10. Wiener Gemeinderat (2)
Wien (OTS/RK) – Das Thema der Aktuellen Stunde hatte die FPÖ eingebracht, es lautete „Freiheit für Wien! Keine Corona-Schikanen und Zugangsbeschränkungen!“.
GR Maximilian Krauss (FPÖ) meinte, die Bundesregierung treffe in der Pandemie seit mehr als einem Jahr die falschen Entscheidungen, und die Wiener Landesregierung mache bei dieser „hysterischen, panischen Corona-Politik“ mit. Immer, wenn sich Bürgermeister Ludwig mit „sogenannten Experten“ zusammensetze, folgten daraus „Nachteile und Beschränkungen für die Wiener Bürger“. Das Motto müsse, ganz im Gegenteil, „Wien öffnen!“, lauten, forderte Krauss, und erinnerte an „extrem niedrige Inzidenz-Zahlen“. Die „ganze Welt“ würde über Österreich und Wien für die 3-G-Regel (getestet, genesen oder geimpft) „lachen“; damit werde den „Beisln und Gaststätten der Todesstoß“ versetzt. Die verpflichtende Gastro-Registrierung („Schikane“) existiere nur zum Datensammeln, mutmaßte Krauss, verunsichere die Bevölkerung und sei vom Verfassungsgericht als rechtswidrig bewertet. Auch die 10-Quadratmeter-Regel stelle kleine Handelsgeschäfte vor Existenzprobleme. Krauss wechselte zum Schulbereich: Home Schooling habe „riesige Verlierer“ gebracht, weil sozial benachteiligte Kinder noch mehr „im Stich gelassen“ worden seien – und jetzt im Schulgebäude „in die Maskenpflicht gedrängt“ werde. Zuletzt forderte er eine Rückkehr des Gemeinderats in den großen Sitzungssaal: „Hören wir auf mit der Maskerade hier im Festsaal, mit Abständen an die sich niemand hält.“
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) begann mit der Aussage:
„Freiheit braucht Verantwortung.“ Für diese Position würde die Stadtregierung stehen. Es gelte „Balance zwischen der Pandemie und den Öffnungsschritten zur Normalität zu halten,“ so wie es beispielsweise im „eigenen Ressort“, dem Bildungsbereich der Stadt, passiert sei, so Gara. Die Abgeordneten der FPÖ, „die völlig befreit von Wissenschaft reden und agieren“, forderte er auf, etwa KindergärtnerInnen oder KrankenpflegerInnen zu fragen, wie deren tägliche Situation und der Umgang mit der Pandemie denn sei. „Die einzige Chance“, die Pandemie zu beenden, sei die Impfung. „Eigentlich müssten Sie die Menschen auffordern, zur Impfung zu gehen“, appellierte Gara in Richtung der FPÖ.
StR Peter Kraus, BSc (Grüne) vermisste „eine Lösungsbereitschaft bei der FPÖ, die die Wiener Bevölkerung in irgendeiner Weise weiterbringt“. Der Freiheitsbegriff der Freiheitlichen sei „seltsam“, und es habe nichts mit Freiheit zu tun, „wenn man andere durch Polemik wissentlich einer Gefährdung aussetzt“. In Pandemie-Zeiten sei „Zurückstecken zum Schutz der Mitmenschen angebracht“, so Kraus. „Wichtig“ sei es, auf die Wissenschaft zu hören, man könne nicht das ganze vergangene Jahr und die Erkenntnisse aus dieser Zeit „vom Tisch wischen und so tun, als ob nicht viele Tausend Menschen an Corona gestorben sind“. Die Erfolge der vergangenen 15 Monate in der Pandemiebekämpfung sollten im Mittelpunkt der Debatte stehen, und nicht das „Destruktive“. Durch den ständigen Impffortschritt werde wieder „Normalität“ einkehren, und zwar auf Grundlage von Wissenschaft und nicht durch „Beten im Parlament“.
StRin Mag. Isabelle Jungnickel (ÖVP) begrüßte zwar die Wahl des Themas dieser Aktuellen Stunde, warf aber der FPÖ vor, wie der „G’schupfte Ferdl“ im Lied von Helmut Qualtinger zu agieren: „Ich weiß zwar nicht wohin ich unterwegs bin, aber dafür bin ich schneller da.“ Jetzt würde Schritt für Schritt die Normalität zurückkommen, was die Bundesregierung mit „großen Beträgen unterstützt hat“. So habe der Bund das Land Wien mit 7,8 Milliarden Euro unterstützt und damit Jobs gesichert. Dieser Betrag sei um das 13-fache höher als die Unterstützung der Stadt für die Wienerinnen und Wiener mit rund 600 Millionen Euro. Um die Wiener Wirtschaft anzukurbeln, wünschte sich Jungnickel die Umsetzung von Tourismuszonen in der Stadt und den Abbau von Bürokratie: „Zwar wurde das auch im aktuellen Regierungsübereinkommen festgehalten, doch Papier ist bekanntlich geduldig, geschehen ist leider nichts.“ Jungnickel schloss: „Ich bin für mehr Freiheit für Wiener Unternehmen, denn das werden wir in nächster Zeit brauchen.“
GRin Mag. Mag. Pia Maria Wieninger (SPÖ) bemerkte, „was für die FPÖ Schikanen sind, ist für andere eine Politik mit Weitblick.“ Die Wiener Bevölkerung habe der Stadtregierung eine „große Verantwortung“ übertragen, „und die nehmen wir auch wahr“, so Wieninger. Etwa mit der Aktion „Alles gurgelt“, die Wien zu einer „internationalen Vorreiterin“ im Bereich der PCR-Tests mache. Heute würden im Lauf der Sitzung des Gemeinderats weitere 10 Millionen Euro für das Contact Tracing beschlossen werden, um damit Cluster-Bildungen und damit die Verbreitung von Corona zu verhindern. „Die Erfolge im Kampf gegen Corona kommen in Wien nicht von ungefähr, denn Entscheidungen werden hier wissensbasiert auf Rat von Expertinnen und Experten getroffen“, sagte Wieninger, die „koordinierte und ehrliche Politik dem Populismus der FPÖ“ vorziehe. Gerade in Zeiten einer Pandemie sei „die Spaltung der Gesellschaft entbehrlich“, so Wieninger in Richtung der FPÖ.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) kritisierte das Wissenschaftsverständnis einiger seiner Vorredner: „Wissenschaft passiert durch Falsifikation und durch Widerlegung von Theorien und nicht durch Mehrheitsbeschluss von Meinungen der Experten – deswegen sind die Maßnahmen der Stadt, die auf dieser Wissenschaft basieren, falsch.“ Der Schaden für den Wirtschaftsstandort von 175 Milliarden Euro sei entstanden, weil Entscheidungen „auf falscher Basis“ getroffen worden seien. Das Geld für Corona-Maßnahmen hätte man in Wiener „Krankenhäuser und Schulen investieren können, um für den Herbst gerüstet zu sein“, sagte Nepp, der daran zweifelte, dass „Impfen und Testen mit der Pandemie Schluss machen“ würden.
