„Welt ohne Hören?“ – Ein filmisches Projekt über die Geschichte und Emanzipation der Gehörlosen | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

„Welt ohne Hören?“ – Ein filmisches Projekt über die Geschichte und Emanzipation der Gehörlosen

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Aus einem anfänglichen Schulfilm entwickelte sich in intensiver Zusammenarbeit mit der Community der Gehörlosen ein umfassendes Konzept, das die Geschichte, die Herausforderungen und die Erfolge der Gehörlosenbewegung dokumentiert. Besonders eng arbeitete das Projektteam mit den Gehörlosenverbänden Niederösterreich, Wien, Oberösterreich und Tirol, sowie dem Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB) zusammen, die authentische Geschichten und Perspektiven der Betroffenen eingefangen haben.

Unter Anleitung von Lukas Huber, Verbandsleiter des Gehörlosenverbandes Niederösterreich, und mit Beiträgen vieler weiterer gehörloser Experten wie Johann Groiss, Renate Bamberger, Manuela Lunzer, Helene Jarmer und Franz-Joseph Huainigg entstand eine einzigartige Mischung aus dokumentarischen Dreharbeiten und inszenierten Spielszenen. Diese Herangehensweise ermöglichte es, die Geschichte der Ausgrenzung, aber auch der Emanzipation und Entwicklung von gehörlosen Menschen eindrucksvoll zu erzählen.

Wichtige Spielszenen im Film, unter anderem der gewaltsame Unterricht zum Lippenlesen und historische Szenen, wie die Schulausbildung der Gehörlosen, wurden thematisiert. Ebenso wurden Demonstrationen zur Anerkennung der Gebärdensprache dargestellt, wobei ein Höhepunkt die Anerkennung der Gebärdensprache im österreichischen Parlament im Jahr 2005 darstellt. Zahllose Interviews mit Betroffenen gewährten tiefe Einblicke in die Lebenswelt der Gehörlosen und verdeutlichten Aspekte, die sich die „hörende“ Welt oft nicht vorzustellen vermag: die Freude am Tanzen, das Komponieren und der Zugang zur Musik. Viele Erinnerungsmomente wurden nachgestellt, um einen Blick in fast verborgene Welten zu eröffnen.

Vor und hinter der Kamera stehen gehörlose und hörende Menschen und zeichnen für ein gemeinsames Projekt verantwortlich. Besonders stolz sind wir auf Siegfried Bachmayer, der als „Gehörloser Adviser“ sein Wissen in die Filmproduktion eingebracht hat.

Dreharbeiten abgeschlossen

Nach den abgeschlossenen Dreharbeiten beginnt nun die intensive Arbeit an der Postproduktion. Diese Phase ist entscheidend, um ein so wichtiges Kinoprojekt zu vollenden und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Welt ohne Hören?“ ist mehr als nur ein Film. Es ist ein wichtiges kulturelles und gesellschaftliches Dokument, das die Geschichte und die Beiträge der Gehörlosengemeinschaft würdigt. Es macht sichtbar, was oft übersehen wird, und bietet einen tiefen Einblick in die Lebenswelten der Gehörlosen.
„Welt ohne Hören?“ dokumentiert nicht nur die Vergangenheit, sondern ebnet den Weg für eine inklusive Zukunft.

Ein Regiestatement von Anita Lackenberger

„Es ist der Zufall, der mich mit der Gemeinschaft der Gehörlosen in Niederösterreich in Verbindung bringt. Ein kleines Schulfilmprojekt über die Auslöschung der Taubstummen-Anstalt in St. Pölten hat die Community zu mir gebracht, in einem vollen Kinosaal hörender Menschen. Die Kinder der Theaterklasse einer St. Pöltner Mittelschule mit ihren Eltern, Lehrer und Lehrerinnen – alle sind gekommen, um die Geschichte gehörloser Menschen im Jahr 1938 kennen zu lernen. Im Zuge der Projektumsetzung haben die Kinder nicht nur leidenschaftlich gespielt, sondern einen kleinen Blick in die Gebärdensprachenwelt gemacht – am „Originalschauplatz“ der ehemaligen Schule.
Die Begegnung ist für mich unerwartet und emotional im Positiven, wie durchaus auch problematisch. Denn die Gehörlosen fordern ihren Platz ein, in der Geschichte und in ihrer Geschichte.
Der Beginn eines guten Projektes ist die Neugier: Neugier aufeinander. Es kommt zu einer Einladung an mich, in das Verbandshaus und dort bricht die ganze Wucht von Leid und Schmerz über mich. Stellvertretend für die vielen, die gehörlosen Menschen, das Vergessen ihres Schicksals zugemutet haben, werde ich zur Verantwortung gezogen. Warum erinnert man sich nicht an die Menschen, die 1938 einfach verschwunden sind. Aber Menschen verschwinden nicht einfach, das ist ein Punkt der mich mit Lukas Huber (Verbandsleiter des Gehörlosenverbandes NÖ) zusammenbringt und die Schülerinnen und Schüler von 1938 sind nicht einfach verschwunden.
1938 bis 1945 ist ein Kulminationspunkt – Ausgrenzung, Gewalt, Umerziehung gibt es davor und auch nach 1945. Es ist erschreckend. Der Wunsch der Mehrheitsgesellschaft eine Eingliederung einer Sprachminderheit – denn auch so kann man gehörlose Menschen definieren – hat zu vielerlei Formen von Gewalt geführt, physisch und psychisch.
Immanent ist auch die gesellschaftliche Ausgrenzung, die Beschränkung von Bildungswegen. Erst in den 1980er Jahren ist der Erwerb der Matura möglich.
All das ist mehr als guter „Stoff“ für eine fordernde Kino-Film-Dokumentation, in der sich die betroffenen Menschen wiederfinden, dort wo sie sein sollten: auf der großen Leinwand, in ihrem Film“, so Regisseurin und Historikerin Anita Lackenberger.
 

Der Film wird gefördert von ÖFI, ÖFI+, ORF, Land NÖ, LH St. Pölten und dem Land Tirol.

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