Nationalrat: Fraktionen nehmen Stellung zu neuem Finanzminister und budgetärer Lage | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Nationalrat: Fraktionen nehmen Stellung zu neuem Finanzminister und budgetärer Lage

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Die Arbeit der scheidenden Bundesregierung und die aktuelle budgetäre Lage waren Ausgangspunkt der heutigen Debatte des Nationalrats nach der Erklärung des Bundeskanzlers. Dieser präsentierte den neuen Finanzminister Gunter Mayr nach dem Abschied von Magnus Brunner in Richtung Brüssel. Einigkeit herrschte bei den Fraktionen über den budgetären Handlungsbedarf. Unterschiedlicher Meinung waren sie hingegen über die in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen. So forderte die FPÖ einen parteiunabhängigen Finanzminister und warf Mayr vor, falsche Entscheidungen der ÖVP-Finanzminister mitgetragen zu haben. In der Minderheit blieb ein von der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag mit der Forderung nach einem Energiepreisstabilisierungspaket 2025. Die Vertreter:innen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen lobten Mayrs Expertise und betonten, dass für eine Budgetkonsolidierung die Erzielung von Wachstum und sinnvolles Sparen notwendig seien.

Für Diskussion sorgte auch die Rede von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Dieser zeigte Unverständnis über den Regierungsbildungsauftrag des Bundespräsidenten an die „Verliererpartei“ ÖVP und sprach von einer Degradierung der FPÖ-Anhänger:innen zu Wähler:innen zweiter Klasse. Zweiter Nationalratspräsident Haubner erteilte Michael Schnedlitz (FPÖ) einen Ordnungsruf nach dessen Vorwurf, dass die anderen Fraktionen in der Pandemie versucht hätten, „das Parlament auszuschalten“.

FPÖ: Finanzminister der ÖVP haben versagt

Gerhard Kaniak (FPÖ) meinte, Bundeskanzler Nehammer habe sein eigenes Versagen „schöngeredet“. Ein Blick auf die Fakten zeige, dass die ÖVP und die von ihr gestellten Finanzminister fünf Jahre an Budgetdefiziten verantworten würden, ohne eine strukturelle Reform oder eine Verbesserung in irgendeinem Bereich erreicht zu haben. Während der kurzen Zeit der FPÖ-Regierungsbeteiligung 2017 bis 2019 sei hingegen ein Budgetüberschuss erzielt worden. Die Finanzminister Blümel und Brunner hätten stets mit falschen Zahlen und fehlerhaften Voraussagen zur Wirtschafts- und Budgetentwicklung gearbeitet, daher sei es nicht verwunderlich, dass das Budget „aus dem Ruder gelaufen“ sei. Der neue Finanzminister Mayr sei vielleicht kompetent, habe aber die falschen Entscheidungen mitgetragen, kritisierte Kaniak. Er forderte daher die Bestellung eines parteiunabhängigen Finanzministers für die Dauer der Übergangsregierung. Erst eine FPÖ-Regierungsbeteiligung werde sicherstellen, dass die Budgetpolitik in die richtigen Bahnen komme.

Arnold Schiefer (FPÖ) signalisierte für seine Partei Gesprächsbereitschaft zur Budgetsanierung. Axel Kassegger (FPÖ) ging auf das Milliardendefizit „trotz Rekordeinnahmen“ ein und wandte sich gegen neue Steuern. Kassegger forderte ein Energiepreisstabilisierungspaket 2025. Aus jetziger Sicht würden eine Reihe von Entlastungen oder Zuschüssen ab dem Jahresende 2024 wegfallen, was zu enormen zusätzlichen Belastungen führen würde. Kassegger sprach sich mittels Entschließungsantrag für eine Verlängerung der „Strompreisbremse“ und der reduzierten Elektrizitäts- und Erdgasabgabe aus. Zudem setzte er sich für eine Verlängerung der Nichteinhebung der Erneuerbaren-Förderpauschale sowie des Erneuerbaren-Förderbeitrages ein. Die ÖVP hielt den Freiheitlichen vor, einerseits eine solide Budgetpolitik zu fordern, andererseits enthalte der Entschließungsantrag keine Angaben zu den budgetären Auswirkungen.

