„kulturMontag Spezial aus Bregenz“: Vorarlbergs DNA, Festspiele unter neuer Intendanz, Poolbar Festival, Problematik Leerstand
In einem „kulturMontag Spezial aus Bregenz“ am 14. Juli 2025 um 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON begibt sich Kulturjournalist und Moderator Peter Schneeberger anlässlich der bevorstehenden Bregenzer Festspiele nach Vorarlberg. In Fokus der Sendung stehen urbane Lebendigkeit und ländliche Idylle in Österreichs westlichstem Bundesland, weiters geht es um die renommierten Opernfestspiele, das hippe Poolbar Festival in Feldkirch, architektonische Relikte aus dem Bregenzer Wald und interessante Lösungen für den Immobilien-Leerstand. Anschließend an den „kulturMontag“ ist die neue Dokumentation „Josef Frank – Stil & Blüten“ (23.15 Uhr) anlässlich des 140. Geburtstags des österreichisch-schwedischen Architekten und Designers zu sehen.
Schaffa, spara, Hüsle baua – Vorarlbergs DNA
Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger als Bewohner:innen eines Bundeslandes in exponierter Randlage zeichnen sich durch einen starken Heimatreflex aus und sind nicht selten Hardcore-Lokalpatrioten. Ihr alemannisches Sprachidiom mit „gsi“ und „odr“ – für Ostösterreicher durchaus unverständlich –, ihre Liebe zu „Käsknöpfle“ sowie ihr handwerkliches Interesse sind Markenzeichen der sympathisch-selbstbewussten Spezies jenseits des Arlbergs. Wie sieht denn also die DNA von Herrn und Frau Vorarlberger aus? Antworten darauf geben drei Menschen, die längere Zeit außerhalb des „Ländles“ gelebt haben: Philipp Lingg, Singer-Songwriter des Kulthits „Vo Mello bis ge Schoppornou“, weiters der Maler Lorenz Helfer – seines Zeichens Sohn des Schriftstellerehepaares Monika Helfer und Michael Köhlmeier –, sowie eine der jüngsten Haubenköchinnen Österreichs, Milena Broger.
Eine Finnin im Ländle – On Tour mit neuer Bregenzer Festspielintendantin Lilli Paasikivi
Ihr stärkster Charakterzug ist die Fähigkeit, Mauern zu überwinden, innere Stärke zu beweisen und Herausforderungen standzuhalten. Auf Finnisch nennt man das „Sisu“, und Lilli Paasikivi scheint davon jede Menge zu haben. Die 59-jährige Kulturmanagerin und Sängerin ist überzeugt, dass Kunst und Kultur immer wichtig sind und gerade in Krisenzeiten besonders große Bedeutung für die Resilienz einer Gesellschaft haben. Gleich in ihrer ersten Saison, kurz vor der Eröffnung der 79. Bregenzer Festspiele, hat die neue Intendantin mit satten finanziellen Kürzungen zu kämpfen. Denn die öffentliche Hand hat für heuer und für nächstes Jahr die Subventionen um 30 Prozent, das sind 2,1 Millionen Euro, reduziert. In ihrer ersten Saison will Paasikivi ihre nordische DNA spürbar machen, etwa mit dem Choreografen Tero Saarinen. Mit George Enescus „Gänsehaut“-Ouvre „Oedipe“ als Hausoper, einem ihrer Lieblingswerke, eröffnet sie das diesjährige Festival. Auf welche Hindernisse und Highlights Lilli Paasikivi im Ländle stößt und welche künstlerischen Höhenflüge ihr Programm sonst noch zu bieten hat, erkundet Peter Schneeberger.
Ein Schwimmbecken als Kulturhotspot – Poolbar Festival in Feldkirch
Seit mehr als 30 Jahren ist das Poolbar-Festival in Feldkirch fixer Kulturhotspot – jung, offen, kritisch und immer ein bisschen anders. Was einst im ehemaligen Hallenbad der Stella Matutina, einem 1979 geschlossenem Elite-Gymnasium der Jesuiten, begann, ist heute ein europaweit beachteter Event für Musik, Literatur, Design, Film und gesellschaftlichen Diskurs. Das Besondere: Das Poolbar-Festival ist nicht nur Bühne, sondern auch Labor. Im Rahmen der jährlich stattfindenden Poolbar-Generatoren entwickeln junge Kreative aus ganz Europa gemeinsam Programm, Raumkonzepte und Gestaltung – ein demokratischer, partizipativer Ansatz mit hohem künstlerischem Anspruch. Genregrenzen verschwimmen, Newcomer treffen auf internationale Größen. Den Saisonauftakt macht der Wettbewerb des ORF Vorarlberg Sound@V, der in fünf Kategorien vielversprechende Acts aus Vorarlberg, wie u. a. die Band „Ausflug mit Franziska“, ins Rampenlicht rückt. Der „kulturMontag“ zeigt, was Vorarlbergs Alternativ-Pop- und Rockszene heute zu bieten hat – und blickt dabei auch zurück: in die Popgeschichte einer kreativen Grenzregion.
