Weiblich, arm und psychisch krank
Es sind vor allem Frauen, die von Armut betroffen sind. 35 Prozent mehr Frauen als Männer sind von absoluter Armut betroffen. Darüber hinaus sind 41 Prozent der Alleinerzieherinnen armutsgefährdet. Ein Umstand, den wir als Caritas auch in unseren Sozialberatungsstellen bemerken. Auch in diesem Jahr werden es an die 20.000 Kontakte sein, die wir in unseren Sozialberatungs- und Nothilfestellen in der Diözese St. Pölten verzeichnen. Zwei Drittel der Menschen, die bei uns Hilfe suchen, sind Frauen, fast 20 Prozent sind Alleinerzieherinnen.
Eine Gruppe von Frauen wird bei Statistiken und Betrachtungen von Armut jedoch oft vergessen: Personen mit einer psychischen Erkrankung bzw. einer Suchterkrankung. „Laut statistischen Daten ist in Österreich jede vierte Person im Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen. Viele Menschen sind durch Überlastung und Überforderung an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit oder bereits so krank, dass sie vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr ausreichend leistungsfähig sind. Psychische Erkrankungen sind kaum sichtbar und leider immer noch von einer Stigmatisierung betroffen.“, erklärt Hannes Ziselsberger, Direktor der Caritas in der Diözese St. Pölten.
Psychische Erkrankung und Frauenarmut
„Armut kann auch eine Folge der Abwärtsspirale von psychischer Erkrankung und Suchtproblemen sein. Auch hier sind Frauen besonders betroffen“, weiß Sandra Noe-Nordberg, Diplomierte Krankenpflegerin und Betreuerin beim Psychosozialen Dienst der Caritas St. Pölten. „Meiner Erfahrung nach, wird Armut von den betroffenen Frauen sehr individuell erlebt und verarbeitet, wobei Faktoren wie Persönlichkeit, Lebenserfahrung und Resilienz eine Rolle spielen. Stigmatisierung, soziale Isolation und fehlende Unterstützung belasten das Selbstwertgefühl meiner Klientinnen oft besonders. Durch solche zusätzlichen Stressfaktoren verstärken sich Depressionen, Angstzustände und andere psychische Erkrankungen. Vielen Frauen fällt es häufig, zumindest anfangs sehr schwer, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.“
Der Club Aktiv ist ein wichtiges Angebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Hier finden regelmäßige Treffen in geschützter Atmosphäre mit fachlich kompetenter Begleitung statt, die Isolation und Rückzugstendenzen entgegenwirken.
Was Armut in Folge von psychischer Erkrankung bedeutet, hat auch Silvia B. erfahren müssen. Sie wird vom Psychosozialen Dienstes der Caritas begleitet und besucht regelmäßig den Club Aktiv in St. Pölten. Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von Gewalterfahrungen durch ihren Ehepartner, den Verlust des Kontakts mit ihrem Sohn und des Gefühls von Überforderung. Mit Alkohol hat sie immer versucht den Schmerz zu betäuben. Die Sozialhilfe hat gerade zum Überleben gereicht. Gutes Lebens, war es keines, wie sie erzählt: „In den vergangenen zwei Jahren, als die Energiekosten so hoch geworden sind, habe ich das Gas abgemeldet und meine Wohnung nicht mehr geheizt. Der Jänner war am schlimmsten. Da hatte es in meiner Wohnung nicht mehr als 12 Grad. Das Badezimmer habe ich mit Grabkerzen ein wenig gewärmt. Der Club Aktiv ist für mich ein Ort, an dem ich mich wohl fühlen kann. Die anderen Menschen und die Betreuerinnen schenken mir viel Freude. Vom Alkohol bin ich mittlerweile ganz weggekommen.“
Familienhilfe Plus sieht Frauenarmut direkt in den Familien
Die Familienhilfe Plus der Caritas St. Pölten arbeitet als mobiler familienunterstützender Dienst direkt vor Ort in den Familien. „Wir arbeiten im Auftrag der NÖ Kinder- und Jugendhilfe und sehen in unserem täglichen Tun die direkten Auswirkungen von Frauenarmut“, weiß Judith Baumgartner, Leiterin der Familienhilfe PLus. „Wir betreuen Frauen, die seit Jahren nicht mehr beim Friseur waren und aufgehört haben zu lachen, weil sie sich den Zahnersatz nicht leisten können. Wir betreuen Mütter die an Schlafstörungen leiden, weil sie unter ständiger Anspannung und psychischen Belastungen stehen.
Frauenarmut ist in unserem Betreuungskontext immer auch mit Kinderarmut verbunden. Viele der betroffenen Frauen sind Alleinerzieherinnen, sind aufgrund von Sorgearbeit – also Kinderbetreuung, Pflege und Hausarbeit – nicht erwerbstätig oder teilzeitbeschäftigt und verdienen in Berufsfeldern weniger als ihre männlichen Kollegen bzw. sind mit massiven Einschränkungen bei ihren Pensionsansprüchen konfrontiert.“, so Baumgartner.
Es braucht mehr Hilfe
„Für uns als Caritas ist klar: Wo die Gefahr der Armut steigt, braucht es auch mehr Hilfe! Wir sehen das als Auftrag für uns als Caritas, fordern aber auch die politisch Verantwortlichen dazu auf, das soziale Netz in Österreich wieder enger zu knüpfen. Um die Armutsgefährdung für Frauen zu reduzieren, wäre es ein einfacher Schritt, die Ausgleichszulage wesentlich zu erhöhen. Darüber hinaus braucht es konkrete, unterstützende Angebote für Frauen, die von Armut betroffen sind.“ so Caritas-Direktor Hannes Ziselsberger. Und er richtet einen Appell an Frauen in schwierigen Lebenssituationen: „Holen Sie sich Hilfe! Kommen Sie in die Beratungsstellen der Caritas, sei es die Sozialberatung, die Familienberatung oder die psychosozialen Sprechstunden im Club Aktiv. Niemand muss alle Probleme alleine lösen.“
Caritas St. Pölten Generalsekretär Christoph Riedl weist darauf hin, ass es viele Formen der Unterstützung durch die Caritas nur geben kann, weil uns Spenderinnen und Spender unterstützen. Daher steht die aktuelle Kampagne der Caritas auch ganz im Zeichen von Frauenarmut mit dem Slogan: „Weil Mama-Sein nicht Arm-Sein bedeuten darf“.
Spendenmöglichkeiten zur Inlandskampagne:
Spendenkonto der Caritas:
IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560; Kennwort: Not im Inland
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