Juncker gegen Einstimmigkeitsprinzip in der europäischen Außenpolitik
Wien (PK) – Ein Plädoyer für ein weltpolitikfähiges Europa hielt Jean Claude Juncker heute bei einem Vortrag im Parlament. Der EU-Kommissionspräsident, der anlässlich des 100jährigen Republiksjubiläums von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen ins Hohe Haus eingeladen wurde, rief die Europäische Union insbesondere zu einer stärkeren Präsenz auf der internationalen Ebene auf. Oberste Priorität haben für Juncker dabei der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika, die Einführung von Mehrheitsbeschlüssen in der europäischen Außenpolitik sowie der Abschluss von Freihandelsabkommen auf Augenhöhe ohne Aufgabe der europäischen Werte.
Juncker gegen Abkehr vom Multilateralismus in den internationalen Beziehungen
Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Umwälzungen, wo alte Regeln aufgekündigt werden und neue Allianzen entstehen – Juncker sprach von einem „Weltgeschichts-Sausen“ -, müsse sich die Union um eine Stärkung der gesamteuropäischen Stabilität bemühen und ihre internationale Präsenz schärfen. Um an Einfluss zu gewinnen, ist es nach Meinung des Kommissionspräsidenten aber unumgänglich, zunächst das eigene Haus zu bestellen. So gelte es, darauf zu achten, dass die Rechtsstaatlichkeit ein Dauerzustand bleibt und nicht einfach zwischen Klammern gesetzt wird. Europa dürfe sich auch nicht auf die Seite derer schlagen, die dem Multilateralismus die kalte Schulter zeigen. Eine möglichst enge Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen ist für Juncker aus diesem Aspekt heraus eine der zentralen Aufgaben der europäischen Außenpolitik. Mit Nachdruck bekannte sich der EU-Kommissionspräsident in diesem Zusammenhang zur Beteiligung Europas an den wesentlichen Entwicklungsprogrammen und zum Engagement an den UN-Einsätzen. Eine klare Absage erteilte er den US-Sanktionen gegen den Iran.
Wachsende Bedeutung komme der Handelspolitik zu, zumal der Wunsch der Welt, mit Europa ins Geschäft zu kommen, zugenommen habe. „Handelsabkommen machen Europa größer als es ist“, steht dabei für Juncker fest, der für Verträge auf Augenhöhe unter Wahrung der europäischen Standards plädierte. Sämtliche Verhandlungsmandate der Europäischen Kommission sollten dabei öffentlich gemacht werden.
Qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse sollen Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik stärken
Wenn es um mehr europäische Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik geht, dann reichen für den Kommissionspräsidenten große Strategien alleine nicht. „Wir müssen konkret etwas tun“, mahnte er. Dies gelinge aber oft nicht, da Europa in der „Dunkelkammer“ der Einstimmigkeit eingeschlossen sei. So gehe es etwa nicht an, dass die EU sich in der Menschenrechtskommission nicht zu Menschenrechtsverletzungen in China äußern könne, weil ein einziges Mitgliedsland dies verhindere. Juncker brach eine Lanze für qualifizierte Mehrheiten in der Außenpolitik und gab zu bedenken, das derzeitige Einstimmigkeitsprinzip nehme Europa die Kraft der Aussage und mache es auf der internationalen Ebene schwächer.
Juncker: Europa muss in der Finanzorganisationen mit einer Stimme sprechen
In Sachen Wirtschaftspolitik will Juncker den Euro in seiner internationalen Bedeutung stärken und damit die europäische Wirtschaftszone handlungsfähiger machen. Wir brauchen mehr Wirtschaftskoordination in der Euro-Zone, eine Vervollständigung der Bankenunion und eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, unterstrich er. In den internationalen Finanzorganisationen wiederum müsse die EU mit einer Stimme sprechen und von einem einzigen Vertreter vertreten werden.
Skepsis in Bezug auf raschen Beitritt der Westbalkan-Staaten
Juncker lenkte in seinem Vortrag den Blick auch auf den Westbalkan und dämpfte dabei allzu optimistische Erwartungen. Der Weg der Westbalkan-Staaten in die EU werde ein langer sein, zumal die Fortschritte noch nicht ausgeprägt genug sind, gab er zu bedenken. Seiner Meinung nach sollte die EU dem Westbalkan einen Raum anbieten, in dem sich die betreffenden Staaten in Teilen schon so bewegen, als ob sie Mitglieder wären. Die EU müsse sich intensiv in der Region einbringen und dafür sorgen, dass die Grenzkonflikte vor einem Beitritt gelöst werden. Klar ist für Juncker jedenfalls aber die zentrale Rolle der Beitrittsperspektive. Wenn wir dem Westbalkan die Aussicht auf den EU-Beitritt nehmen, dann werden die Konflikte aus den 90er-Jahren wieder aufleben, warnte er.
„Afrika braucht Wirtschaftspartner und keine Caritas-Beziehungen“
Große Priorität räumt Juncker Afrika ein. Angesichts des demographischen Wachstums und der aktuellen Migrationsbewegung gelte es, den Fokus auf eine Verbesserung der Lebenschancen der jungen Menschen in Afrika zu legen und durch gezielte, strategische Investitionen Arbeitsplätze zu schaffen. Juncker trat deshalb mit Nachdruck für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen Europas mit Afrika ein. Der Kontinent brauche Partner und Investitionen, aber keine „Caritas-Beziehungen“, brachte er die Dringlichkeit der Herausforderung auf den Punkt. (Schluss Vortrag Juncker) hof
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