ÖVP: Lage Österreichs nicht schlechtreden

Der neue Finanzminister sei ein anerkannter Experte und daher eine gute Wahl für die Übergangsregierung, meinte August Wöginger (ÖVP). In der heutigen Sitzung habe die FPÖ einmal mehr nur „Geschrei, Gebrülle und Hetzerei“ geboten und versucht, Österreich schlechtzureden. Sie ignoriere, dass die letzten fünf Jahre eine Zeit der beispiellosen Krisen und Herausforderungen gewesen seien und dass das Land nach wie vor im internationalen Vergleich sehr gut dastehe. Österreich brauche eine tragfähige Regierung der Mitte und der Mehrheit, die die notwendige Aufbruchsstimmung vermitteln könne.

Die Expert:innen hätten den Konjunktureinbruch im Sommer nicht vorhergesehen, sagte Andreas Ottenschläger (ÖVP). Dies habe unmittelbare Auswirkungen aufs Budget. Das Parlament werde durch die Monatserfolgsberichte als auch durch die Arbeit des Budgetdienstes unterstützt, hob er die Transparenz im Parlament hervor.

Es bedürfe einer nachhaltigen Budgetpolitik, hielt Carina Reiter (ÖVP) fest. Die Gesellschaft müsse mit großen Herausforderungen kämpfen. Der letzten Regierung sei es trotzdem gelungen, eine Reihe wichtiger Maßnahmen zu beschließen. Positiv bewertete sie die offene Haltung der FPÖ zur Budgetsanierung.

SPÖ: Um Wachstum zu sichern, darf nicht falsch gespart werden

SPÖ-Klubobmann Andreas Babler meinte, der neue Finanzminister sei ein anerkannter Experte in der Finanzpolitik. Um die Aufgabe, die er übernommen habe, sei er nicht zu beneiden. An der aktuellen Budgetlage gebe es nichts zu beschönigen. Die nächste Bundesregierung werde daher Antworten auf die bestehenden großen Herausforderungen finden müssen. Die SPÖ wolle dafür sorgen, dass die Probleme der österreichischen Bevölkerung gehört und das Leben für die Menschen wieder leistbar werde. Als Voraussetzung für alle Konsolidierungsanstrengungen der künftigen Regierung sieht Babler einen Wirtschaftsaufschwung. Die Sozialdemokrat:innen seien überzeugt, dass Sparen alleine nicht der richtige Weg sein könne. Die Erfüllung der EU-Kriterien könne daher nicht alleine ausgabenseitig erreicht werden. Österreich sei derzeit in einer Rezession. Die Unternehmen müssten daher zu Investitionen ermuntert werden. Gleichzeitig dürfe der Staat nicht durch Sparen an den falschen Stellen den Konjunkturmotor abwürgen. Babler bezeichnete die hohe Zahl armer und armutsgefährdeter Kinder in Österreich anlässlich des Tags der UN-Kinderrechtskonvention als beschämend.

SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer zog eine negative Bilanz über die Budgetpolitik der letzten Jahre. Seit 2018 seien Maßnahmen ohne entsprechende Gegenfinanzierung verabschiedet worden. Nun habe Österreich mit einer schrumpfenden Wirtschaft, steigenden Arbeitslosen und einem aus dem Ruder gelaufenen Budget zu kämpfen. Erste Priorität müsse die Überwindung der „Wirtschaftsflaute“ haben. Dann gelte es, das Budget zu sanieren. Und: „Österreich muss besser gemacht werden“, forderte Krainer leistbares Leben, ein funktionierendes Gesundheitssystem und ein gutes Bildungssystem. Dazu bedürfe es Investitionen.

