Betroffene Branchen wehren sich gegen Bahnzwang für Sekundärrohstoffe
Noch vor Weihnachten wird, unterstützt vom Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement und der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), ein sogenannter Individualantrag – eine Gesetzesbeschwerde – gegen den verpflichtenden Bahntransport von Sekundärrohstoffen und Abfällen beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Unter den Antragsteller:innen finden sich namhafte Unternehmen aus der Papier-, Holz- und Metallindustrie sowie aus der Entsorgungsbranche.
Grund für diesen Schritt ist der seit 1. Jänner 2023 geltende „Bahnzwang“ gemäß Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002). Demnach müssen Abfälle – und damit auch sogenannte Sekundärrohstoffe wie Altmetall, Altholz und Altpapier – ab einer bestimmten Gewichts- und Distanzschwelle verpflichtend auf der Schiene befördert werden, sofern ein entsprechendes Bahnangebot besteht. Das zuständige Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) und die verantwortliche Bundesministerin Leonore Gewessler wurden von den Branchenvertretern der Wirtschaftskammer bereits mehrfach auf die mangelnde Praxistauglichkeit und die für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft schädlichen Auswirkungen dieser Vorschrift hingewiesen. Da eine Reaktion bislang ausblieb, wenden sich die Antragsteller:innen nun an den Verfassungsgerichtshof.
„Es hat sich gezeigt, dass dieser Bahnzwang realitätsfremd ist und unsere Betriebe in der Praxis massiv behindert. Obwohl um ein Vielfaches teurer als der LKW, kann die Bahn nicht einmal annähernd die für die Branche erforderlichen ‚Just-in-time-Lieferungen‘ sicherstellen. Damit wird das österreichische Kreislaufwirtschaftssystem, das auf verlässliche und flexible Transportwege angewiesen ist, empfindlich gestört“, sagt Harald Höpperger, Obmann des WKÖ-Fachverbandes Entsorgungs- und Ressourcenmanagement.
Erklärtes Ziel – wirksame Reduktion von Treibgas-Emissionen – wird mit Bahnzwang nicht erreicht
Das vom BMK postulierte Ziel, mit dem Bahnzwang einen wirksamen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu leisten, wird nicht annähernd erreicht. Im Gegenteil: Durch komplizierte Umschlagsprozesse, längere Transportwege und fehlende Bahnanschlüsse vor Ort entstehen sowohl ökologische als auch ökonomische Mehrbelastungen und insbesondere zusätzliche CO2-Emissionen. Zudem gefährdet der völlig undifferenzierte Bahnzwang für – rechtlich als Abfall einzustufende – Sekundärrohstoffe sowohl die Kreislaufwirtschaft als auch die Rohstoffversorgung in Österreich. Eine Empfehlung des Finanzministeriums im Monitoringbericht vom Juni 2024 zum Masterplan Rohstoffe 2030 legt daher nahe, den Bahnzwang zu überdenken. Demnach ist der in Österreich verpflichtende Abfalltransport auf der Schiene für das Metallrecycling in der Praxis nachteilig und es wird mehr CO2 emittiert als eingespart.
Darüber hinaus bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Bahnzwang, die von den betroffenen Unternehmen im Individualantrag geltend gemacht werden: Der Bahnzwang verstoße gegen den Gleichheitssatz, die Erwerbs- und Eigentumsfreiheit sowie das Legalitätsprinzip. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig, da der versprochene Nutzen in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Nachteilen und der Störung der Kreislaufwirtschaft stehe. Dies wurde bereits im Vorfeld von den Branchenvertretern der Wirtschaftskammer in einem Rechtsgutachten an das BMK Ende 2022 ausgeführt.
„Die Erfahrungen mit dem Bahnzwang haben gezeigt, dass die damit verbundene einseitige Belastung von Sekundärrohstoffen – und damit auch der auf eine termingerechte Versorgung mit Sekundärrohstoffen angewiesenen Papier-, Holz- und Metallindustrie – im Hinblick auf den umweltpolitisch gewünschten Einsatz von Sekundärmaterial kontraproduktiv, sachlich nicht gerechtfertigt und nachteilig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist. Die Maßnahme ist überdies unverhältnismäßig, führt zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen und schwächt letztlich das gesamte umweltorientierte Wertschöpfungssystem“, betont Siegfried Menz, Bundesspartenobmann Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich.
Ziel des Individualantrages ist es, diese massive Ungleichbehandlung von Primär- und Sekundärrohstoffen durch Aufhebung der AWG-Bestimmung zu beenden und wieder rechtssichere, praxistaugliche Rahmenbedingungen für die österreichische Abfall- und Recyclingwirtschaft sowie die verarbeitende Industrie herzustellen. Damit soll langfristig ein effizienter, ressourcenschonender und umweltfreundlicher Kreislauf sichergestellt werden, von dem alle Beteiligten – und nicht zuletzt die Umwelt – profitieren. (PWK482/ES)
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