Europäischer Rat wird heiße Eisen Migration, Ukraine und Nahost diskutieren | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Europäischer Rat wird heiße Eisen Migration, Ukraine und Nahost diskutieren

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Wien (PK) -Fragen der EU-Außenpolitik standen im Mittelpunkt der Beratungen des für EU-Angelegenheiten zuständigen Hauptausschusses des Nationalrats, der heute zu einer Sitzung zusammentrat. Die Abgeordneten diskutierten mit Bundeskanzler Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler über den Entwurf der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats, die auf der Tagung von 17. und 18. Oktober angenommen werden sollen.

Bundeskanzler Nehammer informierte dazu die Abgeordneten, dass ein wesentliches Thema im Rat die Unterstützung der Ukraine gegenüber der fortdauernden russischen Aggression sein werde. Die Haltung der EU zur aktuellen Krise im Nahen Osten sei, möglichst auf eine Deeskalationen hinzuarbeiten. Weitere aktuelle Themen, zu denen der Rat sich äußern werde, seien die Themen Wettbewerb und Migration.

Bundesministerin Karoline Edtstadler berichtete vom Rat für allgemeine Angelegenheiten, der in Vorbereitung des Ratstreffens stattgefunden hat.

Drei Anträge auf Stellungnahme, in denen die FPÖ ihre Ablehnung der EU-Pläne zu Migration und Asyl, zur EU-Budgetreform sowie der Bestellung von Magnus Brunner zum EU-Kommissar für Migration zum Ausdruck brachte, fanden keine Zustimmung der anderen Fraktionen und blieben damit in der Minderheit.

Nehammer: Paradigmenwechsel in der EU bei Migration

In seinem einleitenden Statement konzentrierte sich der Bundeskanzler auf die Themen, die aus seiner Sicht auf dem Ratstreffen im Vordergrund stehen werden: nämlich die Situation in der Ukraine und im Nahen Osten, Migration und die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Dazu legte er die Standpunkte Österreichs dar.

Russland setze seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine fort, um seine Forderungen durchzusetzen, und greife immer wieder zivile Infrastruktur und die Zivilbevölkerung an. Das sei völlig inakzeptabel, sagte der Kanzler. Nach wie vor sei er aber überzeugt, dass alle noch offenen Kanäle genützt werden sollten, um auf Putin einzuwirken, seine Aggression zu beenden. Daher suche er das Gespräch mit einigen der BRICS-Staaten, insbesondere Indien und Brasilien. Österreich werde jedes geeignete Friedensformat unterstützen, das die Interessen der Ukraine im Auge habe.

Die Situation im Nahen Osten bleibe besorgniserregen. Die Terrororganisation Hamas lehne weiter einen Waffenstillstand und die Freilassung der verbliebenen Geiseln ab und instrumentalisiere das Leid der Bevölkerung in Gaza für ihre menschenverachtende Strategie des Terrors, die Österreich zutiefst ablehnen. Auch die Angriffe der Hisbollah sowie des Irans verurteile man auf das Schärfste. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Da die Situation aber einen „regionalen Feuersturm“ auslösen könne, dränge die EU alle Seiten, weitere Eskalationen zu vermeiden. Angriffe auf UN-Blauhelme, wie zuletzt auf die UNIFIL-Mission im Libanon, seien völlig inakzeptabel. Alle Seiten, auch Israel, müssten völkerrechtliche Vorgaben einhalten. Auch wenn es derzeit in weiter Ferne zu liegen scheine, bleibe die einzige Hoffnung auf ein Ende des Konflikts eine Zwei-Staaten-Lösung, wobei die Voraussetzung dafür Sicherheitsgarantien für Israel seien.

In der Migrationspolitik unterstütze Österreich die neuen Ansätze der EU. Er sehe darin einen Paradigmenwechsel in Richtung der Forderungen, die Österreich seit langem stelle. Daher begrüße Österreich das Hilfspaket für syrische Flüchtlinge in der Türkei, die Änderung der Rückführungsrichtlinie und die Möglichkeit, dass Asylanträge auch in Drittstaaten bearbeitete werden können.