Die angespannte Budgetsituation sei seit längerem bekannt, betonte Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Die SPÖ habe auf ungedeckte „Schecks“ durch die Bundesregierung hingewiesen und diese kritisiert. Zudem appellierte sie, gegen Gewalt gegen Frauen aufzustehen.

NEOS: Brauchen effektiveren Mitteleinsatz

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger lobte die „professionelle Haltung“ des neuen Finanzministers, die er als hoher Beamter im Finanzministerium an den Tag gelegt habe. Die Lage der Wirtschaft und des Budgets sei sehr ernst. Die vergangenen Jahre mit der Pandemie und dem Ukrainekrieg hätten enorme Herausforderungen auch für die Budgetpolitik gebracht. Das Prinzip „Koste es, was es wolle“ sei dabei aus ihrer Sicht nicht die beste Maxime, sagte sie. Aus Sicht von Meinl-Reisinger sei eine ausgabenseitige Budgetkonsolidierung möglich, wenn die vorhandenen Mittel effektiver eingesetzt würden. Dazu müsse auch unnötige Bürokratie abgebaut werden. Die Ankurbelung des Wachstums und damit die Absicherung des Sozialstaates müssten oberste Priorität haben. Anlässlich des Tags der Kinderrechte erinnerte Meinl-Reisinger an die von Russland verschleppten ukrainischen Kinder und forderte, bei der Verteidigung der Freiheit nicht vor „Diktatoren wie Putin“ einzuknicken.

Nach Jahren mangelnder Budgetdisziplin schlage nun die Inflation voll zu und die Auszahlungen galoppierten davon, betonte Karin Doppelbauer, NEOS-Sprecherin für Budget und Finanzen. Sie gehe nicht davon aus, das Maastricht-Defizit einhalten zu können und rechnete mit einem Verfahren gegen Österreich. Es gebe einiges zu tun, um auf Konsolidierungspfad zu kommen, etwa Förderungen, Föderalismus, Pensionen und Steuern. Im Sinne der Konsolidierung gelte es, ausgabenseitig zu sparen, was von den Bürger:innen mitgetragen werde, so Doppelbauer. Sie forderte nicht nur mutig, sondern auch „leistungshungrig“ zu sein.

Grüne unterstützen sinnvolles Sparen

Bundesminister Werner Kogler erinnerte daran, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nun bereits 1.000 Tage andauere. Fest stehe, dass dieser Krieg sofort beendet wäre, wenn Putin die Angriffe einstelle. Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, würde das ihre Unterwerfung bedeuten. Das Motiv Putins für diesen brutalen Krieg sei klar. Er wolle keine westlich orientierte Demokratie in unmittelbarer Nachbarschaft dulden. Der FPÖ warf er vor, sich dieser einfachen Erkenntnis zu verschließen. Kogler lobte den neuen Finanzminister als ausgewiesenen Experten seines Fachs. Die Budgetentwicklung sei ernst und herausfordernd, konzedierte auch Kogler. Österreich liege bei Wirtschaftsleistung und Pro-Kopf-Einkommen aber immer noch sehr weit vorne. Rasche und gleichzeitig sinnvolle Sparmaßnahmen seien unvermeidlich. Kogler plädierte dafür, dass der Bund in der neuen Legislaturperiode ernsthafte Gespräche mit den Ländern über eine sinnvolle Kompetenzverteilung beginne. Die Grünen seien bereit, sich bei den angekündigten Reformen einzubringen, wenn diese sicherstellen, dass die notwendigen Zukunftsinvestitionen gesichert sind.

Die Expertise des Finanzministers Mayr habe zu einer Transformation im internationalen Steuerrecht geführt, lobte der Budgetsprecher der Grünen, Jakob Schwarz, die Expertise Mayrs. Schwarz-Rot-Pink müsse das Budget konsolidieren ohne eine Eintrübung der Konjunktur zu verursachen. Dabei sorgte sich der Abgeordnete um Projekte und Errungenschaften der Grünen in der letzten Regierungsbeteiligung. An Natur und Umwelt zu sparen, würde dem Budget nicht helfen, argumentierte er mit der Automobilindustrie. „Klimainvestitionen dürfen kosten und dürfen über auch zum Teil über Schulden finanziert werden“, positionierte sich Schwarz.

