Offener Brief von Rechtsanwalt Mag. Karl Liebenwein an Dr. Christian Rainer, Profil
Wien (OTS) – Sehr geehrter Herr Chefredakteur und Herausgeber,
in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „profil“ (27/2021) veröffentlichen Sie ausführliche Berichterstattung über unseren Mandanten DDr. Michael Tojner und die Rechtsstreitigkeit mit der burgenländischen Landesregierung bzw. mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.
Ich möchte Sie in einem offenen Brief adressieren, stellvertretend auch für viele andere österreichische Medien, die seit 2019 kontinuierlich in vergleichbarer Weise über diese Causa berichten. Diese greifen dabei alle auf offenbar zugespielte Bruchstücke des Ermittlungsaktes zurück, zitieren ausführlich die geäußerten unbewiesenen Vorwürfe und tragen damit zu einer massiven Vorverurteilung von DDr. Tojner bei, für den – wie für jeden anderen Staatsbürger auch – die Unschuldsvermutung gilt.
Es liegt mir fern, die journalistische Arbeit oder Qualität heimischer Medien in Zweifel zu ziehen, aber es sei mir gestattet an diesem Punkt eine offene Frage zu stellen: Ist alles, was medienrechtlich nicht verboten ist, auch mit den Werten einer demokratischen Gesellschaft vereinbar und vertretbar?
Die Staatsanwaltschaft hat die wichtige Aufgabe, sowohl Be- als auch Entlastendes zusammenzutragen. Wir befinden uns mitten in dieser – von Gesetzes wegen nicht öffentlichen – Ermittlungsphase, sprechen also weder von Anklage noch einem Gerichtsverfahren. Dass das Ermittlungsverfahren nach dem Gesetz nicht öffentlich ist, hat auch einen Grund: Ein Ermittlungsverfahren wird bereits dann eröffnet, wenn ein bloßer „Anfangsverdacht“ besteht. Trotzdem trägt die einseitige Berichterstattung seit nunmehr über zwei Jahren dazu bei, Michael Tojner bereits jetzt als Schuldigen dastehen zu lassen. Ein nicht wiedergutzumachender Reputationsschaden ist die Folge und damit auch massive negative Implikationen für seine unternehmerischen Funktionen, an denen aktuell etwa 10.000 Arbeitsplätze hängen.
Die Causa selbst hat ihren Ausgangspunkt in einer 2018 eingebrachten Sachverhaltsdarstellung der Wiener Grünen über fehlerhaft durchgeführte Entzugsverfahren im Gemeinnützigen Wohnbau gegen die burgenländische Landesregierung. Diese hat dann Anfang 2019 ihrerseits die Vorwürfe in einer eigenen Anzeige gegen u.a. unseren Mandanten weitergegeben. Die Ermittlungen im Zuge der Anzeige der Grünen sind seit langem eingestellt, jene des Landes Burgenland läuft jedoch seit mehr zwei Jahren gegen über 40 Personen. Im medialen Scheinwerfer steht immer DDr. Tojner und dies, obwohl selbst der burgenländische Landesrechnungshof in seinem Prüfbericht von Mai 2020 zum eindeutigen Ergebnis kommt, dass das Land Burgenland in den Entzugsverfahren selbst schwere Fehler gemacht hat. Trotz dieser klaren und detaillierten Analyse der Verantwortlichkeiten in den Entzugsverfahren hat sich DDr. Michael Tojner wiederholt bereiterklärt, eine allfällige Neudurchführung der Verfahren durch die dafür verantwortliche Landesverwaltung zu unterstützen. Eine solche gemeinsame Lösung wird der Landesregierung seit 2019 angeboten und obwohl es intensive Gespräche auf Ebene der Rechtsvertreter gab, hat sich das Land Burgenland bisher nicht bewegt. Ein Umstand, der schwer zu verstehen ist – könnte doch ein solcher Objektivierungsprozess den Streitfall endlich bereinigen.
Sehr geehrter Herr Dr. Rainer, sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten des „profil“ – wie Sie selbst sehen, gibt es nicht nur einen Blickwinkel auf diese juristisch sehr komplexe Causa. Diese in allen Details aufzuklären ist primäre Verantwortung der Justizbehörden. Investigativer Journalismus kann wertvolle Hinweise liefern – etwa, wenn der Staatsanwaltschaft dadurch neue Informationen oder Hintergründe bekannt werden, die sonst verborgen geblieben wären. Das reine Zitieren bereits vorliegender Schriftstücke oder Aktenbestandteile, die noch dazu aus dem Zusammenhang gerissen werden, entspricht aber wohl nicht dieser wichtigen journalistischen Aufgabe.
Was derzeit in der „Causa Burgenland“ und seiner medialen Darstellung passiert, ist auf viele andere Fälle übertragbar, in denen prominente Persönlichkeiten involviert sind. Persönlichkeitsrechte und die Unschuldsvermutung stehen immer öfter nachrangig hinter der großen Schlagzeile. Es erscheint mir deshalb legitim und sogar dringend notwendig, diese journalistische Praxis zur breiten, objektiven Diskussion zu stellen. Und es würde mich sehr freuen, Ihre Einschätzung zum skizzierten Problemkreis zu erfahren, aber auch andere Vertreter/innen aus Journalismus, Justiz und Politik zu hören. Unser gemeinsames Ziel kann nur sein, die unbeeinflusste, objektive Arbeit der österreichischen Justiz sicherzustellen und einen Journalismus zu unterstützen, der frei und unabhängig agieren kann, dabei aber verantwortungsvoll mit den Menschen hinter den Geschichten umgeht.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Liebenwein
Liebenwein Rechtsanwälte GmbH
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