„Poesie des Ornaments“ im Leopold Museum
Rund 250 Exponate, gestaltet von visionären Designer*innen, Architekten und Kunstschaffenden wie Otto Wagner, Josef Hoffmann, Else Unger, Dagobert Peche oder My Ullmann, geben Einblick in die faszinierende Textilkunst der Wiener Moderne.
Das Leopold Museum präsentiert der breiten Öffentlichkeit im Rahmen der Ausstellung Poesie des Ornaments erstmals eine umfassende Auswahl an Exponaten aus dem Archiv des Traditionsunternehmens Joh. Backhausen & Söhne. Der rund 11.000 Objekte zählende Bestand wurde dem Museum 2023 als Dauerleihgabe übergeben. Das Konvolut spiegelt die faszinierende Geschichte des Unternehmens wider und dokumentiert die textile Ausstattung unzähliger Interieurs von den 1870er-Jahren bis in die 1960er-Jahre. Ausstellungskuratorin Ursula Oswald-Graf betont die Rolle der Familie Kiesling für die Erhaltung des Archivs: „Dass das Backhausen-Archiv seit 2022 unter Denkmalschutz steht, ist Dr. Louise Kiesling (1957-2022) und ihrer Familie zu verdanken. Es ist ihr Verdienst, dass dieser kunsthistorisch, textil- und wirtschaftsgeschichtlich äußerst wertvolle Bestand aus über 100 Jahren österreichischer Textilproduktion digitalisiert und erschlossen wurde und nun an seinem neuen Standort, dem Leopold Museum, zur weiteren Beforschung offensteht.“
Die Schau Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiv beleuchtet einzelne Produktionsschritte, von den Entwürfen über Muster bis hin zur Anwendung der Stoffe. Der zeitliche Bogen spannt sich von einem Entwurf aus dem Jahr 1878 bis zu einem von Josef Hoffmann 1907 entworfenem Muster, das 1961 für den Architekten Hermann Czech neu aufgelegt wurde und damit am Beginn der neuen Wertschätzung des Wiener Jugendstils steht.
Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger betont den hohen künstlerischen Stellenwert der ideenreichen Produkte von Joh. Backhausen & Söhne: „Ohne die kulturstiftende Bindungs- und Verknüpfungspraxis in Wien im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wäre die heutige Bundeshauptstadt mit ihrer fruchtbaren Kunstproduktion einst nicht zur europäischen Kulturhauptstadt aufgestiegen. Backhausen mit seinen technisch und künstlerisch innovativen Produkten von Möbel- und Vorhangstoffen bis zu Teppichen wurde als erste Adresse für experimentelles Textildesign zum maßgeblichen Teil des kulturellen Phänomens ‚Wien um 1900‘. Die Bedeutung der textilen Kunst von Backhausen im Kontext des Formenvokabulars des Historismus sowie des Jugendstils bis hin zum Art Déco kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.“
Motivvielfalt und Farbenpracht
Anhand der Gegenüberstellung historischer Schwarz-Weiß-Aufnahmen außergewöhnlicher Interieurs und originaler Textilmuster ist es möglich, einen Eindruck der einstigen Motivvielfalt und Farbenpracht der Stoffe zu gewinnen und das Zusammenwirken von Raum, Dekor und Einrichtung nachzuvollziehen. Als führendes Textilunternehmen des Landes kooperierte Backhausen eng mit den Protagonist*innen der Wiener Moderne. Wie Ausstellungskuratorin Aline Marion Steinwender darlegt, entwickelte sich eine künstlerisch und monetär äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit: „Die finanziell einträgliche Beziehung Backhausens zur Wiener Werkstätte spiegelte sich in der wachsenden Anzahl der für das Unternehmen tätigen Entwerfer*innen wider. Koloman Moser und Josef Hoffmann nutzten ihre Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule um neue Talente für die zahlreichen Aufträge zu akquirieren, so etwa die Schüler*innen Else Unger, Carl Witzmann oder Fritz Dietl. Auch in die Ausstellungstätigkeit von Moser und Hoffmann war Backhausen eingebunden: 1900 setzte die Firma Entwürfe für die Pariser Weltausstellung um, 1908 war Backhausen an der Wiener Kunstschau und 1914 an der Deutschen Werkbundausstellung in Köln beteiligt.“
Vom Emigranten zum K.K. Hoflieferanten – Erfolgsgeschichte eines Traditionsunternehmens
Der Betrieb geht auf Jakob Backhausen zurück, der 1811 aus dem Rheinland nach Wien emigrierte. Die Unternehmensgründung erfolgte im Jahr 1849, vor 175 Jahren. Der Möbel- und Dekorstoffproduzent Backhausen zählte zu den traditionsreichsten Produzenten Österreichs und stattete prestigeträchtige Prachtbauten der Gründerzeit mit hochwertigen Stoffen aus, darunter prominente Ringstraßengebäude wie das Parlament, die Staatsoper oder das Burgtheater. Das Verkaufslokal befand sich gegenüber der Oper in dem von Theophil von Hansen errichteten Heinrichshof. Hochwertige Modestoffe, die Anfertigung von Möbel- und Vorhangstoffen, Damaste, Brokate und Teppiche aus Seide und Wolle bildeten die Hauptproduktionszweige des Unternehmens, welchem 1888 der Titel K.K. Hoflieferant verliehen wurde.