Die Stärkung des Wettbewerbs in der EU brauche eine umfassende Strategie, betonte Nehammer. Vor allem müsse dem Bürokratieabbau besonderes Augenmerk geschenkt werden, etwa durch eine Begrenzung der teilweise überbordenden Berichtspflichten für Unternehmen. Das strategische Ziel, die Unabhängigkeit der EU zu stärken, etwa im Verteidigungs- und Energiebereich, gelte es weiter zu verfolgen.

Außerdem zeige sich die EU besorgt über die versuchte Einflussnahme Russlands in der Republik Moldau und politische Entwicklungen, die sich negativ auf die EU-Perspektiven Georgiens auswirken könnten. Angesprochen werden sollen im Rat laut Nehammer auch die hybriden Bedrohungen von Seiten Russlands.

Edtstadler sieht Bestätigung österreichischer Positionen

Bundesministerin Karoline Edtstadler berichtete in einer einleitenden Stellungnahme von den Gesprächen im Rat für Allgemeine Angelegenheiten, der in Vorbereitung des Treffens des Europäischen Rats in Berlin stattgefunden hat. Hier habe sich gezeigt, dass es in der Frage der EU-Erweiterung für die Staaten des Westbalkans deutlich positive Signale gebe. Bei allen Beteiligten sei der Reformwille deutlich zu spüren, berichtete Edtstadler.

Zur Frage der Migration meinte die Ministerin, dass die bisherige Position Österreichs nicht mehr als abweichende Meinung wahrgenommen werde, sondern unterdessen Teil des Mainstreams geworden sei, etwa was die stärkere Einbeziehung von Drittstaaten betreffe. Im Rat sei auch die klare Verurteilung von Angriffen auf UN-Truppen zum Ausdruck gebracht worden. Auch die Unterstützung für die Ukraine sei ungebrochen.

Edtstadler hob auch hervor, dass im Rat am 15. Oktober eine Deklaration über die Unterstützung des jüdischen Lebens und zum Kampf gegen den Antisemitismus angenommen worden sei. Die Bemühungen Österreichs in diesem Bereich seien dabei explizit gewürdigt worden. Weitere Themen des Vorbereitungstreffens seien die Beziehungen zur Schweiz und zum Vereinigten Königreich, das Europäische Semester und die politische und menschenrechtliche Situation in einzelnen Ländern gewesen.

Diskussion mit den Abgeordneten über Ukraine, Nahost und Wettbewerb

Abgeordneter Georg Strasser (ÖVP) wollte Näheres über die österreichische Position zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit erfahren. Selma Yildirim sagte, Stärkung der Innovation sei zwar wichtig, es müsse aber gefragt werden, welche Deregulierungen tatsächlich sinnvoll seien. Sie dürften nicht auf Kosten der Konsument:innen gehen. In diese Richtung ging auch eine Wortmeldung der SPÖ-Abgeordneten Michaela Schmidt, die meinte, dass die angekündigten Maßnahmen gegen „Gold-Plating“ von Gesetzen nicht dazu führen dürften, dass Österreich künftige niedrigere Standards in Bereichen wie Konsumentenschutz oder Sozial- und Arbeitsrecht hinnehme.

Bundeskanzler Nehammer sagte, aus seiner Sicht gebe es nicht notwendigerweise einen Widerspruch zwischen Bürokratieabbau und Konsumentenanliegen. Besonders für die kleinteilige Wirtschaft und Landwirtschaft Österreichs seien überbordende Berichtspflichten eine Belastung, die dann in Form höherer Preise an die Konsument:innen weitergegeben würden.