Rede von FPÖ-Klubobmann Kickl führt zu intensiver Diskussion über Wahlergebnis

Bundeskanzler Nehammer sei bei der aktuellen Wahl „abgewählt“ worden und habe das von ihm ausgerufene Kanzlerduell mit „Bomben und Granaten“ verloren, eröffnete FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Mit dem nunmehrigen Regierungsbildungsauftrag habe der Bundespräsident demokratische Regeln gebrochen und dem Wahlgewinner das Verhandlungsmandat „gestohlen“. Nach der Meinung vieler Menschen werde so das Wahlergebnis missachtet und die FPÖ-Wähler:innen zu Wähler:innen „zweiter Klasse“ degradiert. Angesichts des nun zu Tage gekommenen „Staatsschuldendesasters“ in Form eines „gigantischen Schuldenbergs“ würde sich die Bevölkerung „belogen und betrogen“ fühlen. Dabei stelle sich auch die Frage, inwieweit die „hohen Beamten“ des Finanzressorts über diese Situation Bescheid wussten. Die „falschen Maßnahmen“ der aktuellen Bundesregierung hätten zu dieser Situation geführt. Statt der vor den Wahlen versprochenen Entlastungen werde es nun Belastungen und Kürzungen geben, kritisierte Kickl.

Bundeskanzler Nehammer wies den Vorwurf, die ÖVP würde Wahlergebnisse nicht anerkennen, entschieden zurück. Die vom Bundespräsidenten geforderten Gespräche zwischen den Vertreter:innen der drei stärksten Fraktionen hätten stattgefunden. Dabei habe Klubobmann Kickl seitens der FPÖ die für Koalitionsverhandlungen notwendig Bereitschaft, Gemeinsamkeiten zu finden, nicht erkennen lassen. Er selbst habe den Regierungsbildungsauftrag erst erhalten, nachdem sich gezeigt habe, dass Kickl keine Mehrheit mit einer anderen Partei werde finden können, betonte Nehammer. Die nunmehrigen Verhandlungen seien demokratisch und würden der Verfassung entsprechen.

Kickl sei mit seinen Regierungs-Sondierungen gescheitert und dessen jetzige Argumentation habe etwas von einem „trotzigen Kind“, meinte der geschäftsführende Klubvorsitzende der SPÖ Philip Kucher. Als selbst ernannter „Volkskanzler“ sollte Kickl Wahlergebnisse und Mehrheiten akzeptieren. Die SPÖ würde es sich nicht einfach machen und wolle Verantwortung übernehmen. Der Wahlkampf sei vorbei, das Land stehe vor „riesigen“ Herausforderungen und es sei nun Aufgabe, diese gemeinsam zu lösen.

Michael Schnedlitz (FPÖ) warf den anderen Fraktionen vor, „die Österreicherinnen und Österreich für blöd verkaufen“ zu wollen. Die „Einheitspartei“ der anderen Fraktionen habe nicht aus der Corona-Pandemie gelernt. Damals hätten sie sich gegen die Rechte der Bevölkerung gewandt. Nun seien sie sich darin einig, das eindeutige Wahlergebnis zu ignorieren. Für den Vorwurf, wonach die anderen Fraktionen, die nun als „Einheitspartei“ auftreten würden, in der Pandemie versucht hätten, „das Parlament auszuschalten“, erteilte Zweiter Nationalratspräsident Petner Haubner ihm einen Ordnungsruf. Christian Hafenecker (FPÖ) kritisierte dies, Schnedlitz habe nur davon gesprochen, dass das Parlament „teilweise außer Kraft gesetzt“ worden sei. Die anderen Fraktionen sahen den Ordnungsruf hingegen als berechtigt an. (Fortsetzung Nationalrat) pst/sox/gla

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar


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