Bundesrat: Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien und zu migrationspolitischen Folgen
Wien (PK) – Mit einer Aktuellen Stunde zum Thema „Harte und konsequente Arbeit der Polizei: Schleppermafia meidet Österreich“ setzte die ÖVP heute migrations- und sicherheitspolitische Themen auf die Tagesordnung des Bundesrats. Der Regimewechsel in Syrien und seine migrationspolitischen Folgen dominierten die Debatte. So ging Innenminister Gerhard Karner neben den bisher gesetzten Maßnahmen gegen illegale Migration auf seine Pläne für ein Rückführungsprogramm für Syrer:innen ein.
Die ÖVP begrüßte die aus ihrer Sicht schnelle Reaktion der Bundesregierung auf die geänderte Lage. Die Freiheitlichen sprachen der ÖVP jede migrationspolitische Glaubwürdigkeit ab und prophezeiten „explodierende“ Asylzahlen, sollte es im Bund zu einer ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition kommen. Für die SPÖ stellen die derzeit geringeren Aufgriffszahlen illegaler Migranten etwa an der burgenländischen Grenze lediglich eine „Momentaufnahme“ dar. Ein „Totalversagen“ attestierten sie der Bunderegierung in der Integration, insbesondere am Arbeitsmarkt. Sowohl die NEOS als auch die Grünen betonten die noch unklaren Machtverhältnisse in Syrien und werteten großangelegte Pläne für Abschiebungen als „unangebracht“.
Karner über den Umgang mit geflüchteten Syrer:innen und bisherige migrationspolitische Maßnahmen
Hinsichtlich der Lage in Syrien plädierte Innenminister Karner dafür, die „Emotion aus der Debatte herauszunehmen“, und legte die Schritte dar, die Österreich im Umgang mit den syrischen Geflüchteten setzen werde: Sämtliche Asylanträge syrischer Staatsbürger sowie deren Anträge auf Familiennachzug seien auszusetzen und alle Schutzgewährungen für Syrer:innen zu überprüfen. Andere europäische Länder wie etwa Deutschland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien hätten ähnliche Maßnahmen umgesetzt. Parallel dazu würden rund 40.000 Bescheide wieder „aufgemacht“, die in den letzten fünf Jahren bezüglich der Gewährung eines Schutzstatus ausgestellt worden seien, da die zugrundeliegenden Asylgründe neu bewertet werden müssten.
Karner stehe trotz Kritik „zu 100 %“ dazu, dass er bereits die Vorbereitung eines „geordneten, stufenweisen Rückführungs- und Abschiebungsprogramms“ beauftragt habe – keine „Abschiebeliste“, wie medial kolportiert worden sei. Freiwillige Rückkehrer:innen sollen unterstützt werden, straffällig gewordene Syrer:innen sowie Integrations- und Arbeitsunwillige bei den Abschiebungen sollen priorisiert werden. Karner berichtete außerdem vom heute stattfindenden Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel, bei dem Bundeskanzler Karl Nehammer auf eine gemeinsame europäische Vorgehensweise hinsichtlich Syriens „drängen“ werde. Auch der Vorschlag zur Einrichtung eines EU-Sonderbeauftragten für Syrien stehe im Raum.
Weiters ging Karner auf die bisher gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung irregulärer Migration ein. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der burgenländischen Grenze sei von 80.000 auf 4.500 gesunken und 26 von 35 Quartieren der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen hätten geschlossen werden können. Zudem sei es dank internationaler polizeilicher Kooperation gelungen, ca. 1.000 Schlepper „aus dem Verkehr zu ziehen“. Auch Österreichs Veto zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien vor zwei Jahren, das als „Hilferuf und Fingerzeig“ zu verstehen gewesen sei, habe sich laut Karner positiv ausgewirkt, insbesondere auf die Bereitschaft zur Stärkung des Außengrenzschutzes Europas, erklärte Karner. So würden etwa Dublin-Überstellungen von Geflüchteten nun wieder funktionieren.
