Nationalrat entsagt Übergangsregierung nicht das Vertrauen
Der Nationalrat hat sich heute mit breiter Mehrheit dagegen ausgesprochen, der türkis-grünen Übergangsregierung das Vertrauen zu entsagen und so ihre Entlassung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu erwirken. Es sei ein üblicher Vorgang, nach Wahlen die bisherige Regierung mit der Fortführung der Verwaltung zu betrauen, machten ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne geltend und lehnten in diesem Sinn unisono einen Misstrauensantrag der FPÖ ab. Diese sieht die Regierung aufgrund des Wahlausgangs hingegen nicht mehr durch die Bevölkerung legitimiert und drängte auf einen raschen Politikwechsel.
Begründet wurde der Misstrauensantrag von FPÖ-Abgeordnetem Christian Hafenecker und seinen Parteikolleg:innen Volker Reifenberger und Elisabeth Heiß. Hafenecker warf der Regierung vor, Österreich an die Wand gefahren zu haben und das auch weiterhin zu tun. „Das Land ist bankrott“, stellte er mit Verweis auf die aktuelle Wirtschaftslage und ein von Finanzminister Magnus Brunner hinterlassenes „Budgetloch von 30 Mrd. Ꞓ“ fest. Zudem äußerte er Unverständnis dafür, dass Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler trotz den Querelen innerhalb der Regierung rund um die EU-Renaturierungsverordnung nach wie vor im Amt ist, zumal sich Gewessler – entgegen der gesetzlichen Beschlusslage – auch weigere, wichtige Infrastrukturprojekte umzusetzen. Auch die Vorgabe von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass Österreich Stabilität brauche, sei angesichts einer Regierung, die über keine Mehrheit mehr im Nationalrat verfüge, nicht erfüllt.
Insbesondere auf Verteidigungsministerin Klaudia Tanner schoss sich Abgeordneter Reifenberger ein. Seiner Meinung nach trägt Tanner die Hauptverantwortung dafür, dass die österreichische Luftraumüberwachung vergangenes Wochenende nicht einsatzbereit gewesen sei. Tanner gebe viel Geld für neue Geräte für das Bundesheer aus, die Personalsituation habe sie aber nicht im Griff, klagte er und gab auch Beamtenminister Werner Kogler eine Mitschuld an der „Misere“. Abgeordnete Heiß warf ÖVP und Grünen generell vor, an ihren Sesseln „festzukleben“ und die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst zu nehmen.
ÖVP: Regierung hat sich Vertrauen verdient
Demgegenüber hielt Abgeordneter Michael Hammer (ÖVP) fest, dass es nichts Unübliches sei, die bestehende Regierung nach Wahlen mit der Fortführung der Verwaltung zu betrauen. Seiner Ansicht nach hat sich die Regierung das Vertrauen außerdem verdient: Sie habe Österreich sicher durch mehrere Krisen geführt.
Ausdrücklich sprach auch ÖVP-Abgeordneter Christian Stocker der Regierung das Vertrauen aus. Wem die ÖVP aber zutiefst misstraue, sei die FPÖ unter Herbert Kickl, erklärte er. Diese sei nicht geeignet, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wenn sich die FPÖ zu Wort melde, seien „Misstrauen, Hetze, Spaltung und Unwahrheit verlässlich drinnen“, meinte er. Stocker nutzte die Rede außerdem dazu, um im Zusammenhang mit dem Besuch des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban Kritik an Nationalratspräsident Walter Rosenkranz zu üben. Ebenfalls massive Kritik am Politikstil der FPÖ übte Wolfgang Hattmannsdorfer: Nachdem Kickl keine Regierungsmehrheit zustande gebracht habe, sei dessen oberstes Ziel ein handlungsunfähiges Österreich, glaubt er.
SPÖ und NEOS vermissen Alternativvorschlag der FPÖ
Seitens der SPÖ betonte Julia Elisabeth Herr, dass es sinnvoll sei, nach einer Wahl die bisherige Regierung mit der Fortführung der Verwaltung zu betrauen. Schließlich bleibe nach einer Wahl die Welt nicht stehen, sondern drehe sich weiter, gab sie zu bedenken. Zudem vermisst sie, ebenso wie NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak, einen Alternativvorschlag der FPÖ. Die Übergangsregierung habe ohnehin nur die Aufgabe, nicht aufschiebbare Regierungsgeschäfte zu führen, sagte Scherak. Dafür für wenige Wochen neue Regierungsmitglieder anzugeloben, sei aus Sicht von vier Parteien nicht zielführend.
Was das aktuelle Budgetdituation betrifft, unterstrich Herr, dass die SPÖ schon seit langem auf das „Budgetloch“ aufmerksam mache. Würde die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen, würde dieses noch größer, warnte sie. Der SPÖ gehe es bei den Regierungsverhandlungen um einen sozial gerechten und treffsicheren Weg. Herrs Parteikollege Jörg Leichtfried wies auf die „Finanzaffäre“ der Grazer FPÖ hin.
Grüne: Regierung hat fünf Jahre verantwortungsvoll gearbeitet
Die geschäftsführende Klubobfau der Grünen Sigrid Maurer hielt der FPÖ entgegen, dass die Regierung in den vergangenen fünf Jahren „verantwortungsvoll“ für die Bevölkerung gearbeitet habe. Sie lese aus dem Antrag einen „gekränkten Stolz von Herbert Kickl“ heraus, meinte sie. Auch würde die Umsetzung von „Hau-Drauf-Parolen“ die Budgetsituation weiter verschlechtern. Für Maurer wird aus der Begründung des Misstrauensantrags darüber hinaus ersichtlich, dass sich Kickl nicht der österreichischen Bevölkerung, sondern Russlands Präsident Vladimir Putin verpflichtet fühle. Die Grünen würden demgegenüber in den kommenden Jahren verantwortungsvolle Oppositionsarbeit machen, kündigte sie an. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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