„kulturMontag“: Kleinparteien im Kultur-Check, Serebrennikovs „Don Carlo“ an der Staatsoper, Italien auf Frankfurter Buchmesse | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

„kulturMontag“: Kleinparteien im Kultur-Check, Serebrennikovs „Don Carlo“ an der Staatsoper, Italien auf Frankfurter Buchmesse

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Der von Clarissa Stadler präsentierte „kulturMontag“ am 23. September 2024 um 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON bringt anlässlich der bevorstehenden Nationalratswahl Teil zwei seiner politischen Umfrage zum Kulturverständnis der österreichischen Politik sowie deren Forderungen und Ideen für die Zukunft: Nach den im Nationalrat vertretenen fünf Fraktionen, die in der Vorwoche befragt wurden, kommen diesmal die Spitzenkandidatin sowie die Spitzenkandidaten der vier Kleinparteien zu Wort. Weiters befasst sich die Sendung u. a. mit der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Don Carlo“ durch Starregisseur Kirill Serebrennikov an der Wiener Staatsoper (live-zeitversetzt am Sonntag, 29. September, um 20.15 Uhr in ORF III) sowie mit Italiens Auftritt als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Anschließend an das Magazin steht zunächst Danielle Proskars Porträt „Peter Turrini – Eine komische Katastrophe“ (23.15 Uhr) zum 80. Geburtstag des Theaterdichters, Essayisten, Redners, Briefeschreibers, Polemikers und wachen Mahners auf dem Programm. Danach zeigt ORF 2 anlässlich des Internationalen Tags der Gebärdensprachen die vom ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens kofinanzierte Doku „Seeing Voices“ von Dariusz Kowalski, die gehörlose Menschen und ihre Familien in ihrem Alltag begleitet.

Wie steht‘s denn so mit der Kultur? Fragen an die Politik -Teil 2: Die Spitzenkandidatin und -kandidaten der Kleinparteien

Der „kulturMontag“ stellt die Gretchenfrage zum Thema Kultur an die Spitzenkandidatin und Spitzenkandidaten der Nationalratswahl 2024. Nach den im Nationalrat vertretenen fünf Fraktionen, die in der Vorwoche befragt wurden, kommen diesmal die vier Kleinparteien zu Wort: Fayad Mulla von der Partei „Der Wandel“, die unter dem Namen „Keine von denen“ antritt, Madeleine Petrovic von der gleichnamigen Liste, Tobias Schweiger von der KPÖ und Dominik Wlazny von der „Bierpartei“. Was verstehen sie unter Kultur? Was hat sie kulturell geprägt? Welche geheimen Leidenschaften hegen sie? Was war ihr persönliches Kulturhighlight in diesem Jahr? Wie interpretieren sie den Begriff „Leitkultur“? Und: Was sind ihre wichtigsten kulturpolitischen Forderungen bzw. welche Ideen haben sie für Österreichs Kulturlandschaft?

Macht und Freiheit – Kirill Serebrennikovs „Don Carlo“ an der Wiener Staatsoper

Mit einem Meisterwerk über die zynisch-grausamen Aspekte der Macht eröffnet die Wiener Staatsoper ihre nächste Saison: Starregisseur Kirill Serebrennikov inszeniert Giuseppe Verdis Oper „Don Carlo“, Publikumsliebling Asmik Grigorian debütiert darin als „Elisabetta“. Es ist ein für Verdis Verhältnisse ungewöhnlich melancholisches und düsteres Werk, in dem sich aus einer Liebesgeschichte das große Drama entwickelt. Der spanische Thronfolger Don Carlo verliert seine Braut Elisabetta aus politischen Gründen an seinen Vater Filippo II., den spanischen König, und über all dem schwebt drohend die Inquisition. Für den russischen Regimekritiker und Dissidenten Serebrennikov ein sehr heutiger Stoff, geht es doch um eine Diktatur, die einer chauvinistischen, fundamentalistischen Religion ausgeliefert ist. 2017 wurde er wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern verhaftet und nach jahrelangem Hausarrest 2020 zu einer dreijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. 2020 musste er die Leitung des Gogol-Center abgeben. Trotz aller Beschränkungen war der Regisseur weiterhin künstlerisch aktiv und hat neue, von ihm per digitaler Kommunikation geleitete Inszenierungen herausgebracht, etwa den umjubelten „Parsifal“ an der Wiener Staatsoper. Als sich die politische Lage durch den russischen Krieg gegen die Ukraine immer weiter verschärfte, hat er gegen diesen Krieg protestiert, sein Land verlassen und lebt derzeit in Deutschland. Über Macht und Haltung diskutiert Kirill Serebrennokov im Gespräch mit Clarissa Stadler.