Radikale Lösungen für den Leerstand – Relikte bäuerlicher Gesellschaft im Bregenzerwald
Architektur, Holzbau und baukulturelles Denken haben in Vorarlberg Tradition. Im Ausland vielbeachtet, prägen sie die Identität des Bundeslandes und sind in Zeiten von Ressourcenknappheit und fortschreitender Bodenversiegelung wichtiger denn je. Viele Gebäude im Ländle stehen allerdings leer oder sind deutlich untergenutzt. Diese Häuser sind mitunter Spekulationsobjekte, Masse in Erbschaftsstreitereien, schlichtweg teuer oder entsprechen nicht den heutigen Wohnbedürfnissen der Menschen. Der „kulturMontag“ begibt sich auf Lokalaugenschein in Sachen Leerstand – u. a. in die Bregenzerwälder Gemeinde Hittisau. Wie präsent die Problematik ist und wie viel Potenzial in leestehenden Gebäuden liegt, wenn man sie ins Heute weiterdenkt, wird auch anhand einiger Best-Practice-Beispiele in anderen Vorarlberger Gemeinden gezeigt.
Dokumentation „Josef Frank – Stil & Blüten“ (23.15 Uhr)
Seine Möbel sind zeitlos. Seine farbenfrohen, floralen Stoff- und Tapetendessins sind in aller Welt bekannte Designklassiker und werden heute noch in hoher Auflage produziert bzw. wurden vielfach plagiiert. Nur ihr Schöpfer ist hierzulande weitgehend dem Vergessen anheimgefallen. Zu Unrecht, wie Regisseur Rudolf Klingohr in seinem Film über Josef Frank bildgewaltig vor Augen führt. So zeitlos-modern die Textildesigns und rund 1.000 Möbelentwürfe des vor 140 Jahren in Baden bei Wien geborenen Vielbegabten geblieben sind, so wenig ist seine Bedeutung als Architekt zu unterschätzen. Mit einem seiner Hauptwerke, der Villa Beer im 13. Wiener Gemeindebezirk, die derzeit detailgetreu restauriert wird, schuf er eine architektonische Ikone der österreichischen Moderne. Das Haus, in dem auch Marcel Prawy lebte, wurde nach jahrelangem Leerstand saniert und wird noch 2025 als Museum eröffnet.
Frank verantwortete aber nicht nur Häuser für eine betuchte Klientel, sondern auch richtungsweisende Kommunalbauten, die ihn als großen Humanisten ausweisen. In die Architektur- und Designgeschichte eingegangen ist er als leidenschaftlicher Anti-Stilist, der Moden wie Normierung stets vehement ablehnte.
Als Jude war Josef Frank 1933 in die Emigration gezwungen worden, in Stockholm fand er eine zweite Heimat, mit der Inneneinrichtungsmanufaktur Svenskt Tenn ging er eine Jahrzehnte währende Partnerschaft ein. Nach wie vor werden in Schweden Josef Franks unzählige Sofas, Sessel, Vitrinen oder Lampen nach seinen Originalentwürfen in Handarbeit gefertigt und quer über den Globus verschifft. Frank wird so sehr mit dem skandinavischen Land in Verbindung gebracht, weil heute zahlreiche Schwedische Botschaften und Residenzen in aller Welt mit seinen Möbeln eingerichtet sind – sinnbildhaft für schwedische Wohnlichkeit.
Vermisst haben muss der gebürtige Österreicher seine Arbeit als Architekt, für die er im Exil keine Auftraggeber fand. Dabei hatte er ab den 1910er Jahren in seiner Heimat – oft in Kooperation mit Oskar Wlach und Oskar Strnad – Wegweisendes geschaffen. Für den Industriellen Hugo Bunzl und dessen Frau Olga baute er einen Landsitz in der Nähe von Pernitz – kein repräsentativer Protzbau, sondern zurückgenommen und eher schon den Bedürfnissen von Selbstversorgern angepasst. Dort realisierte er auch eine Werkssiedlung und einen Kindergarten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Baugenossenschaften gegründet, sie markierten den Beginn der Wiener Siedlerbewegung: von der Stadt finanziell unterstütze Selbstversorgerkolonien, in denen die Siedlerinnen und Siedler auf den Baustellen einen nicht unwesentlichen Anteil an der Errichtung hatten. Die Parzellen waren so ausgerichtet, dass die neu Zugezogenen etwa Ziegen halten oder Obst und Gemüse anbauen konnten. Franks Konzept für die Siedlung Hoffinger sah bewegliche Zwischenwände und die Verlängerung des Wohnraums in den Garten vor.
Josef Franks Bedeutung für den sozialen Wohnbau ist nicht hoch genug einzuschätzen. Seine Vision davon im Roten Wien verwirklichte er mit dem Winarskyhof: eine schlichte Antipode zu den damals prahlerischen Wohn-„Palästen“. Auch hier verlängerte Frank den Innenraum nach draußen – wenn auch nur in Form von Balkonen. Endlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist sein zentrales Bauwerk: die Villa Beer. Gemeinsam mit Oskar Wlach von 1929 bis 1930 erbaut, bezeichnete es Friedrich Achleitner, Chronist der österreichischen Architektur-Moderne, als bedeutendstes Beispiel Wiener Wohnkultur. Auch hier blieb der Architekt seinem Bekenntnis zum Understatement treu: „Ein moderner Wohnraum ist kein Kunstwerk, er wirkt weder auffallend, noch effektvoll, noch aufregend. Er ist behaglich, ohne dass man sagen kann, warum.“
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