Petra Bayr (SPÖ) wollte wisse, wie sich Österreich angesichts der Erosion des Völkerrechts und des Mulitlateralismus positionieren und diese stärken wolle. Bayr wollte außerdem wissen, ob eine Ukrainekonferenz in Wien denkbar sei, und erkundigte sich in diesem Zusammenhang, wie Nehammer die Beziehungen zu den BRICS-Staaten ausbauen wolle.

Die geplanten Schlussfolgerungen des Rats sollten auch die Unterstützung der EU zur Aufrechterhaltung einer regelbasierten internationalen Ordnung und der Prinzipien der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringen, betonte Bundesministerin Edtstadler.

Bundeskanzler Nehammer führte aus, dass von den BRICS-Staaten Indien unter Regierungschef Modi ein wichtiger internationaler Player geworden sei und über Gesprächskanäle zu Russland verfüge, die man nutzen sollte. Modi halte Österreich aufgrund seiner neutralen Position sowie als Standort von UN-Institutionen für einen geeigneten Standort für Friedensgespräche. Auch von Seiten Brasiliens gebe es Interesse.

Bayr (SPÖ) forderte die Durchsetzung der Erkenntnisse internationaler Gerichtshöfe und wollte wissen, wie bestimmte EU-Positionen mit der österreichischen Position vereinbar seien. Bundesministerin Edtstadler betonte, dass immer sehr genau darauf geachtet werde, dass Österreich Maßnahmen, die mit seiner militärischen Neutralität nicht vereinbar seien, nicht mittragen müsse. Die EU nehme darauf Rücksicht und lasse die „konstruktive Enthaltung“ zu.

Michel Reimon (Grüne) sprach die hybriden Bedrohungen an, die von Russland ausgingen, und die der Rat ansprechen wolle.

Bundesministerin Edtstadler wies darauf hin, dass zu den hybriden Bedrohungen auch die Unterstützung illegaler Migration von Seiten Russland zähle. Nehammer führte aus, dass hier eine besondere Notsituation bestehe, für die das EU-Recht auch Ausnahmen zulasse. Die Maßnahme, die Polen angekündigt habe, werde man im Detail in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht bewerten müssen.

Nikolaus Scherak thematisierte die Versuche der russischen Einflussnahme auf die Republik Moldau, in der Wahlen und ein Referendum bevorstehen. Edtstadler teilte ihm mit, dass diese Frage im Rat für allgemeine Angelegenheiten sowie bei Besuchen in Moldau selbst thematisiert worden sei. Man sei sich des Problems sehr bewusst. Zu den Wahlen und dem Referendum am Sonntag stelle auch Österreich Wahlbeobachter:innen bereit.

Dem Abgeordneten Nikolaus Scherak (NEOS) und Selma Yildirim (SPÖ), die die Angriffe auf die UNIFIL-Mission als inakzeptabel kritisierten, versicherte Edtstadler, dass Österreich alle politischen und diplomatischen Kanäle nütze, um seinen Standpunkt darzulegen, und zwar auch gegenüber Israel. Bundeskanzler Nehammer bestätigte das. Tatsache sei aber auch, dass die Hisbollah bei ihren Angriffen auf Israel eine Strategie verfolge, die die UN-Truppen in den Gefahrenbereich bringe, sagte er.

Abgeordneter Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS) wies auf die Kritik Israels hin, laut der Gelder für die Hilfsorganisation UNRWA letztlich an die Terrororganisation Hamas fließen würden.

Nehammer betonte, dass man aus diesem Grund die Hilfszahlungen für eine Weile ausgesetzt und erst unter Auflagen wieder aufgenommen habe. Eine Bedingung sei, dass ein Teil der Gelder auch dafür aufgewendet werden müsse, die tatsächliche Verwendung der Hilfen nachvollziehbar zu machen.

