Zadić/Prammer: Initiativantrag zur Neuregelung der Sicherstellung von Handys eingebracht
„Ich freue mich, dass die ÖVP nach vielen Monaten intensiver Verhandlungen einlenkt und ihre staatspolitische Verantwortung wahrnimmt. Für mich war immer klar: Es braucht eine grundrechtskonforme und praxistaugliche Neuregelung der Sicherstellung, bei der keine Verbrechen unentdeckt bleiben oder Verfahren grundlos monatelang verzögert werden. Unser eingebrachter Entwurf wird von allen relevanten Expertinnen und Experten unterstützt, ist praxistauglich und grundrechtskonform. So stellen wir sicher, dass die Bekämpfung von Verbrechen, v.a. auch im Bereich von Korruption, Kindesmissbrauch und organisierter Kriminalität, weiterhin effizient möglich sind“, sagt die Abgeordnete der Grünen und Justizministerin Alma Zadić.
Grüne und ÖVP haben heute, am 20.11.2024, einen gemeinsamen Initiativantrag zur Neuregelung der Sicherstellung von Handys im Nationalrat eingebracht. Dieser wurde nach der von Justizministerin Alma Zadić verlängerten Begutachtungsfrist nochmal einmal umfassend überarbeitet, um den Stellungnahmen der Expert:innen Rechnung zu tragen. Dabei war es für Zadić stets von größter Bedeutung dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaften weiterhin ohne Einschränkungen gegen Korruption und organisierte Kriminalität ermitteln können und Herrin des Verfahrens bleiben. Deshalb sind die folgenden Punkte im Initiativantrag zentral:
Keine Trennung bei der Aufbereitung und Auswertung von Datenträgern in Zusammenhang mit Handysicherstellungen
Eine Regelung, die es nur der Polizei und in bestimmten Fällen den Gerichten erlaubt, die Aufbereitung der Daten beschlagnahmter Datenträgern (z.B. Handys) durchzuführen, war weder vom Verfassungsgerichtshof gefordert noch praxistauglich, da sie zu Beweismittelverlusten und einer ungebührlichen Verlängerung von Ermittlungsverfahren führen würde. Unter Einbindung der Stakeholder:innen wurde der Entwurf deshalb dahingehend überarbeitet, dass die Staatsanwaltschaften nun ihre Leitungsbefugnis im Ermittlungsverfahren wahrnehmen und ihrer Aufgabe als Ermittlungsbehörde nachkommen können und trotzdem die vom Verfassungsgerichtshof geforderten grundrechtlichen Absicherungen gegeben sind.
Zufallsfunde ohne Einschränkung
Besonders wichtig war der Justizministerin die weitere Ermöglichung der Verwertung von sog. „Zufallsfunden“, da ohne diese eine große Anzahl der bedeutendsten und schockierendsten Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte aus den Bereichen Menschenhandel, Verbreitung von Kindesmissbrauchsmaterial oder auch der Korruption niemals hätten aufgedeckt werden können. Damit ist sichergestellt, dass die österreichische Justiz weiterhin über die notwendigen Befugnisse verfügt, um ihren Aufgaben effektiv nachkommen zu können.
Neue Regelung bei Gefahr im Verzug
Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) hat insbesondere eine Gefahr im Verzug Regel moniert (z.B. um noch am Tatort in das Mobiltelefon des Mordopfers Einsicht zu nehmen, und Hinweise auf den Mörder zu erlangen, ohne erst Staatsanwalt und Gericht anzufragen). Dies ist im jetzigen Entwurf enthalten. Bei Gefahr im Verzug darf die Kriminalpolizei in das Mobiltelefon Einsicht nehmen. Sie muss die Gefahr im Verzug-Situation begründen, muss die Einsicht genau protokollieren und der gesamte Vorgang muss nachträglich gerichtlich genehmigt werden.
Vereinfachte Sicherstellung von punktuellen Daten
Wenn Daten auf den Computern von Dritten gespeichert sind und keine Rückschlussmöglichkeiten auf die gesamte Persönlichkeit möglich sind, darf die Polizei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Sicherstellungen von einzelnen punktuellen Daten durchführen. Dies kann beispielsweise bei Aufzeichnungen von Videokameras von Bankomaten, bei Krankenhaus-Befunden, bei Kundenkarteien oder bei Gutachten zu Kfz-Pickerln der Fall sein.
