Spitalsärzte klagen über „massive Arbeitsüberlastungen“
Wien (OTS) – Das gesamte medizinische Fachpersonal ist durch die Pandemie seit Monaten massiv belastet – sowohl körperlich als auch psychisch. Im Hinblick darauf, dass diese großen Belastungen und deren Folgen die Pandemie überdauern werden, hat die Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien in einer Umfrage eruiert, wie prekär die Situation tatsächlich ist. In Kooperation mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Pitters Trendexpert wurden im April 2021 alle angestellten Ärztinnen und Ärzte in Wien befragt. ****
Mittels der Umfrage wollte die Ärztekammer erfahren, wie die Ärzteschaft den aktuellen Arbeitstag während der Pandemie erlebt, wie die Belastungen konkret die tägliche Arbeit beeinflussen und welche Lösungen in Zukunft die Arbeit erleichtern können.
Von der Ärztekammer beauftragt wurde die unabhängige Beratungsfirma Pitters Trendexpert. Insgesamt konnten 8.200 angestellte Kolleginnen und Kollegen in Wien telefonisch beziehungsweise elektronisch und anonym teilnehmen. Die Beteiligungsquote betrug 21,5 Prozent, das entspricht 1.765 Ärztinnen und Ärzten.
„Die Stichprobe ist repräsentativ und besitzt mit der aufgezeigten Rücklaufquote eine hohe Validität“, erklärt Harald Pitters, Geschäftsführer von Pitters Trendexpert, der auch betont: „Umfragen dieser Art, die eine Teilnahmequote von etwa 25 Prozent aufweisen, sind höchst aussagekräftig.“
Arbeitsalltag offenbart „katastrophale Zustände“
Im Rahmen des Arbeitsalltags wurde abgefragt, wie sich die Ärztinnen und Ärzte sowohl körperlich als auch psychisch fühlen. Die Ergebnisse sind dramatisch: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) fühlen sich oft oder sehr oft emotional erschöpft, fast ident hoch (52 Prozent) ist die Zahl bei körperlicher Erschöpfung.
Mehr als ein Viertel (29 Prozent) fühlt sich oft oder sehr oft im Job alleingelassen, knapp ein Viertel (23 Prozent) fühlt sich geschwächt oder anfällig, selbst krank zu werden. Mehr als die Hälfte hat schon einmal daran gedacht, an einem Burnout zu leiden, 14 Prozent empfinden dies sogar als oft oder sehr oft.
„Bei 8.200 Ärztinnen und Ärzten sind das mehr als 1.000 Betroffene, die sich kurz vor einem Burnout sehen“, erklärt Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien. „Die Umfrage hat uns katastrophale Zustände offenbart, wir sind um die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen sehr besorgt.“ Es dürfe nicht sein, dass mehr als die Hälfte des Gesundheitspersonals sich sowohl körperlich als auch psychisch „am Ende“ sieht.
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) hat auch zumindest einmal darüber nachgedacht, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, 31 Prozent haben eine solche bereits in Anspruch genommen. Gingold:
„Fast ein Drittel unserer Spitalsärztinnen und -ärzte sehen also aufgrund der enormen Überbelastung die Notwendigkeit, selbst zum Arzt oder zur Ärztin zu gehen – das ist ein weiteres Warnsignal.“
Ebenso gefährdet sehen die Spitalsärztinnen und -ärzte ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Gesundheitsberufen im Spital. 86 Prozent sind der Ansicht, dass die weiteren medizinischen Berufsgruppen ebenfalls emotional erschöpft sind, 83 Prozent attestieren diesen auch eine körperliche Überbelastung.
Kündigungswelle mit „verheerenden Folgen“
Die Konsequenzen dieses Arbeitsalltags und der prekären Arbeitsbedingungen sind für viele Befragten ebenfalls eindeutig: Mehr als die Hälfte (52 Prozent) haben schon über einen Jobwechsel beziehungsweise eine Kündigung kürzlich nachgedacht, knapp ein Fünftel der Befragten (18 beziehungsweise 15 Prozent) denken darüber oft oder sehr oft nach. Auch hier schlägt Gingold Alarm: „Mehr als 1.500 Ärztinnen und Ärzte denken allein in Wien darüber nach, aufgrund der derzeitigen Arbeitsüberlastungen das Handtuch zu werfen.“
Eine Kündigungswelle im Bereich der Spitalsärzteschaft aufgrund der enormen psychischen und körperlichen Überbelastungen wäre laut Gingold „verheerend“. „Ich fordere die Arbeitgeber auf, bereits jetzt zu beginnen, für Entlastungen zu sorgen“, so Gingold. Für ihn ist „noch nicht absehbar, wann die Pandemie endet“, und deswegen müsse man „bereits jetzt die seit Jahren bekannten Probleme an der Wurzel packen“, bevor sich die Situation noch weiter verschlimmere. (ast)
(Forts.)
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