ÖVP lobt schnelle Reaktion der Bundesregierung auf Regimewechsel in Syrien
Seitens der Volkspartei hob Harald Himmer aus Wien die rasche Reaktion der Bundesregierung auf den Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad lobend hervor. Dass andere Länder ähnliche Maßnahmen gesetzt haben, bestätige, dass dies „natürlich der richtige Weg“ sei. Österreich „steht es auch zu“, Straftäter:innen nun abzuschieben, da das Argument der gefährlichen Lage in Syrien „so nicht mehr gegeben“ sei. Nach Zwischenrufen insbesondere aus den Reihen der SPÖ, erinnerte Himmer daran, dass es auch beim Schengen-Veto Österreichs Kritik aus ihrer Richtung gegeben habe. Heute könne man jedoch „guten Gewissens“ sagen, dass dies die richtige Entscheidung gewesen sei, wie etwa die Verringerung der Zahl illegaler Übertritte an der burgenländischen Grenze demonstrieren würde.
Schutz gebe es „nur auf Zeit“, stellte sich auch Matthias Zauner (ÖVP/N) hinter die Pläne des Innenministers. Es sei legitim, dass Österreich in Asyl- und Migrationsfragen „notwendige Akzente setze“ und insbesondere Straftäter:innen nach dem Wegfall des Asylgrunds wieder dorthin abschiebe, „wo sie hingehören“. Die Reduktion der Zahl der illegalen Grenzübertritte habe die Bundesregierung „ohne Festungen“, aber mit „internationaler Kooperation auf Augenhöhe“ erreicht, erklärte Zauner in Richtung FPÖ.
FPÖ: ÖVP verrät Interessen Österreichs
Der Titel der Aktuellen Stunde könne nicht ganz ernst gemeint sein, da die Asylzahlen eine „ganz andere Sprache sprechen“ würden, warf Niederösterreichs FPÖ-Bundesrat Andreas Arthur Spanring ein. Den statistischen „Taschenspielertricks“ der ÖVP sei entgegenzuhalten, dass während der Amtszeit von Innenminister Karner fast 200.000 „Fremde“ nach Österreich gekommen seien. Viele davon belasteten das Sozial- und Gesundheitssystem, den Wohnungsmarkt, die Polizei sowie die Justiz mit „aussichtlosen Verfahren und kriminellen Handlungen“. Dass gegenwärtig weniger Menschen nach Österreich kommen würden, liege vielleicht daran, dass sich herumgesprochen habe, dass die FPÖ die Nationalratswahl gewonnen habe, so Spanring. Unter einer Ampel-Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS würden diese Zahlen jedoch wieder „explodieren“. Spanring warf der ÖVP zudem vor, speziell vor Wahlen eine restriktive Migrationspolitik zu versprechen, um kurz danach wieder „nach links umzufallen“ und österreichische Interessen etwa auf EU-Ebene zu „verraten“.
Spanrings Fraktionskollegin Sandra Jäckel aus Vorarlberg widmete sich insbesondere dem „Personalnotstand“ bei der Polizei, dem nicht nur durch mediale Recruiting-Kampagnen beizukommen sei, sondern etwa durch die Zuerkennung von Boni. Dem Innenminister warf sie vor, dem Wunsch nicht nachgekommen zu sein, Gewalt gegen Polizist:innen härter zu bestrafen, hingegen die Einrichtung einer Ermittlungs- und Beschwerdestelle gegen Misshandlungsvorwürfe bei der der Polizei gutgeheißen zu haben. Zudem sei Karner politische „Postenschacherei“ bei der Exekutive wichtiger als die Sicherheit des „Staatsvolks“, so Jäckel.
