„Geheimsache Lucona“: „Menschen & Mächte“-Neuproduktion über „Die dunkle Macht des Udo Proksch“
1977 im Indischen Ozean: Das Frachtschiff „Lucona“ wird von einer Explosion zerrissen. Sechs Personen sterben. Der Untergang der Fracht – eine angebliche Uranerz-Anlage – entpuppt sich Jahre später als gigantischer Versicherungsbetrug. Udo Proksch, der Wiener Societylöwe, Waffenhändler und Hausherr des SPÖ-nahen „Club 45“, hat das mit Schrott beladene Schiff versenken lassen. Die neue „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Geheimsache Lucona – Die dunkle Macht des Udo Proksch“ von Georg Ransmayr und Gregor Stuhlpfarrer lüftet am Sonntag, dem 29. Dezember 2024, um 22.15 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON die letzten Geheimnisse rund um den berühmt-berüchtigten „Lucona“-Strippenzieher.
9. September 1988: An diesem Freitag weiß es das gesamte Fernsehpublikum im deutschsprachigen Raum: Udo Proksch, der schillerndste Geschäftemacher Österreichs, ist auf der Flucht. Der Chef der Wiener Konditorei Demel wird weltweit von Interpol gesucht. Proksch sei in einen „Wirtschaftskrimi“ rund um das Frachtschiff „Lucona“ verwickelt, erklärt „Aktenzeichen XY“-Moderator Peter Nidetzky aus dem Studio Wien. Der, um den es geht, befindet sich längst in einem Versteck auf den Philippinen. Dort legt sich Proksch unters Messer. Mit einem neuen Gesicht will er alle, die hinter ihm her sind, austricksen. Dieser Plan passt zum haudegenhaften Naturell, das Proksch während seiner gesamten Laufbahn an den Tag gelegt hat. Als Glücksritter, Frauenheld und charmanter Netzwerker wurde er zum Darling der Wiener Schickeria. Der Demel-Boss war aber auch jemand, der Menschen manipulieren konnte. Mehr als ein Jahr nach der „Aktenzeichen XY“-Sendung wird Proksch gefasst und schließlich 1992 zu lebenslanger Haft verurteilt.
War Proksch ein Draufgänger, der von Geldgier oder Geltungsdrang beseelt war? „Vielleicht war Proksch einfach nur ein Wahnsinniger, der ausprobieren wollte, wie weit er gehen kann“, meint der Journalist Georg Biron, der einst mit Proksch befreundet war, sich aber nach dem „Lucona-Prozess“ von ihm abgewandt hatte. Verantwortlich dafür war das „Geschäft mit sechs Toten“, wie die „Wochenpresse“ das Lucona-Verbrechen genannt hat. Im Jänner 1977 schickt Proksch einen Frachter von Italien los. Zielhafen Hongkong. An Bord befindet sich eine angeblich wertvolle Uranerz-Aufbereitungsanlage, die Proksch vorher in Wien auf 212 Millionen Schilling (inflationsbereinigt 57,2 Mio. Euro) versichert hatte. Im Indischen Ozean wird das Schiff aber von einer Explosion zerrissen. Die behauptete Uranerz-Aufbereitungsanlage sinkt auf den 4.000 Meter tiefen Meeresgrund. Sechs der zwölf Seeleute kommen ums Leben.
Doch das vermeintliche Unglück entpuppt sich als heimtückisches Verbrechen. Proksch hat das mit Industrieschrott beladene Schiff sprengen lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Ingo Wieser war im Lucona-Prozess der Sprengstoff-Gutachter. Er hat Prokschs kriminelle Energie wie kein anderer unter die Lupe genommen: „Udo Proksch hat den Tod von zwölf Menschen in Kauf genommen. So ein Plan erfordert eine gewisse Kälte.“
Viele aus dem engen Umkreis von Proksch haben das lange nicht wahrhaben wollen. „Was unterhalb der Lucona herumgeschwappt ist, darum habe ich mich nicht gekümmert. Weil ich es gar nicht wissen wollte“, räumt Erika Pluhar ein, die fünf Jahre mit Proksch verheiratet war. „Natürlich könnte man bei mir interpretieren, dass ich, weil er der Vater meiner Tochter war, seine dunkle Seite nicht sehen wollte.“
Möglicherweise wäre Proksch sogar freigesprochen worden, wenn man das Wrack der Lucona nicht bei einer Ozean-Expedition im Auftrag der österreichischen Justiz gefunden hätte. Die Aufnahmen eines Tiefsee-Roboters brachten aber den Beweis, dass die Lucona nahe der Malediven von innen gesprengt wurde – und nicht wegen einer Kollision oder eines Torpedotreffers gesunken war.
Acht Jahre konnte sich Proksch aus der Affäre ziehen, bis ihm die Justiz ab 1985 zu Leibe rückt. Proksch-freundliche Spitzenbeamte und Politiker von SPÖ und FPÖ haben die Strafverfolgung verschleppt oder behindert. Zum entscheidenden Wendepunkt wird der Beststeller des Aufdecker-Journalisten Hans Pretterebner. Das 1987 erschienene Buch „Der Fall Lucona“ erschüttert die SPÖ und den „roten“ Club 45 im Obergeschoß des Demel. SP-Innenminister Blecha musste zurücktreten. Nationalratspräsident Leopold Gratz wurde sogar zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er als SP-Außenminister gefälschte Unterlagen zur Entlastung seines Freundes beschafft hatte.
Rätselhaft ist, warum einflussreiche Personen aus SPÖ-geführten Regierungen Proksch so lange vor dem Gefängnis bewahrt haben. Hat der Demel-Boss Politiker und Justizbeamte mit im Club 45 aufgenommenen Sexfotos erpresst? Oder war Proksch als Querverbinder zu DDR-Spionen und Waffenhändlern so wichtig, dass man beide Augen zugedrückt hat?
Die ORF-Neuproduktion „Geheimsache Lucona“ ist die erste TV-Dokumentation, die sich auf Basis aufwendiger Archiv-Recherchen im In- und Ausland auf die Spuren von Udo Proksch begibt. Prominente Zeitzeugen, profunde Proksch-Kenner und der ehemalige SPÖ-Innenminister Karl Blecha (91) nehmen Stellung. Exklusive Foto- und Filmaufnahmen sowie ein Tonband-Interview mit Udo Proksch in Manila zeigen bislang unbekannte Seiten des „Lucona“-Strippenziehers.
Fest steht, dass Proksch nach seiner Zeit als erfolgreicher Brillendesigner ab den späten 1960er Jahren Hochtechnologie in den Ostblock geschmuggelt hat. Aktuelle Nachforschungen belegen, dass er Mitte der 1980er Jahre der Voestalpine auch bei illegalen Waffengeschäften zur Hand gegangen ist. Der Film der ORF-Journalisten Georg Ransmayr und Gregor Stuhlpfarrer beschäftigt sich außerdem mit dem geheimnisumwitterten Tod von Ex-Verteidigungsminister Karl Lütgendorf. Hinweise deuten darauf hin, dass sich Lütgendorf 1981 wegen der aufkommenden Lucona-Affäre erschossen hat.
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