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„Regionauten“-Beiträge nicht ausreichend gekennzeichnet

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Wien (OTS) – Der Senat 3 des Presserats befasste sich mit dem Beitrag „PCR-Test unzuverlässig: Tourismusbetrieb mit 4 falsch-positiven Ergebnissen“, erschienen am 11.08.2020 auf „meinbezirk.at/niederoesterreich“. Nach Meinung des Senats 3 verstößt dieser „Regionauten“-Beitrag gegen Punkt 3 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Unterscheidbarkeit).

Im Beitrag befasste sich der Autor mit der Thematik falsch-positiver Testergebnisse von PCR-Tests bei SARS-CoV-2 und führte aus, dass ein Unternehmer seine Mitarbeiter habe testen lassen und vier von acht Mitarbeitern ein positives Ergebnis aufgewiesen hätten. Ein neuerlicher Test der vier positiven Personen zwei Tage später sei dann aber negativ gewesen. Die Antwort darauf sei einfach, der PCR-Test liefere „bei der derzeit extrem geringen Infektionsrate über 90 Prozent falsch-positive Ergebnisse“, wobei längst bekannt sei, dass der Test bei rund 2 % der durchgeführten Tests ein falsch-positives Ergebnis liefere. Eine Leserin wandte sich an den Presserat und kritisierte den „Regionauten“-Beitrag aus inhaltlicher Sicht.

Die Medieninhaberin nahm am Verfahren teil. Ihre Rechtsanwältin führte aus, dass sie bloß als „Host-Provider“ fungiere, da es sich um einen „Regionauten“-Beitrag handle. Solche Beiträge seien mit einem speziellen Logo gekennzeichnet, und außerdem befänden sich diese in der eigenen Rubrik „Regionauten-Community“. Die Bezeichnung „Regionaut“ gelte für registrierte Nutzer, die externe Inhalte veröffentlichen – von der Medieninhaberin würde lediglich Speicherplatz zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis sei die Letztverantwortung des Contents des betreffenden Beitrages klar beim „Regionauten“ und nicht bei der Betreiberin der Website gelegen, die sich daher zum Inhalt des Beitrags nicht äußern wollte. Zuletzt merkte die Rechtsanwältin noch an, dass die Medieninhaberin den inkriminierten Beitrag in der Zwischenzeit offline genommen habe.

Vorab bewertet der Senat das Vorbringen der Medieninhaberin, dass sie für „Regionauten“-Beiträge lediglich Hostprovider sei, als ein juristisches Argument. Die Grundlage für die medienethische Bewertung des Senats ist ausschließlich der Ehrenkodex für die österreichische Presse, das juristische Argument geht somit ins Leere (siehe Punkt 1.2 des Ehrenkodex). Anschließend hält der Senat fest, dass es bei journalistischen Darstellungen für die Leserinnen und Leser ausreichend klar sein muss, ob es sich um Tatsachenberichte oder um Fremdmeinungen handelt (Punkt 3.1 des Ehrenkodex). Sofern auf den ersten Blick zu erkennen ist, dass es sich bei einem Beitrag um die Veröffentlichung einer Fremdmeinung handelt, ist eine spezielle Kennzeichnung nicht erforderlich.

Aufgrund dieser medienethischen Vorgabe prüft der Senat, ob sich der Beitrag von anderen redaktionellen Berichten des Mediums ausreichend unterscheidet. Ausschlaggebend sind dabei Kriterien wie z.B. die Bezeichnung des Beitrags, die optische Aufbereitung oder ein entsprechender Hinweis: Der Senat betont zunächst, dass sich der „Regionauten“-Beitrag in Bezug auf das Erscheinungsbild (z.B. Schrift, Design, Layout) nicht wesentlich von den übrigen redaktionellen Veröffentlichungen auf „meinbezirk.at“ unterscheidet. Für den Senat ist es daher naheliegend, dass „Regionauten“-Beiträge von den meisten Leserinnen und Lesern als redaktionelle Artikel des Online-Mediums wahrgenommen werden, insbesondere wenn ein solcher Beitrag über soziale Medien verbreitet wird.

Im vorliegenden Fall erschien der Beitrag zwar in der Rubrik „Regionauten-Community“; dies wird auch im Beitrag oberhalb des Namens des Autors so ausgewiesen. Der Senat betont, dass es sich beim Begriff „Regionaut“ um einen vom Medium kreierten Begriff handelt, der nach Auffassung des Senats jedoch nicht allen Leserinnen und Lesern geläufig sein dürfte; den meisten dürfte es auch nicht bewusst sein, dass man keine (journalistischen) Qualifikationen erfüllen muss, um als „Regionaut“ Beiträge zu veröffentlichen. Schließlich findet sich die Bezeichnung „Regionaut“ lediglich in kleiner Schriftgröße oberhalb des Namens des Autors. Darüber hinaus stuft der Senat das für die „Regionauten“-Beiträge verwendete Logo als verhältnismäßig unauffällig ein. Das kleine Logo lässt weder erkennen, dass es sich bei einem Beitrag um eine Fremdmeinung handelt, noch wird es ausschließlich für die „Regionauten“-Community angewandt: So erscheint dasselbe Logo auch bei Beiträgen von Autorinnen und Autoren in der Rubrik „Freie Redaktion“. Das Logo ist insgesamt somit nicht geeignet, den Charakter einer Fremdmeinung deutlich genug hervorzuheben.

Nach Ansicht des Senats war die unzureichende Kennzeichnung beim vorliegenden Userbeitrag besonders problematisch, da darin ein heikles bzw. wissenschaftlich komplexes Thema (Zuverlässigkeit von PCR-Tests) behandelt wurde. In Hinblick auf den Inhalt des Beitrags hält der Senat fest, dass offenbar einige Fakten nicht gewissenhaft und korrekt recherchiert und wiedergegeben wurden, u.a. dürfte nicht überprüft worden sein, ob die Annahme einer Falsch-Positiv-Rate von 2 % anhand der tatsächlichen Zahlen in der Praxis plausibel erscheint. So weisen die Daten der AGES im Zeitraum von 01.06.2020 bis 01.08.2020 eine Positiv-Rate von ungefähr knapp über 1 Prozent aus. Allein schon diese Diskrepanz spricht gegen die Annahme des Autors von 2 % falsch-positiven Testergebnissen.

Ferner merkte der Senat auch an, dass das Medium wegen Beiträgen des Autors schon zuvor vom Presserat kontaktiert worden war. In diesem Zusammenhang regten die Senate des Presserats bereits an, die „Regionauten“-Beiträge von den redaktionellen Inhalten besser abzugrenzen und darauf hinzuweisen, dass in diesen Beiträgen ausschließlich die Privatmeinung der Userinnen und Usern zum Ausdruck kommt. Im Ergebnis wurde der kritisierte Beitrag ähnlich wie ein redaktioneller Artikel aufbereitet. Auch wenn der Zusatz „Regionauten-Community“ beim Beitrag aufschien, lag aufgrund des einheitlichen Schriftbilds und Layouts keine ausreichende Abgrenzung von den redaktionellen Beiträgen vor. Die Medieninhaberin wird aufgefordert, über den Ethikverstoß freiwillig zu berichten und die „Regionauten“-Beiträge in Zukunft entsprechend zu kennzeichnen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „meinbezirk.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberinnen der „Bezirksblätter Niederösterreich haben die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

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