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Studie von Wissenschaftsakademien zeigt: Digitalisierung wird weltweit unterschiedlich bewertet

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Die digitale Transformation hat zu einem noch nie dagewesenen Maß an globaler Vernetzung geführt. Begleitet wird diese Entwicklung von Bemühungen um die Formulierung universeller ethischer Richtlinien für den Umgang mit den neuen digitalen Technologien.  Das Auffällige dabei: Ethische Grundsätze klingen weltweit ähnlich. Von Gerechtigkeit, Würde und Privatsphäre ist die Rede. Erstaunlicherweise kann man sich über Kontinente und Religionen hinweg auf dieselben Werte einigen. Im Widerspruch dazu zeigt sich aber, dass die tatsächliche Einstellung der Menschen zu digitalen Technologien weltweit höchst unterschiedlich ist.  

Gemeinsame Studie von elf Wissenschaftsakademien  

Ein Forschungsprojekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Rahmen der Plattform AGIDE (Academies for Global Innovation and Digital Ethics) ging diesem Widerspruch nun auf den Grund. Elf Wissenschaftsakademien auf sechs Kontinenten haben anhand von qualitativen Interviews und internationalen Workshops untersucht, welche Narrative – also gesellschaftsweiten Erzählungen – die Sichtweise auf digitale Technologien beeinflussen.  

Bei der internationalen und öffentlich zugänglichen Konferenz „Narratives of Digital Ethics“ am 27. und 28. Juni, einer gemeinsamen Veranstaltung der ÖAW und des Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), werden die Ergebnisse, die auch in einem Bericht im Verlag der ÖAW zusammengefasst sind, nun erstmals einem breiten Publikum vorgestellt.  

Digitale Technologien als Chancen oder Risiken 

Welche Narrative prägen was wir in Bezug auf neue Technologien als „gut“ oder „böse“ einstufen? Narrative sind kurze Geschichten, die in einer Gesellschaft wiederholt erzählt werden. Sie bestehen oft aus einem „Helden“, seinem Gegenspieler, einem Konflikt und einer Auflösung des Konflikts. Diese Geschichten können kollektives Denken stark beeinflussen und darüber entscheiden, welche Politik verfolgt wird. 

Ein Beispiel aus dem Forschungsprojekt: In der EU steht das Individuum in Zentrum.  „Es wird primär als bedroht, als potenzielles Opfer der Technologie und der Digital-Industrie gesehen, insbesondere im Hinblick auf einen befürchteten Verlust von Autonomie. Und die präferierte Lösung des Konflikts ist Regulierung, die darauf abzielt, dem Individuum seine Autonomie wiederzugeben“, sagt die Rechtswissenschaftlerin Christiane Wendehorst, Klassenpräsidentin der ÖAW, die das Forschungsprojekt geleitet hat.  

Im Globalen Süden hingegen ist vielfach ein Narrativ zu finden, in dem der Protagonist die Gemeinschaft ist, die von anderen Staaten oder Weltregionen potentiell marginalisiert und ausgenutzt wird. Hier ist die Rede von „digitalem Kolonialismus“. Die Lösung sieht dieses Narrativ in der Entwicklung genuin eigener digitaler Technologien mit dem Ziel einer kollektiven digitalen Souveränität. 

Insgesamt haben die Forschenden weltweit fünf prägende Narrativ-Muster gefunden, dazu zählen neben den beiden bereits genannten etwa auch das besonders in den USA aber ebenso in anderen Weltteilen verbreitete „Silicon Valley“-Narrativ, bei dem das Individuum als Akteur sowie hohes Vertrauen in Technologie-Unternehmen und Steuerung durch den Markt im Zentrum stehen. Die Wissenschaftler:innen betonen dabei, dass viele mächtige Narrative auch in regionalen Abwandlungen auftreten und ineinander übergehen können. So erzählen Menschen im Norden Europas beispielsweise eher von einer Lösung durch digitale Bildung der Gesellschaft als durch Regulierung.  

Narrative prägen politische Entscheidungen 

Diese Narrative genauer unter die Lupe zu nehmen ist wichtig, denn: „Sie können starke Triebfedern für gesellschaftliche Entwicklungen sein und darüber entscheiden, welche Politik verfolgt wird“, betont Christiane Wendehorst und verweist auf das Beispiel der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in der EU und der jüngeren Digitalgesetzgebung.  

Neben den Ergebnissen des Projekts werden bei der Konferenz weitere Themen digitaler Ethik diskutiert, wie die Frage, warum Menschen nicht-menschlichen Wesen menschenähnliche Eigenschaften zuweisen. Die Keynote Lecture hält Edmond Awad von der Universität Oxford. Er stellt ein ethisches Experiment zur Debatte: Die „Moral Machine“ ist eine Online-Plattform, die moralische Dilemmata aufbereitet und die Frage aufwirft, ob Maschinen moralische Entscheidungen treffen können. Zudem gibt es eine Live-Performance mit Roboterhund Spot von Boston Dynamics mit der Choreografin und Tänzerin Silke Grabinger.  

Publikation:  

„Narratives of Digital Ethics”, Christiane Wendehorst, Magdalena Eitenberger, Jana Winter, Astrid Mager, Barbara Prainsack, Astrid Weiss et al., Verlag der ÖAW, 2024
DOI: https://doi.org/10.1553/978OEAW97058 

Beteiligte Akademien: 

Am Forschungsprojekt waren elf Wissenschaftsakademien aus sechs Kontinenten beteiligt, im Einzelnen: Die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Australische Akademie der Wissenschaften, die Akademie der Wissenschaften von Südafrika, Die Brasilianische Akademie der Wissenschaften, die Chinesische Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Pakistanische Akademie der Wissenschaften, die Israelische Akademie der Wissenschaften, die Polnische Akademie der Wissenschaften, die Königlisch-Niederländische Akademie der Wissenschaften und die National Academy of Sciences in den USA 

Konferenz und Keynote:

Narratives of Digital Ethics
27. Juni und 28. Juni, jeweils ab 9.15 Uhr

Keynote Lecture mit Edmond Awad
27. Juni um 18 Uhr 

Österreichische Akademie der Wissenschaften, Festsaal
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien

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