SPÖ attestiert Bundesregierung „Totalversagen“ bei der Integration
Eine positive Erzählung, wie sie der Titel der Aktuellen Stunde suggeriere, sei nichts Schlechtes und zutreffender als die „Untergangsstimmung“, die jene verbreiten, die „mit der Angst spielen“, erklärte Dominik Reisinger (SPÖ/O). Es handle sich beim Rückgang der Schlepper-Kriminalität jedoch nur um eine „Momentaufnahme“, die etwa durch einen erhöhten Fahndungsdruck beeinflusst sei. Eine dauerhafte Entspannung der Lage sei im Hinblick auf globale Entwicklungen jedoch nicht zu erwarten, so Reisinger. Eine nachhaltige Wirkung versprach er sich durch die Bekämpfung der Fluchtursachen, einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen, einen geregelten Zugang zu legaler Migration sowie durch beschleunigte Verfahren an den Außengrenzen. Dass die veränderte Situation in Syrien zu einer Neubewertung im Asylsystem führe, sei geltende Rechtslage. Dass Innenminister Karner bereits von Abschiebungen spreche, zeuge von einem „unangebrachten“ und „populistischen“ Zugang, erklärte Reisinger. Zudem zeigte er sich erfreut über die Aufgabe des Schengen-Vetos gegenüber Bulgarien und Rumänien, das Österreichs „Reputation geschadet“ habe und sprach sich für die Weiterführung der „Personaloffensive“ bei der Polizei aus.
Für SPÖ-Mandatar Günter Kovacs aus dem Burgenland ist die Reduktion der Zahl illegaler Grenzübertritte auf 4.500 in seinem Bundesland „keine Leistung – null wäre eine Leistung“. Unter der aktuellen Regierung seien 260.000 Asylanträge gestellt worden. 90 % der Antragsteller seien über die burgenländische Grenze gekommen. Dazu komme ein „Totalversagen“ der Bundesregierung in der Integration, insbesondere am Arbeitsmarkt. Rund 45.000 Asylberechtigte sind laut Kovacs beim AMS gemeldet, was einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Die Österreicher:innen hätten zudem Angst vor einer „schleichenden“ Veränderung ihrer Kultur durch die Zuwanderung von Menschen mit anderen Wertvorstellungen, so Kovacs.
Grüne sehen groß angelegte Pläne für Abschiebungen als „unangebracht“ an
Dass die „Schlepper-Mafia“ Österreich zunehmend meide, sei „zweifellos ein Erfolg“, sagte Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O). Eine Asylpolitik im Gleichgewicht zwischen Humanität und Ordnung, die fest in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert sei, müsse jedoch verteidigt werden. Jene, die Schutz benötigen, müssten diesen erhalten. Dazu gelte es, legale Fluchtwege – insbesondere durch das Resettlement-Programm der EU – auszubauen und den Familiennachzug weiterhin zu ermöglichen. Für Hauschildt-Buschberger ist dies der „effizienteste Weg“, um illegale Migration zu verhindern. Auch sie erachtete es als „unangebracht“, ohne genaue Kenntnis der Lage in Syrien über groß angelegte Abschiebungen nachzudenken oder den Familiennachzug einzustellen. Letzterer betreffe vor allem Frauen und Kinder. Hauschildt-Buschberger sprach sich zudem für einen „fairen Verteilungs- und Solidaritätsmechanismus“ innerhalb der EU aus.
Viele Syrer:innen wollten nun in ihr Land zurückkehren, um es wieder aufzubauen. Sie wüssten jedoch nicht, „welches Syrien sie erwartet“, meinte Marco Schreuder (Grüne/W). Diese nun sofort zurückschicken zu wollen, sei „nicht empathisch“. Außerdem sei unklar, wie es Minderheiten wie Kurden, Christen oder Homosexuellen unter dem neuen Regime ergehen werde, so Schreuder.
NEOS für ehestmögliche Integration von jenen, die bleiben dürfen
Auch Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) betonte die noch unklare Lage in Syrien, insbesondere für Frauen. Sie plädierte dafür, jene die bleiben dürfen, „ehestmöglich“ in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und ihnen demokratische Werthaltungen zu vermitteln. Außerdem sei der Migrations- und Asylpakt der EU „mit Leben zu füllen“. Der FPÖ attestierte Sumah-Vospernik die Fähigkeit, den Finger „in die richtige Wunde“ zu legen. An Lösungskompetenzen würde es ihr jedoch mangeln, da sie auch vom Weiterbestehen der Probleme profitiere. Zudem kritisierte sie die aus ihrer Sicht positive Haltung der FPÖ gegenüber Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der Migrant:innen nach Österreich „durchwinke“. Anstatt sich ihn „zur Brust zu nehmen“, rollten die Freiheitlich Orbán „den roten Teppich“ aus, so Sumah-Vospernik. (Fortsetzung Bundesrat) wit
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