Palais und Villen
Im frühen 20. Jahrhundert zählte die Ausstattung von privaten Palais, Villen und Wohnungen in Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte und den Secessionisten zu den lukrativsten Aufträgen. Unter den von Backhausen ausgestatteten Gebäuden befinden sich Josef Hoffmanns Architekturikonen wie das errichtete Palais Stoclet in Brüssel, das Sanatorium Purkersdorf, die Villa Skywa-Primavesi und die Villa Knips. Das Wiener Unternehmen stattete auch Sommersitze wie das Landhaus Primavesi, Wohnungen wie das Apartment der Familie Gallia und mit dem Cabaret Fledermaus einen Treffpunkt der Protagonist*innen der Wiener Kunstszene aus.
Zwei Weltkriege als Zäsur
Der Erste Weltkrieg bildete – nicht nur in ökonomischer Hinsicht – eine Zäsur. Auch in den 1920er-Jahren war man bei Backhausen stets bestrebt, den Dialog mit zeitgenössischen Kunstschaffenden zu suchen sowie internationale Kontakte wiederzubeleben. Rentable Aufträge erhielt man allerdings erst wieder durch die Umrüstung auf Kriegsproduktion: Zeltplanen und Decken wurden nun auf den Maschinen, die einst Stoffe nach den eindrucksvollsten Entwürfen der Wiener Moderne webten, angefertigt. Im Zuge der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges wurde das Backhausen-Verkaufslokals im Heinrichshof durch einen Brand zerstört. Das in die Kaiserstraße 12 im 7. Wiener Bezirk ausgelagerte Archiv überdauerte glücklicherweise beide Weltkriege nahezu unbeschadet. Nach dem Rückerhalt der Backhausen-Fabrik in Hoheneich im Jahr 1946 trieb die Familie den Wiederaufbau voran. In Wien ließ sich das Unternehmen 1951 in der Kärntnerstraße 33 nieder, genau an dem Ort, wo sich von 1907 bis 1913 das Cabaret Fledermaus befunden hatte.
Das Ende des familiengeführten Unternehmens
In den folgenden Jahrzehnten konzentrierte sich Backhausen auf das Exportwesen. Das Unternehmen stattete weltweit diverse Prestigebauten aus, so etwa 1986 die Suntory-Hall in Tokio. In den Räumlichkeiten der Kaiserstraße wurden Grafiken und Stoffmuster früherer Produktionsjahre – das heutige Archiv – wiederentdeckt und im Verkaufslokal in der Wiener Innenstadt ein Privatmuseum eingerichtet, welches Einblick in die hunderten kostbaren Entwürfe gewährte. Die zahlreichen Unternehmungen der Firma auf wirtschaftlicher wie gestalterischer Ebene waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt und im Jahr 2012 meldete Backhausen Insolvenz an, womit die Ära der Familienführung ein Ende fand.
