gewaltambulanzen sein, das für die Opfer kostenlos ist.

In der Praxis gebe es mangels fehlender Beweise viele Freisprüche, weshalb die Schaffung von Gewaltambulanzen dringend notwendig sei, betonte Selma Yildirim (SPÖ). In Unfallambulanzen oder anderen Einrichtungen gebe es oftmals nicht die Kompetenzen und Zeit, um Gewaltverletzungen zu dokumentieren.

Laut Gudrun Kugler (ÖVP) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne) ist seit der Antragstellung vieles geschehen, wie etwa die Maßnahmen im Gewaltschutzpaket belegen würden. Man wolle die von der Justizministerin in Auftrag gegebene Studie zu Gewaltambulanzen abwarten, um nicht „ins Blaue hinein“ Maßnahmen einzuführen, so Prammer. Ziel sei es, die Studie im November 2022 zu präsentieren, um daraus die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten, informierte Justizministerin Alma Zadić. (Schluss Justizausschuss) med

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