Der heute eingebrachte Initiativantrag trägt sowohl dem Interesse aller in Österreich lebender Menschen an einer effizienten Strafverfolgung als auch den Erfordernissen zum Schutz der Privatsphäre und des Datenschutzes der Betroffenen Rechnung. Somit sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, v.a. auch im Bereich von Korruption, Kindesmissbrauch und organisierter Kriminalität, weiterhin wie gewohnt möglich.
Weitere Eckpunkte der StPO-Reform
Die Strafprozessordnung Österreichs regelt den Ablauf der Strafverfolgung durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte und ist das zentrale rechtliche Instrument zur Strafverfolgung. Die letzte große Reform der StPO war im Jahr 2004 und brachte weitreichende Verbesserungen im Justizbereich. Mit der nun anstehenden erneuten Reform der StPO – die auch Empfehlungen des „Jabloner-Berichts“ umsetzt – soll dieser erfolgreiche Weg weitergegangen werden. Die wichtigsten Änderungen der Reform im Überblick:
- Wir setzen eine langjährige Forderung um und stärken den Opferschutz: in Zukunft haben Opfer die Möglichkeit, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen. Dazu bekommen Opfer und auch Beschuldigte bereits ab Tag 1 Akteneinsicht – und nicht erst ab förmlicher Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wie derzeit.
- Zusätzlich erweitern wir die Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt. Künftig erhalten alle Minderjährigen, die Zeugen von Gewalt wurden, Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung.
- Ebenso sorgen wir mit einer Präzisierung der Zuständigkeiten für einfachere Verfahrensregeln für alle Opfer von Hass im Netz.
- Und wir schaffen einschlägige Expertise indem wir für Bezirksgerichte und Gerichtshöfe erstere Instanz künftig Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum (sogenannte „häusliche Gewalt“) schaffen. Damit setzen wir einen wichtigen und bereits seit langem geforderten Schritt im Gewaltschutz um.
- Raschere Abwicklung von Sachverständigen-Gutachten: Künftig sind Gerichte und Staatsanwaltschaften verpflichtet, Sachverständigen und Dolmetschern Fristen zu setzen. Das bewirkt eine Verfahrensbeschleunigung.
- Mehr Transparenz: Die Oberlandesgerichte werden verpflichtet, letztinstanzliche rechtskräftige Entscheidungen zu veröffentlichen.
- Entlastung der Staatsanwaltschaften: die Regelungen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren werden deutlich vereinfacht, die Staatsanwaltschaft durch den Abbau von Bürokratie entlastet (Reform des § 35c StAG) (Empfehlung des „Jabloner-Berichts“). Zudem können Ermittlungsverfahren nach 2 Jahren auf Antrag des Beschuldigten von einem Gericht überprüft werden – bisher war die gerichtliche Überprüfung nach 3 Jahren unabhängig vom Antrag, also in Fällen verpflichtend; das hat für einen nicht unerheblichen Aufwand gesorgt. Das betraf zwar lediglich 0,4% der Verfahren im Jahr, diese sind jedoch in der Bearbeitung besonders aufwendig, da sie regelmäßig besonders umfangreich und komplex sind, etwa Verfahren zur Organisierten Kriminalität mit multiplen Auslandsbezug (Empfehlung des „Jabloner-Berichts“). Damit bleiben mehr Ressourcen für die eigentliche Ermittlungstätigkeit.
- Effiziente Bekämpfung von Kriminalität im Kryptobereich: Das Strafprozessrechtsänderungsgesetz bringt auch Änderungen im Bereich der Sicherstellung von Vermögenswerten. Dadurch wird den Herausforderungen der Praxis bei der Sicherstellung insbesondere von Kryptowerten begegnet und es kann effizienter gegen Vermögensdelikte im Kryptobereich vorgegangen und Opfer schneller entschädigt werden.
„Es ist sehr erfreulich, dass mit dem heute eingebrachten Initiativantrag auch die ÖVP hinter jenen wichtigen Punkten steht, die effiziente Ermittlungen unter gleichzeitiger Wahrung der Persönlichkeitsrechte ermöglichen. Mit einem Beschluss in dieser Form kann die mit 1.1.2025 drohende Gefahr, die für die Justiz bei Nichtregelung besteht, abgewendet werden“, freut sich die Abgeordnete der Grünen, Agnes Prammer.
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