Sicherung des Fortbestandes: Das Vermächtnis von Dr. Louise Kiesling
2014 erwarb Dr. Louise Kiesling das Unternehmen Backhausen. Aufgrund ihrer Leidenschaft und Beharrlichkeit wurde, wie Aline Marion Steinwender ausführt, das Fortbestehen des traditionsreichen Betriebs zunächst gesichert: „Louise Kiesling war bestrebt, das kulturelle Erbe für nachfolgende Generationen zu erhalten und den Betrieb – nun Backhausen GmbH – zu sanieren. Nach dem unerwarteten Ableben von Frau Dr. Kiesling schloss die Firma 2023 endgültig ihre Tore. Dass das Archiv erhalten blieb, ist vor allem ihrer Kenntnis über dessen unschätzbaren Wert zu verdanken. Darin liegt auch die mögliche Antwort, wie es Backhausen gelungen ist, ein Stück österreichischer Textilgeschichte zu schreiben: Dem Unternehmen oblag die textile Ausstattung der Prachtbauten Wiens und es prägte die Wiener Moderne auf nationaler wie internationaler Ebene, indem es über viele Jahre hinweg verstand, Tradition und Avantgarde miteinander zu verweben.“
Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung ist im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln ein umfassender Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen, mit Beiträgen von Ursula Oswald-Graf, Aline Marion Steinwender und Christian Witt-Döring sowie einem Vorwort von Hans-Peter Wipplinger.
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Eröffnungsfeierlichkeiten
Der Einladung zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der Ausstellung Poesie des Ornaments durch Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger folgten – in Anwesenheit der Leopold Museum-Vorstände Josef Ostermayer, Sonja Hammerschmid und Saskia Leopold sowie des kaufmännischen Direktors Moritz Stipsicz – mehr als 600 Gäste, unter ihnen die Ausstellungskuratorinnen Ursula Oswald-Graf und Aline Marion Steinwender, Leihgeber Andreas Kiesling (AMEEA) und Hemma Kiesling, Herbert und Reinhard Backhausen, Felix Porsche (GF Alpha Rail Holding), Oliver Porsche (Aufsichtsrat PAG, PSE und VW), Michel Piëch (Porsche Holding), Stefan Piëch (CEO Your Family Entertainment) und seine Frau Christina Piëch, Georg Hagenauer, Stefan Wenckheim (Vorstand Wenckheim Holding) und Melanie Wenckheim (Porsche Piëch Holding und Aufsichtsrat ŠKODA AUTO), Karl-Heinz Moser (GF CONFIDA), Werner Egger (GF CONFIDA) und Rita Egger, Arch. Artur Grisanti-Mausbach (Royal College of Art), Ferdinand Ahorner (CEO Stealth Startup I Angel Investor) und Nicola Ahorner, Sammlerin Caroline Mortimer, RA Ernst Ploil und Gabriele Ploil (Universität für Angewandte Kunst), Arch. Felix Gmeiner, Serge Zerkin (Owner und Managing Director Bitnur), Sammlerin Waltraud Leopold, die Künstler*innen Gerda Leopold, Peter Kogler, Luis Casanova-Sorolla, Nikolas Andriopoulos (Emis Modegalerie), Georg und Theresa Hagenauer, Günther Horvath (Aufsichtsrat VW) mit seiner Frau Eva Horvath, Getrud Aichem-Degreif (Deutsche Botschaft Wien), Ali Khabir (Allianz Österreich), Andreas Maurer (ORF) und Wendy Maurer-Menzel (Ballettakademie der Wiener Staatsoper), die Kunsthistoriker*innen Agnes Husslein (Direktorin Heidi Horten Collection), Rolf H. Johannsen (Heidi Horten Collection), Christian Witt-Döring mit Michael Huey, Rainer Metzger und Daniela Gregori, Gerbert und Marianne Frodl, Johann Kräftner, Markus Kristan, Thomas Zaunschirm, Sonja Zsolnai-Kasztler (MEDTRUST), Sabina Baumgartner-Parzer (MedUni Wien), Andreas Fleischmann (GF Raiffeisen Continuum) und Edith Fleischmann, Albin Hahn (Vorstand Privatstiftung Manner), Georg Pölzl (COP Leopold Museum, Head of Board) und Eveline Pölzl, Josef Offner (GF Zeilinger Metallwaren & Metallbau) und Stephanie Offner u.v.m.
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