Sozialausschuss gibt grünes Licht für kleines Pflegepaket
Der Sozialausschuss des Nationalrats hat in seiner heutigen Sitzung auch grünes Licht für ein kleines Pflegepaket gegeben. Die Abgeordneten stimmten zum Teil mehrheitlich, zum Teil einstimmig dafür, dem AMS im Hinblick auf die geplante Ausweitung des Pflegestipendiums zusätzliche Mittel aus dem Sozialministerium zu überweisen, die Kompetenzen von Heimhelfer:innen auszuweiten und bei der Nostrifizierung ausländischer Pflegeausbildungen einschlägige Berufserfahrungen stärker zu berücksichtigen.
Zudem sollen die Daten aus dem Pflegegeldinformationssystem PFIF künftig auch für die Förderabwicklung der 24-Stunden-Betreuung und – in pseudonymisierter Form – für Projekte der Gesundheit Österreich wie das Demenzqualitätsregister oder das Pflegereporting freigegeben werden. Zeiten der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit sind für die pensionsrechtliche Mindestversicherungszeit in Hinkunft in jedem Fall als Erwerbsjahre zu zählen.
Neu ist außerdem, dass eine Versehrtenrente nicht mehr zu Kürzungen bei der Ausgleichszulage und bei der Sozialhilfe führen wird. Zudem soll das Mindestalter für Fach-Sozialbetreuer:innen und diplomierte Sozialbetreuer:innen auf 18 Jahre herabgesetzt werden. Keine Mehrheit erhielten verschiedene Anliegen der Opposition: Die Beratungen über ihre Anträge wurden durchgängig vertagt. Sozialminister Johannes Rauch konnte aufgrund einer Erkrankung nicht an den Ausschussberatungen teilnehmen.
Ausweitung des Pflegestipendiums ab September
Die einzelnen Punkte des Pflegepakets sind auf verschiedene Gesetzentwürfe sowie eine Bund-Länder-Vereinbarung verteilt, wobei die zusätzlichen Mitteln für das AMS und diverse Änderungen im Bundespflegegeldgesetz in einem von August Wöginger (ÖVP) und Bedrana Ribo (Grüne) eingebrachten Antrag (4115/A) festgeschrieben werden. Das gleiche gilt für die künftig ungeschmälerte Auszahlung der Versehrtenrente und anderer Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wie das Versehrtengeld und die Betriebsrente an Ausgleichszulagen- und Sozialhilfebezieher:innen. Die Leistungen seien eine Entschädigung für die Minderung der Erwerbsfähigkeit und sollen auch unfall- bzw. erkrankungsbedingte Kosten und Aufwände abdecken, wird dieses Vorhaben begründet.
Das AMS wird ab dem kommenden Jahr – zusätzlich zu den schon gewährten 30 Mio. € zur Förderung der Pflegeausbildung – weitere 20 Mio. € aus dem Budget des Sozialministeriums erhalten. Für 2024 ist ein Zusatzbetrag von 7 Mio. € vorgesehen. Grund dafür ist die vereinbarte Ausweitung des Pflegestipendiums. Wie in den Erläuterungen festgehalten wird, sollen ab September 2024 auch Arbeitslosengeldbezieher:innen, die eine Diplomausbildung im Bereich der Gesundheits- und Krankheitspflege an einer Fachhochschule absolvieren, Zugang zum Pflegestipendium erhalten.
Anliegen der Opposition
Mitverhandelt mit dem Koalitionsentwurf wurden mehrere Entschließungsanträge der Opposition. So drängt die SPÖ etwa darauf, staatliche Förderungen im Pflegebereich an die Gemeinnützigkeit von Trägerorganisationen zu knüpfen, um Geschäftspraktiken profitorientierter Investor:innen einen Riegel vorzuschieben (4076/A(E)). Auch pocht sie weiterhin auf einen erleichterten Zugang von Pflegekräften zur Schwerarbeitspension (3633/A, 3632/A(E)). Der FPÖ sind ein Rechtsanspruch auf „Übergangspflege“ in Krankenanstalten im Anschluss an Akutbehandlungen (2906/A(E)) sowie ein 50-prozentiger Zuschlag zum Pflegegeld bei Betreuung und Pflege zu Hause (2933/A(E)) ein Anliegen. Den NEOS geht es um Erleichterungen bei der Weiterverordnung von Medikamenten durch diplomierte Krankenpfleger:innen (2256/A(E)) und um die Schaffung eines Berufsbilds für die 24-Stunden-Betreuung inklusive einer inhaltlichen Aufwertung der Tätigkeit der Betreuer:innen (3202/A(E)).