Frankfurter Buchmesse – Italien als Gastland

Unter dem Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ ist Italien in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse. Doch schon im Vorfeld eskalierte der Streit zwischen Vertretern der Regierung Meloni und der italienischen Autorenschaft. In einem offenen Brief wandten sich die Schriftsteller:innen an den heimischen Verlegerverband sowie den Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos. Zu viel politische Einflussnahme überschatte den Schwerpunkt, so die Kritik. Doch wie sieht es nun aus im Sehnsuchtsland der Österreicher:innen? Der „kulturMontag“ hat sich auf eine Erkundungsreise begeben und bei renommierten Autorinnen und Autoren nachgefragt. Etwa bei Antonio Scurati, der mit seinem Romanprojekt über Benito Mussolini und den Aufstieg des Faschismus in Europa auch außerhalb seiner Heimat Furore machte. Zu Wort kommt auch Carlo Feltrinelli, Leiter eines der größten Verlagshäuser Italiens. Seine Familie, allen voran sein Vater, Millionär, Verleger, Kommunist und Freund Fidel Castros, hat die Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert mitgeprägt. Die Schriftstellerin Francesca Melandri nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Sie greift in ihren Romanen die großen Themen der italienischen Gesellschaft auf, darunter die Südtiroler Autonomiebewegung, Rassismus und Kolonialismus. Auch Bestseller-Autorin Melania Mazzucco hat öffentlich Kritik an Italiens Regierung geübt. Mit ihrer Vorliebe für historische Stoffe wird sie regelmäßig mit wichtigen Preisen ausgezeichnet. In ihrem jüngsten Roman rekonstruiert sie das beeindruckende Leben der ersten Architektin im barocken Rom.

Dokumentation „Peter Turrini – Eine komische Katastrophe“ (23.15 Uhr)

Als er seine ersten Stücke auf die Bühne brachte, schlug ihm der unverhohlene Hass von Boulevard und Bürgertum entgegen. Heute bleibt sein Rang als einer der wichtigsten Dramatiker im deutschen Sprachraum unwidersprochen. Peter Turrini ist ein wortgewaltiger Mahner, wann immer die Demokratie unter Druck gerät oder er faschistische Tendenzen wittert. Auch wenn er dies womöglich in Bescheidenheit abwehren würde: Er ist eine moralische Instanz der Nation. Am 26. September wird der Kärntner Sohn eines Italieners 80. Regisseurin Danielle Proskar bittet den Dichter zu Wort – und lässt ihn lesen: Autobiografisches und Politisches zum Lachen und zum Weinen, zum Fürchten und zum Freuen.

Um Peter Turrini gibt es seit jeher Debatten. Wohl steht der 26. September 1944 als sein Geburtstag außer Streit – nicht aber die Geburtsstunde. War es sechs Uhr morgens, wie die Mutter behauptete, oder um zehn, wie es im Krankenhausregister steht? Hatte die Tante mit 13.00 Uhr Recht oder der Vater, der von 15.00 Uhr sprach? So ein Start ins Leben ohne feste Gewissheiten scheint wie gemacht für einen Dichter. Lässt nicht gerade das Ungefähre Raum für Fantasie? Und wächst nicht gerade am Widerspruch der eigene Standpunkt?
Der Bub Peter Turrini war wahrlich nicht unwidersprochen. Als übergewichtiger Sohn eines ins Kärntner Maria Saal zugewanderten italienischen Kunsttischlers wurde er von Gleichaltrigen geschlagen und gequält: „Alles an mir passte nicht zu ihnen“, sagt er in Danielle Proskars Film. So verharrte er meist auf einer Holztreppe im elterlichen Haus: im Rücken das Schweigen des Vaters in seiner Werkstatt, vor ihm die Spielwiese mit den Kindern, die nur darauf warteten, ihn fertigzumachen. So wurde die Holztreppe zum Grenzland, zum Zwischenreich, das viel Raum ließ, Gedanken schweifen und sich von der eigenen Fantasie überraschen zu lassen. 
Turrini wurde erwachsen, er heiratete und brauchte Geld. So wurde er Vertreter von Schreibmaschinen – ein sehr schlechter, wie er anmerkt. Dann Werbetexter, mutmaßlich ein begabter. Doch Erfüllung fand er nur im Dichten. „Rozznjogd“ und „Sauschlachten“, uraufgeführt Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, waren die Stücke zur Stunde, derb und ungeschminkt, der Bourgeoisie vor den Latz geknallt. Theaterskandale, die Turrini schlagartig berühmt machten. 
Heute reißen sich bedeutende Bühnen wie Burgtheater und Theater in der Josefstadt darum, einen Turrini zur Uraufführung zu bringen. Aber er spricht nicht nur durch seine Stücke, sondern auch vor großem Auditorium, meist aus erschütternden Anlässen wie etwa dem Mord an Roma in Oberwart. Filmemacherin Danielle Proskar hat zu den politischen, beißend satirischen, aphoristischen und anekdotischen Texten von Peter Turrini eine eindrucksvolle visuelle Sprache gefunden. Sie montiert Archivmaterial, neu gedrehte Aufnahmen und Theaterausschnitte zu einem mit Turrini korrespondierenden Bildgedicht.

Dokumentation „Seeing Voices“ (0.05 Uhr)

Der in Krakau geborene und in Wien lebende Regisseur Dariusz Kowalski porträtiert in seinem Film einfühlsam Mitglieder der Wiener Gehörlosen-Community in ihrem Alltag. Um mit den Protagonistinnen und Protagonisten direkt in Kontakt treten zu können, hat der Filmemacher selbst ein Jahr lang die Gebärdensprache erlernt. „Seeing Voices“ taucht ein in die Welt dieser faszinierenden Form der Kommunikation – ein Paralleluniversum voller Ausdruckskraft, das den meisten Hörenden unerschlossen bleibt. Die Protagonisten Ayse, Helene und die gehörlosen Mitglieder der Familie Hager vermissen weder Musik noch das Zwitschern der Vögel, schließlich haben sie es nie gehört, sehr wohl aber das Recht auf ihre Muttersprache. Diesen schmalen Grat zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt meistern sie alle auf völlig unterschiedliche Weise – aber keineswegs leise. „Seeing Voices“ ist ein Film über die Beziehung von Identität und Sprache, das Recht auf Chancengleichheit und die Wertschätzung der Gebärdensprache.

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