FPÖ findet keine Mehrheit für Stellungnahmen zu Migration und EU-Budget

Im Ausschuss meldete sich auch Petra Steger, Mitglied des Europäischen Parlaments für die FPÖ, zu Wort. Sie kritisierte die Aussagen Nehammers und die Ratsposition zur Situation in der Ukraine als „Realitätsverweigerung“. Im Sinne der Ukraine und ihrer Bevölkerung müsse die verfehlte Strategie gegenüber Russland revidiert werden, die ihre Ziele nicht erreicht habe. Stattdessen werde über Forderungen diskutiert, die auf eine „brandgefährliche Eskalationsstrategie“ hinauslaufen würden, kritisierte Steger. Der Kanzler müsse die österreichische Neutralität wahren und sich für Friedensverhandlungen, ein Überdenken der Sanktionen und Energiesicherheit für Österreich einsetzen.

Wolfgang Gerstl (ÖVP) meinte, die Haltung der FPÖ zur Ukraine sei inakzeptabel und auch unlogisch. Eine Niederlage der Ukraine würde eine massive Flüchtlingswelle auslösen. Vorgebliche Friedensinitiativen, die nur einseitig die russische Position wiedergäben, könnten nicht unterstützt werden.

Auch Selma Yildirim betonte die ungebrochene Unterstützung für die Ukraine. Militärische Neutralität bedeute nicht politische Neutralität. Die EU müsse geschlossen gegen die „Großmachtillusionen“ Russlands auftreten.

Steger kritisierte auch die Haltung Nehammers in der Migrationsfrage. Hier habe der Kanzler „nur Propaganda“ geboten. Sie erkenne keine „Trendwende“, sondern eine Fortsetzung des bisherigen Systems. Notwendig seien Rückführungen, ein effektiver Außengrenzschutz und ein starkes Mandat für FRONTEX. Österreich solle dem Beispiel der Niederlande folgen und ein Opt-Out vom Migrations- und Asylpaket verlangen.

Drei Anträge auf Stellungnahme der FPÖ wurden nur von den Abgeordneten der Fraktion unterstützt und blieben damit in der Minderheit. FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch sagte, da die EU-Migrationspolitik völlig gescheitert sei, solle Österreich sich dem Beispiel anschließen, das die Niederlande, Ungarn und nun auch Polen gegeben hätten. Der Bundeskanzler solle im Rahmen des Ratstreffens daher die Möglichkeit zu einem Opt-Out aus dem EU-Asylsystem verlangen.

Kritik übte die FPÖ auch an der Nominierung von Magnus Brunner für die Position des EU-Migrationskommissars. Ihr Versuch, einen Beschluss des Hauptausschusses herbeizuführen, wonach der Bundeskanzler sich im Europäischen Rat gegen die Ernennung von Brunner aussprechen solle, fand ebenfalls keine Unterstützung.

SPÖ-Abgeordneter Kai-Jan Krainer meinte, die Anträge der FPÖ seien unlogisch, da ein gemeinsames Asyl- und Migrationssystem der EU überhaupt erst erreicht werden müsse. Sinnvoll sei es, diesen Aufbau und auch den künftigen Kommissar bei seiner nicht einfachen Aufgabe zu unterstützen.

Nicht zufrieden zeigte sich die FPÖ auch mit der geplanten Budgetreform der EU-Kommission. Die Freiheitlichen beantragten, den Bundeskanzler aufzufordern, sich im Europäischen Rat mit Vehemenz gegen die geplante Budgetreform auszusprechen und notfalls auch mit einem österreichischen Veto die Koppelung der Auszahlung von EU-Mitteln an die politische Willkür der EU-Kommission zu verhindern. Auch hier ging keine der anderen Fraktionen mit.

SPÖ-Abgeordneter Krainer meinte, dass es sinnvoll sei, wenn die EU bei einem Verstoß gegen EU-Recht auch entsprechende Maßnahmen setzen könne.

Bundesministerin Edtstadler hielt fest, der Antrag beziehe sich auf Überlegungen, zu denen es noch keinen offiziellen Vorschlag der EU-Kommission gebe. (Schluss EU-Hauptausschuss) sox


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