GR Markus Ornig, MBA (NEOS) bedankte sich für die Solidarität in der Gesellschaft und lobte das „angenehme Klima“ in Lokalen, „wo sich keiner – so wie es die Freiheitlichen vermuten – darüber aufregt, dass er nur mit Tests reinkommt. Die Einzigen, die sich aufregen, seid’s ihr“, sagte Ornig in Richtung der FPÖ. Viele Menschen würden in diesen Tagen Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen übernehmen, „was in Wien sehr gut funktioniert“, dafür zeigte Ornig „sehr dankbar“. Die Bundesregierung habe zwar viel Geld für Wirtschaftsförderungen ausgegeben, dennoch sei Österreich in der Wirtschaftsleistung im europäischen Vergleich „nur weit hinten zu finden, vielleicht sind da die Förderungen nicht an der richtigen Adresse angekommen“. Zum Schluss formulierte Ornig eine Bitte: „Mein Branche, die Veranstaltungsbranche, wird wohl bei den Öffnungen als letzte wieder zum Zug kommen, deshalb sollte der Härtefall-Fonds der Bundesregierung in diesem Bereich bis zum nächsten Jahr verlängert werden.“
GRin Mag. Barbara Huemer (Grüne) begrüßte die Rückkehr des öffentlichen und privaten „normalen“ Lebens. „Es ist eine Freude in den Lokalen und in der Öffentlichkeit den Menschen zuzusehen.“ Möglich sei das, weil die Kennzahlen sinken und sich immer mehr Menschen impfen lassen würden. „Wir alle haben in den letzten 15 Monaten viel dazu beigetragen, noch mehr haben darüber hinaus viel geschultert – die Wienerinnen und Wiener haben damit ein großartiges Zeichen der Solidarität gesetzt“. Zwar seien Freiheitsrechte eingeschränkt worden, „doch nicht aus Jux und Tollerei, sondern um Leben und Gesundheit der Menschen zu retten“, so Huemer. „Freiheit heißt für uns Grüne, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen“, dazu würde die Stadt Wien viel beitragen. Die FPÖ würde den Begriff Freiheit falsch verstehen, „denn es braucht das Abwägen von Risiken und nach einem demokratischen Diskurs mitunter auch Verbote.“
GR Markus Grießler (ÖVP) sagte, die von der Bundesregierung gesetzten Wirtschaftsförderungen hätten und würden Österreich „gut durch die Krise bringen“. Es sei „eine schöne, aber auch gefährliche Utopie“ jetzt alles zu öffnen und auf die Tests und das Impfen zu verzichten. „Es geht um Sicherheit für Wienerinnen und Wiener und Gäste, aber auch für Unternehmungen. Also um die Planungssicherheit für Unternehmerinnen und Unternehmer, die im wirtschaftlichen Leben für den Erfolg so wichtig ist“, formulierte Grießler und plädierte dafür, Öffnungsschritte rechtzeitig zu kommunizieren und „in Wien keinen Sonderweg zu gehen“, denn dies würde verunsichern. Der Grüne Pass – „hier ist Österreich europaweit Vorreiter“ – werde Sicherheit im Reisen ermöglichen, Gäste nach Österreich und Wien bringen und damit einen wirtschaftlich „guten“ Sommer ermöglichen.
GR Mag. Josef Taucher (SPÖ) sagte, der Begriff Freiheit sei eigentlich wertneutral, erst durch den Kontext würde der Begriff einen Wert erhalten, denn: „Freiheit ohne Ordnung ist Chaos, Ordnung ohne Freiheit ist Diktatur.“ In Wien würde eine „solidarische Freiheit“ von den Verantwortlichen gelebt werden. Die FPÖ würde eine Freiheit propagieren, die Wien ins Chaos stürzen würde. „Wir wollen Freiheit mit Sicherheit und Solidarität, die die Wienerinnen und Wiener gut und gesund durch die Krise bringt“, so Taucher. (Forts.) esl/nic
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