Breite Mehrheit für Koalitionsantrag
Angenommen wurde der Koalitionsentwurf mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen. Die SPÖ habe lange eine Ausdehnung des Pflegestipendiums gefordert, hielt Christian Drobits fest. Zudem begrüßte er die neuen Bestimmungen zur Versehrtenrente.
Für Gerald Loacker (NEOS) ist es hingegen unverständlich, dass jemand, „der genügend Einkommen hat“, eine Ausgleichszulage braucht. Ihm erschließe sich die Logik hinter den neuen Versehrtenrente-Bestimmungen nicht, meinte er. Zumal der Staat ohnehin kein Geld übrig habe, um weitere Leistungen im Pensionssystem zu finanzieren.
Namens der FPÖ signalisierte Christian Ragger Zustimmung zum Gesetzentwurf, auch wenn es seiner Meinung nach weiterer Maßnahmen bedürfte, um bestehende Probleme im Bereich der Pflege zu lösen. Insbesondere kritisierte er, dass unterschiedliche Systeme in den Bundesländern zu „Reibungsverlusten“ führen würden, und plädierte in diesem Sinn dafür, die Grundsatzgesetzgebung im Pflegebereich „an den Bund zu ziehen“. Auch sei es notwendig, die Pflegeversorgung zu Hause stärker zu fördern. Nicht alle pflegebedürftigen Menschen könnten in einem Pflegeheim versorgt werden, sagte er.
Diskussion über Gemeinnützigkeit im Pflegebereich
Eine längere Diskussion entspannte sich über die Forderung der SPÖ, im Pflegebereich Gemeinnützigkeit sicherzustellen. Damit würde man gewährleisten, dass das Geld „im System bleibt“, sagte SPÖ-Abgeordneter Drobits. Auch müsse vorbeugend verhindert werden, dass „Finanzhaie“ im Pflegebereich „das große Geld machen“. Kritisch sieht er vor diesem Hintergrund auch den Verkauf von VAMED-Einrichtungen an Investoren. Es gehe der SPÖ nicht um das Schlechtreden von privaten Anbietern, versicherte Drobits. Seine Partei wolle aber nicht, dass Sozialversicherungsbeiträge „für Hedgefonds verwendet werden“. Sollten private Anbieter Pleite gehen, müsse zudem erst recht wieder die öffentliche Hand einspringen.
Dieser Argumentation hielt NEOS-Abgeordneter Loacker entgegen, dass es darum gehe, welche Leistung bei den pflegebedürftigen Menschen ankomme. Ob diese von gemeinnützigen oder privaten Anbietern erbracht werde, sei ihm „egal“. Wenn die Leistung passe, solle man damit auch Geld verdienen können. Bedenklich sei eher, wenn Leistungsempfänger und Zahler zusammenfallen.
Auch ÖVP und Grüne äußerten sich zum SPÖ-Antrag (4076/A(E)) skeptisch. Die Grünen würden grundsätzlich sehr viel von Gemeinnützigkeit halten, sagte Abgeordneter Koza. Letztlich hänge aber vieles an den Bundesländern. Zudem wies er darauf hin, dass der VfGH eine rückwirkende Regelung im Burgenland aufgehoben habe.
Ernst Gödl (ÖVP) machte geltend, dass es in der Steiermark seit Jahrzehnten „ein gutes Miteinander“ von gemeinnützigen und privaten Trägern gebe. Dieses gute Miteinander solle man nicht in Frage stellen, meinte er. Wichtig sei vielmehr, dass es entsprechende Kontrollen und gleiche Vorgaben für alle gebe.
Generell hält es Gödl für notwendig, einen besonderen Fokus auf die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zu richten. Hier habe man in den letzten Jahren viel getan, meinte er. NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler hält aber weitere Maßnahmen für erforderlich. Das sei auch zielführender, als Pflegepersonal zu ermöglichen, so früh wie möglich in Pension zu gehen, hielt sie zur Forderung der SPÖ nach einer Ausweitung der Schwerarbeitspension fest. Ein solcher Schritt würde den Arbeitsalltag jener, die noch im Beruf stehen, weiter erschweren.
