Justizdebatte: Dringliche Anfrage der SPÖ an Bundeskanzler Kurz im Bundesrat
Wien (PK) – Unter dem Betreff „Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA“ stellte die SPÖ im Bundesrat heute eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die SozialdemokratInnen beziehen sich im Zusammenhang mit der aufgekommenen Justizdebatte über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem auf medial kolportierte Ausführungen, wonach sich der Bundeskanzler in Richtung WKStA kritisch zur Verfahrensdauer geäußert sowie politisches Agieren, aber auch geheime Aktenweitergabe in den Raum gestellt habe. Bundeskanzler Kurz unterstrich demgegenüber, Defizite seien anzusprechen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu finden und verwies auf entsprechende Maßnahmenvorschläge der Justizministerin, die er unterstütze.
SPÖ: Scharfe Kritik an Vorgehensweise von Kurz
Die kolportierten Aussagen beinhalten „ungeheure Vorwürfe“, die geeignet seien, den gesamten Rechtsstaat in seinen Grundfesten zu erschüttern, warf Elisabeth Grossmann (SPÖ/St) dem Bundeskanzler vor. Kurz habe zudem das Justizthema an sich gezogen. Grossmann sprach außerdem von einem „Dirty Campaigning“ eines Regierungschefs gegen die Justiz, wie es das in der Zweiten Republik noch nicht gegeben habe. Umgekehrte Vorwürfe der politischen Einflussnahme weise sie aufs Schärfste zurück.
Die SozialdemokratInnen wollen mit der Anfrage konkret wissen, ob die Berichte über die Ausführungen des Bundeskanzlers zu diesem Thema wahr seien und ob er vorher Rücksprache mit Justizministerin Alma Zadić oder ihrem Ressort gehalten habe. Außerdem möge der Bundeskanzler darüber informieren, ob er etwa mit dem früheren Vizekanzler Josef Pröll oder Ex-Finanzminister Hartwig Löger Kontakt hatte, seit diese Beschuldigte in der Casinos-Affäre seien. „Absolut aufklärungswürdig“ sei auch eine Aussage des Bundeskanzlers, dass er „von zwei leitenden Journalisten“ über eine angebliche Weitergabe geheimer Akten informiert worden sei. In diesem Zusammenhang geht es der SPÖ darum, zu wissen, wer die beiden Journalisten konkret seien.
Die AnfragstellerInnen beziehen sich außerdem auf einen laut Anfrage kürzlich veröffentlichten Revisionsbericht der Oberstaatsanwaltschaft Wien und fordern vom Bundeskanzler ein Bekenntnis, dass die Justiz und insbesondere die WKStA künftig „die längst notwendigen zusätzlichen Ressourcen“ erhalten.
Kurz will Maßnahmen gegen Leaks, Stärkung des Rechtsschutzes und mehr Ressourcen für Justiz unterstützen
Bundeskanzler Sebastian Kurz verwies auf das klare Bekenntnis im Regierungsprogramm zu einer starken und unabhängigen Justiz, weil das die Basis für einen funktionierenden Rechtsstaat sei. Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit habe er einige Defizite angesprochen, um zugleich auch Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Außerdem stehe er selbstverständlich im Austausch mit den Ressorts.
Manche Verfahren würden viel zu lange dauern, so Kurz. Die ÖsterreicherInnen würden sich zurecht erwarten, dass Verfahren zügig durchgeführt werden – auch im Sinne eines funktionierenden Rechtsstaats. Eine problematische Fehlentscheidung sei etwa die rechtswidrige Hausdurchsuchung beim BVT gewesen. Daher sei es wichtig, in der Justiz daran zu arbeiten, den Rechtsschutz zu stärken. Was „Leaks“ betreffe, gehe es hier nicht um konkrete Personen, sondern schlichtweg darum, wie Medien an ihre Information gelangen, so der Bundeskanzler. Aus seiner Sicht entstehe in Österreich manchmal das Gefühl, dass Verfahren „zu öffentlich“ geführt würden und besser vor Gericht aufgehoben wären. Justizministerin Zadić habe nun Maßnahmen vorgeschlagen – und zwar, verbunden mit mehr Ressourcen, die Verfahrensdauern zu verkürzen, „Leaks“ entgegenzusteuern und den Rechtsschutz zu stärken. Das werde er unterstützen, so Kurz.
Die Sozialdemokratie habe vor 20 Jahren versucht, „GenossInnen“ in die Justiz zu bringen, warf der Bundeskanzler außerdem auf. So etwas dürfe in Österreich nicht vorkommen, die Unabhängigkeit der Justiz müsse gewährleistet sein, so Kurz.
Zur betreffenden Frage meinte der Bundeskanzler, er treffe bei zahlreichen Events unzählige Personen. Er gehe fest davon aus, auch mit den in der Anfrage genannten Beschuldigten der Casinos-Affäre zusammengetroffen zu sein. In der Anfrage angeführte strafrechtliche Vorwürfe wies er, wie er betonte, aufs Schärfste zurück.
Karl Bader (ÖVP/N) unterstrich die Ausführungen von Bundeskanzler Kurz – über Defizite zu reden, um Lösungen zu finden, sei keine Einflussnahme und kein Angriff auf eine Institution. Was Verfahrensdauern betrifft, ist auch aus seiner Sicht möglichst rasche Klarheit über den Ausgang des Verfahrens wichtig. Beschuldigte dürfen Vorwürfe nicht über Medien erfahren, so Bader. Zudem unterstrich er, dass in der Justiz kein Platz für Parteipolitik sei.
Ingo Appé (SPÖ/K) zeigte sich hingegen „enttäuscht und entsetzt“, da nur „Pauschalantworten“ präsentiert worden seien. Dass Defizite angesprochen werden sollen, stelle niemand in Abrede. Die Art und Weise, wie das jetzt stattgefunden habe, sei des Staates jedoch nicht würdig. Angesichts der Budgetlage mit 90 Millionen fehlenden Euro in der Justiz stelle sich die Frage, ob hier „zu Tode gespart“ werde, wobei Appé auch in der Vergangenheit die Verantwortung bei der ÖVP sieht.
Auch Claudia Hauschildt-Buschberger (GRÜNE/OÖ) warf auf, die Justiz sei seit Jahren chronisch unterfinanziert. Daher begrüße sie, dass es jetzt ein Bekenntnis zu einer wesentlich verbesserten Ausstattung der Justiz gebe. Es gelte nun, in den Budgetverhandlungen der Justiz die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Die Unabhängigkeit der Justiz sei eines der höchsten Güter, so Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N). Die FPÖ nehme die aktuelle Debatte zum Anlass, Postenbesetzungen nach „Farben“ bzw. politischer Richtung mit einer Anfrageserie zu durchleuchten. „Schwarz“ und „Rot“ hätten sich jahrzehntelang „die Republik aufgeteilt“, warf Spanring den beiden Fraktionen vor. Kritik an der Justiz sei erlaubt und erwünscht, aber für diesen Fall hinterfragenswürdig. (Schluss Bundesrat) mbu
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