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EGB-Katzian: EU-Mindestlohnrichtlinie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen

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Die Umsetzung eines der ambitioniertesten Projekte der letzten EU-Kommission ist in Gefahr: Der Generalanwalt des EuGH (Europäischer Gerichtshof), Nicholas Emiliou, empfiehlt, die Richtlinie für den Europäischen Mindestlohn für nichtig zu erklären. Die Richtlinie zielt darauf ab, große Lohnunterschiede in der EU auszugleichen. Gewerkschaften Europas haben jahrelang dafür gekämpft, dementsprechend groß ist die Beunruhigung. Das Gericht ist nicht verpflichtet, der Empfehlung des Generalanwalts zu folgen, aber in der Praxis geschieht dies häufig. „Diese Richtlinie ist absolut notwendig, weil die Lohnschere zwischen den alten und den sogenannten neuen Mitgliedstaaten immer noch groß ist“, sagt EGB-Präsident Wolfgang Katzian.

Die Mindestlohn-Richtlinie sieht vor, die Löhne in 19 der 27 Mitgliedstaaten anzuheben, in denen die Kollektivvertragsabdeckung unter 80 Prozent liegt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen nationale Pläne zur Stärkung der Sozialpartner entwickelt werden. Zudem wurden für Mitgliedstaaten mit bestehenden gesetzlichen Mindestlöhnen Richtwerte festgelegt, die sich am jeweiligen Median- und Durchschnittslohn orientieren. Die dänische Regierung klagte, unterstützt von Schweden, gegen die Richtlinie, weil sie unrechtmäßig in die Lohnsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten eingreife. Dieses als wenig aussichtsreich eingestufte Verfahren bekommt durch die Empfehlung des Generalanwalts neuen Aufwind. Eine Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu erwarten.

Richtlinie legt Mindeststandards fest, kein Eingriff in Lohnfestlegung

Der Streitpunkt liegt in der Auslegung der EU-Verträge. Während diese vorsehen, dass Arbeitsbedingungen europäisch geregelt werden können, ist der Bereich der „Vergütung“ explizit von der EU-Zuständigkeit ausgeschlossen. Laut den juristischen Diensten des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission greift die Richtlinie jedoch nicht direkt in die Festlegung von Löhnen ein. „Vielmehr legt sie Mindeststandards für Arbeitsbedingungen fest und fördert Tarifverhandlungen, ohne die Souveränität der Mitgliedstaaten in der Lohnpolitik zu beeinträchtigen“, erklärt Katzian. Der EGB werde alles in seiner Kraft Stehende tun, um das drohende Aus für die Richtlinie zu verhindern: „Der Handlungsbedarf ist enorm, die Kollektivvertragsabdeckung liegt in einigen Ländern unter 10 Prozent, der gesetzliche Mindeststundenlohn beträgt teils weniger als zwei Euro.”

Gefahr für soziale Fortschritte in Europa

„Sollte der EuGH der Empfehlung des Generalanwalts folgen und die Mindestlohn-Richtlinie für nichtig erklären, wäre das nach einer Reihe sozialpolitischer Fortschritte jetzt ein herber Rückschlag für das soziale Europa. Die mühsam erreichten Fortschritte würden massiv infrage gestellt, und der Trend hin zu einer ausschließlich wirtschaftsorientierten Politik würde sich weiter beschleunigen“, so Katzian abschließend.

„Unter den Jurist:innen mag es unterschiedliche Interpretationen geben, aber den EU-Höchstrichter:innen muss klar sein, dass sie hier eine weitreichende politische Entscheidung zu treffen haben“, so der Appell des EGB-Präsidenten an den EuGH: „Das Vertrauen in das europäische Projekt ist vor allem in den Ländern mit niedrigerem Lohnniveau auf einem Tiefstand. Das europäische Wohlstandsversprechen wurde 21 Jahre nach der letzten großen Erweiterungsrunde noch immer nicht eingelöst. Die Mindestlohn-Richtlinie könnte endlich die Wende bringen, sie darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.“

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