Was den Antrag der FPÖ betreffend Übergangspflege betrifft, meinte Ralph Schallmeiner (Grüne), hier müsste man zuerst die Länder überzeugen, dass eine einheitliche Vorgangsweise wichtig wäre. Weitere Forderungen der Opposition sind ihm zufolge zum Teil bereits umgesetzt, zum Teil in Umsetzung. Grundsätzlich muss man ihm zufolge aber aufpassen, dass Frauen „nicht noch mehr in Care-Arbeit hineingedrängt werden“.
Änderung der Bund-Länder-Vereinbarung über Sozialbetreuungsberufe
Das Berufsbild und die Grundzüge der Ausbildung von Heimhelfer:innen, Fach-Sozialbetreuer:innen und diplomierten Sozialbetreuer:innen sind in einer Bund-Länder-Vereinbarung über Sozialbetreuungsberufe festgeschrieben, die nun geändert werden soll (2613 d.B.). Heimhelfer:innen, die das Modul „Unterstützung bei der Basisversorgung“ absolviert haben, sollen demnach künftig auch – auf Anweisung von Gesundheitspersonal – Blutdruck, Puls und Temperatur messen und Blutzucker mittels digitaler Geräte kontrollieren dürfen. Weiters sollen sie beim An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen unterstützen und bei der Verabreichung von ärztlich verordneten Augen-, Nasen- und Ohrentropfen behilflich sein können.
Zu diesem Zweck wird die theoretische Ausbildung von 100 auf 118 Unterrichtseinheiten und das Praktikum von 40 auf 48 Stunden verlängert. Gleichzeitig werden bei der Grundausbildung von Heimhelfer:innen, die 200 Unterrichtseinheiten Theorie und 200 Stunden Praxis umfasst, Verschiebungen zwischen einzelnen Ausbildungsinhalten vorgenommen. Es habe sich in der Praxis gezeigt, dass die Erweiterung der Kompetenzen von Heimhelfer:innen sinnvoll sei, wird diese Maßnahme unter anderem begründet.
Außerdem wird mit der Änderung der Bund-Länder-Vereinbarung das Mindestalter für die Ausübung bestimmter Berufe herabgesetzt. Es soll künftig auch für Fach-Sozialbetreuer:innen und für diplomierte Sozialbetreuer:innen – wie derzeit schon für Heimhelfer:innen – 18 Jahre betragen. Derzeit sind es 19 Jahre für Fach-Sozialbetreuer:innen und 20 Jahre für diplomierte Mitarbeiter:innen. Durch die Änderung soll ein nahtloser Übergang zwischen Pflichtschulabschluss, Ausbildung und Tätigkeit ermöglicht und dem auch in diesem Bereich bestehenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden, wird dazu in den Erläuterungen festgehalten.
Die novellierte Vereinbarung wurde vom Sozialausschuss einstimmig gebilligt. In Kraft treten soll sie mit 1. Jänner 2025, sofern zumindest fünf Länder bis dahin das landesgesetzliche Genehmigungsverfahren abgeschlossen haben.
Übergangsfrist für den Bereich der Sozialpädagogik
Gemeinsam mit der Bund-Länder-Vereinbarung verhandelt wurde eine Änderung des erst im Februar vom Nationalrat beschlossenen Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetzes, mit dem Bezeichnungen wie Sozialarbeiter oder Sozialpädagogin gesetzlich geschützt wurden. Wie schon bei der Beschlussfassung für den Bereich der Sozialarbeit werden nun auch für den Bereich der Sozialpädagogik Übergangsbestimmungen festgelegt (4106/A). Zur Führung der Bezeichnung „Sozialpädagoge“ bzw. „Sozialpädagogin“ wird demnach auch berechtigt sein, wer innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes ein auf ein nicht einschlägiges Grundstudium aufbauendes Masterstudium der Sozialpädagogik im Ausmaß von 120 ECTS abschließt.
Diesem Antrag stimmten alle Fraktionen mit Ausnahme der NEOS zu, wobei zuvor mit einem Abänderungsantrag noch ein redaktionelles Versehen korrigiert wurde. Man habe die Übergangsfrist im Bereich der Sozialpädagogik vergessen, ohne dass es jemandem aufgefallen sei, stellte Grünen-Sozialsprecher Koza fest. Die NEOS hatten auch schon dem ursprünglichen Gesetz nicht zugestimmt.
Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024
In erster Linie rechtliche Klarstellungen und verschiedene technische Änderungen enthält das von der Regierung vorgelegte Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024 (2607 d.B.), das vom Sozialausschuss mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen an das Plenum weitergeleitet wurde. So sollen etwa obsolete Bestimmungen aus den Sozialversicherungsgesetzen gestrichen und Präzisierungen in Bezug auf die Pensionsversicherung von Lehrlingen und von freien Dienstnehmer:innen vorgenommen werden. Auch dass Zeiten einer eingetragenen Partnerschaft und einer nachfolgenden Ehe für den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerpension und deren Bemessung zusammenzuzählen sind, wird klargestellt.
Neu ist, dass Pensionsleistungen und andere aus der Sozialversicherung resultierende Leistungen künftig nicht nur wie schon jetzt bei einer Haft im Inland oder in einem anderen EU-Staat, sondern auch in einem Drittstaat ruhen sollen. Außerdem sollen Zeiten der Pflegekarenz, der Pflegeteilzeit und der Begleitung von Kindern zu Rehaaufenthalten in Bezug auf die pensionsrechtliche Mindestversicherungszeit künftig als Versicherungsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit gelten. Bei der Berechnung der Hinterbliebenenpension ist künftig die Höhe einer (fiktiven) vorzeitigen Alterspension nach der Langzeitversichertenregelung zu berücksichtigen. Um Härtefälle zu vermeiden, soll es auch bei BSVG-Versicherten möglich sein, im Falle von Chemo- und Strahlentherapien auf die Einhebung des 20-prozentigen Selbstbehalts für nicht stationäre Krankenbehandlungen zu verzichten. Weitere Bestimmungen des Entwurfs betreffen die Organisation der Sozialversicherungsträger.
SPÖ und NEOS orten einzelne Mängel
SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum begründete die Ablehnung des Gesetzespakets durch ihre Fraktion damit, dass sich – neben vielen kleinen positiven Änderungen – „ein weiterer Angriff auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherung eingeschlichen hat“. Dabei bezog sie sich auf das notwendige Einvernehmen des Sozialministers mit dem Finanzminister bei einzelnen Beschlüssen der Verwaltungskörper der Sozialversicherung.
Kleine Mängel im Gesetz – neben „durchaus positiven Dingen“ – ortet auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Die NEOS seien schon immer gegen „den extrem teuren Frühstarterbonus“ gewesen, meinte er. Statt daran herumzufeilen, gehöre dieser abgeschafft. Schließlich würden im Pensionsbereich frühe Arbeitsjahre ohnehin begünstigt angerechnet. Auch für eine weitere Besserstellung bei der Hinterbliebenenpension zeigte er angesichts der allgemeinen budgetären Situation kein Verständnis.
Zustimmung zur Regierungsvorlage kündigte demgegenüber FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch an, wiewohl ihr zufolge damit zum Teil nur selbst verursachter „Murks“ ausgebessert wird.
Anträge der SPÖ und der NEOS vertagt
Mit dieser Regierungsvorlage mitberaten wurden je zwei Anträge der SPÖ und der NEOS, die wie die anderen Oppositionsanträge vertagt wurden. So drängt die SPÖ weiterhin darauf, die ihrer Meinung nach ungerechte Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung abzuschaffen (3091/A(E)). Außerdem urgiert sie eine dauerhafte Schutzklausel für Pensionsneuzugänge, um inflationsbedingte Pensionsverluste durch die verzögerte Aufwertung des Pensionskontos zu vermeiden (3918/A). Den NEOS ist die Direktwahl der Gremien der Sozialversicherungsträger durch die Versicherten und Unternehmen anstelle der Beschickung der Gremien durch die Kammern (316/A(E)) ein Anliegen. Zudem wollen sie sicherstellen, dass Pensionskonten erst mit dem Tod einer Pension gelöscht werden, damit betroffene Personen auch nach Pensionsantritt darauf zugreifen können und die Daten im Falle der neuerlichen Aufnahme einer Beschäftigung weiterhin vorliegen (1882/A).
Die Daten des Pensionskontos würden nicht gelöscht, nur der Zugang zu ihnen sei nicht mehr möglich, hielt Michael Hammer (ÖVP) zu den Anträgen fest. Zudem erinnerte er daran, dass eine Schutzklausel zur Verhinderung von Pensionsverlusten eingezogen wurde. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs
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