Monster Chetwynd im Belvedere 21
Motten, Fledermäuse und Würmer nehmen das Belvedere 21 in Besitz und öffnen Tür und Tor für Häretiker*innen und Hexen: Die erste museale Einzelausstellung von Monster Chetwynd (* 1973 London, England) in Österreich verwebt Kunst, Geschichte(n), Theorie, Handwerk und Gemeinschaft zu einer raumgreifenden Arbeit, die speziell für das Haus entwickelt wurde und an zwei Terminen von Performer*innen belebt wird.
Generaldirektorin Stella Rollig: Märchenhaft, burlesk, kindlich und zügellos zugleich präsentieren sich Monster Chetwynds Environments. Sie schießen übers Ziel, sie sind ein herrlicher Gegenentwurf zur rationalen Strenge, zu der unsere Gegenwart mit ihren Wirrnissen aufzufordern scheint – und doch sind sie aufgeladen mit allen brisanten Themen dieses historischen Moments.
In Chetwynds genreübergreifender Praxis, die Film, Collage, Malerei und Installation umfasst, werden Elemente des Volksschauspiels, der Popkultur und des surrealistischen Kinos miteinander verwoben. Chetwynd ist bekannt für anarchische Bric-à-brac-Performances mit handgefertigten Kostümen, Requisiten und Bühnenbildern und verwendet dafür meist einfache Materialien, die sich leicht einsetzen und anpassen lassen. Im Zentrum steht der kollektive Entstehungsprozess des Kunstwerks. Chetwynd beschreibt die künstlerische Arbeit als „ungeduldig gemacht“, greift aber auf sorgfältig recherchierte, vielfältige kulturelle Referenzen zurück, die von Christine de Pizan bis Silvia Federici reichen.
Der Ausstellungstitel Moths, Bats and Velvet Worms! Moths, Bats and Heretics! klingt wie ein kraftvoller Schlachtruf und verweist zugleich auf die Objekte und Charaktere in der Schau: Nachtaktive Motten, Fledermäuse und Stummelfüßer bewohnen im Belvedere 21 eine Höhlenlandschaft aus Weidengeflecht, umgeben von Puppen und Figuren in einer Kulisse aus mittelalterlichen Gemälden und Symbolen.
Für die Ausstellung im Belvedere 21 hat Monster Chetwynd ein dichtes Geflecht von Bezügen und Referenzen ausgelegt, das im Raum unterschiedliche Visualisierungen findet: Die Motive reichen von der nonkonformen, widerständigen Figur der Hexe und kleinen Teufeln über Renaissancebilder (Barthélemy d’Eyck), groß aufgezogene Filmstills und nachtaktive Tiere bis hin zu den feministischen Regisseurinnen Catherine Breillat und Joanna Hogg, die als handgenähte Puppen anwesend sind. Chetwynds Interesse gilt den Marginalisierten der Geschichte und des Tierreichs. Übersehene Narrative und Existenzen werden herausgestellt, bekommen eine humorvolle und energische Stimme und treten als handgemachte Akteur*innen in der Ausstellung auf: etwa Häretiker*innen, also Personen, denen Abweichung in Worten und/oder Taten von der offiziellen Kirchenmeinung unterstellt und unkontrollierbare magische Kräfte und Geheimwissen zugesprochen wurden.
Silvia Federicis wegweisende feministisch-marxistische Studie Caliban and the Witch (2004) stellt eine wichtige inhaltliche Referenz für Monster Chetwynd dar und wird zu einer Metaebene der Performance: Federici zeigt, dass die Angst patriarchaler Machtinhaber vor dem Körper, dem medizinischen Wissen und der (sexuellen) Selbstbestimmung der Frau mit der Hexenverfolgung zusammenhängt und am Beginn der Entwicklung des heutigen Kapitalismus steht.
Kurator Axel Köhne: Monster Chetwynd vereint in dieser überbordend fantastischen Bilderwelt unterschiedlichste Epochen und Narrative sowie Elemente der Hoch- und Populärkultur. Eine radikale künstlerische Freiheit über Genregrenzen hinweg zeichnet die Kunst von Monster aus. Es entstehen fesselnde Arbeiten, die das Spielerische feiern.
Zur Eröffnung am 6. November und im Rahmen des Belvedere 21 Winterfests am 17. Jänner aktivieren Monster Chetwynd und ein Ensemble aus Performer*innen die Ausstellung mit der eigens produzierten Performance Silk and Beer (Wages for Housework).
Am Tag der Ausstellungseröffnung erscheint auch die Publikation Monster Chetwynd: Moths, Bats and Velvet Worms! Moths, Bats and Heretics! im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König.
Weitere Informationen und Pressebilder zur Ausstellung stehen HIER zum Download bereit.
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